Anlageberatung

Fast alle Empfehlungen unbrauchbar?

95 Prozent der aktuell unterbreiteten Anlagevorschläge von Banken und Finanzvertrieben passen nicht zum Bedarf der Verbraucher. Zu diesem Ergebnis kommt eine im Dezember 2015 veröffentlichte Untersuchung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg im Rahmen des Projekts "Marktwächter Finanzen". In der Untersuchung wurden 3 864 Anlageprodukte bewertet. Grundlage dafür waren 835 persönliche Geldanlage- und Altersvorsorgeberatungen von Verbraucherzentralen im Zeitraum November 2014 bis Oktober 2015, in denen einerseits bei Verbrauchern bereits vorhandene Produkte, aber auch Anlagevorschläge bewertet wurden, mit denen Verbraucher zur Beratung zu den Verbraucherschützern kamen, um vor Vertragsabschluss eine zweite Meinung einzuholen.

Das Urteil der "Marktwächter" ist vernichtend. Von denjenigen Produkten, die die Verbraucher bereits besaßen, ist zwar die Mehrheit passend. 45 Prozent der Produkte wurden jedoch als unpassend bewertet. Bezogen auf die Beratungsfälle besaßen lediglich 23 Prozent der Ratsuchenden bedarfsgerechte Produkte. In 77 Prozent der untersuchten Fälle verfügten die Anleger über mindestens ein Produkt, das nicht zu ihrem Bedarf passte. Produkte wurden vor allem dann als ungeeignet bewertet, wenn sie im Vergleich zu anderen, vergleichbaren Produkten zu renditearm beziehungsweise zu teuer (53 und 52 Prozent der beanstandeten Produkte) oder zu unflexibel (34 Prozent) waren. In 26 Prozent der kritisierten Fälle überstiegen sie auch die individuelle Risikobereitschaft des Kunden.

Bei der Bewertung der den Verbrauchern aktuell vorliegenden Angebote haben die Verbraucherschützer vor allem Renten- und Kapitallebensversicherungen sowie Investmentfonds geprüft. Dabei bewerteten sie 95 Prozent der Anlagevorschläge als nicht bedarfsgerecht, meist, weil sie als zu teuer eingestuft wurden (87 Prozent). Weitere Mängel bestanden in zu geringer Flexibilität (56 Prozent) und Rendite (35 Prozent). Dass zu risikoreiche Produkte angeboten wurden, kam im Vergleich zum Produktbestand der Ratsuchenden mit 21 Prozent der Anlageempfehlungen weniger häufig vor.

Die Einschätzung der Verbraucherschützer, wonach Anlageberatung von Banken und Sparkassen nichts taugt, ist somit nachvollziehbar. Die Datengrundlage der Untersuchung ist jedoch geeignet, die Ergebnisse zu relativieren. Schließlich suchen in der Regel vor allem jene Verbraucher eine Beratung in einer Verbraucherzentrale auf, die sich in Sachen Finanzen suboptimal aufgestellt fühlen oder diesbezüglich unsicher sind. Auch eine Zweitmeinung zu einem Anlagevorschlag holt in der Regel nur derjenige ein, der nicht wirklich überzeugt ist. Somit ist es zumindest wahrscheinlich, dass unter diesen Verbrauchern der Anteil derjenigen, bei denen Produkte und/oder Angebote nicht wirklich geeignet sind, höher ausfällt als im Durchschnitt der Anleger insgesamt.

Belegen lässt sich das vermutlich ebenso schlecht wie die Repräsentativität der Marktwächter-Ergebnisse für den Gesamtmarkt. Dafür müsste man auch die Anlagen und Anlagevorschläge jener Bankkunden einbeziehen, die durchaus zufrieden sind. Diese Datenbasis zu generieren dürfte jedoch schwierig werden. Red.

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