Bankvertrieb von Versicherungsprodukten ohne Digitalisierung auf dem Rückzug

Wo/Von wem sich Verbraucher vor Abschluss einer Versicherung beraten lassen möchten (Nennungen "Bankberater" in Prozent) Quelle: Detecon

In Sachen Digitalisierung haben die Versicherer noch ordentlichen Nachholbedarf. Denn zunehmend setzt auch der Versicherungskunde verstärkt auf Online-Kanäle. Zu diesem Ergebnis kam eine repräsentative Umfrage der Detecon International in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsunternehmen Yougov unter 3 000 Versicherungskunden, die zu ihrem Verhalten entlang der gesamten "Customer Journey" befragt wurden - vom Impuls über Information und Beratung bis hin zum Abschluss eines Versicherungsvertrags. Zentrales Ergebnis dabei: Online-Kanäle wie Unternehmenswebseiten und Vergleichsportale haben gegenüber dem traditionellen persönlichen oder telefonischen Kontaktweg deutlich aufgeholt.

So stammt beispielsweise der Impuls zum Abschluss einer einfachen Versicherung wie Kfz oder Privathaftpflicht bereits zu nahezu einem Drittel aus Online-Quellen wie Vergleichsportale. Bei komplexen Produkten wie privaten Rentenversicherungen, Kranken-, Pflegezusatz- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen stellen hingegen personengebundene Kontaktpunkte wie Vertreter, Makler oder Bankberater mit 52,2 Prozent noch den höchsten Anteil der Impulsgeber. Bei einfachen Produkten kommt der personengebundene Vertrieb gerade noch auf 30,5 Prozent.

Information immer häufiger online

Im Bereich Information hat der Online-Kanal nicht nur bei einfachen Produkten immer größere Bedeutung erlangt. Auch für komplexe Produkte wollen der Studie zufolge viermal so viele Kunden wie heute künftig ein Vergleichsportal als Hauptinformationsquelle nutzen - auch wenn sie für den Vertragsabschluss bei diesen Produkten noch den persönlichen Kontakt bevorzugen, während bei einfachen Produkten der Online-Abschluss zunehmend favorisiert wird. Vor 3 Jahren lag die Quote derer, die sich zu einfachen Versicherungsprodukten online informierten und auch den Abschluss online tätigten, bei 17 Prozent. Innerhalb eines Jahres ist sie auf 27 Prozent gestiegen.

Bankvertrieb: Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Auch auf die aktuelle beziehungsweise künftige Rolle des Bankvertriebs gibt die Studie Hinweise. Die Bedeutung von Bankberatern in Sachen Information über Versicherungsprodukte hat demnach in den letzten Jahren sogar ein wenig zugenommen, wenn auch lange nicht so stark wie die der Vergleichsportale. Bei den einfachen Produkten stieg der Anteil derer, die sich beim Bankberater informierten, von 5 Prozent vor 3 und mehr Jahren auf 6 Prozentpunkte im Zeitraum der letzten 2 Jahre. Bei den komplexen Produkten ist die Entwicklung vergleichbar. Hier erhöhte sich die Quote derer, die sich beim Bankberater informierten, von 8 auf 9 Prozent.

Doch ist dies keineswegs ein Grund zur Entwarnung und der Annahme, der Bankvertrieb könne von der Entwicklung verschont bleiben. Denn für die Studien wurden die Kunden auch nach Wunsch und Wirklichkeit hinsichtlich der wichtigsten Informationsquelle befragt. Und da sehen die Ergebnisse anders aus.

- Auf die Frage nach der wichtigsten Informationsquelle zu einfachen Versicherungsprodukten nannten beim Status quo 5 Prozent der Kunden den Bankberater, wünschen würden sich ihn aber nur 4 Prozent. Und bei den beratungsintensiveren komplexen Produkten beträgt der Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit sogar 2 Prozentpunkte (7 versus 9 Prozent).

- Beraten lassen sich heute 5 Prozent der Kunden von einem Bankberater bei einfachen Versicherungsprodukten, für 4 Prozent ist das auch der bevorzugte Ansprechpartner für die Beratung. Bei den komplexeren Produkten ist der Anteil derer, die sich in der Bank beraten lassen, mit 10 Prozent zwar derzeit doppelt so hoch. Dafür ist auch die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit mit 3 Prozentpunkten wiederum höher.

Sinkende Akzeptanz für Vorsorgeberatung

Damit schneidet der Bankvertrieb im Vergleich zu den Ausschließlichkeitsorganisationen der Assekuranz war immer noch sehr gut ab. (Hier beträgt die Lücke bei den komplexen Produkten hinsichtlich der gewünschten beziehungsweise tatsächlichen Hauptinformationsquelle stolze 12 Prozentpunkte in Sachen Information, beim Beratungswunsch sind es sogar 14 Prozentpunkte zum Status quo). Doch das ist sicher nur ein schwacher Trost.

Bei Themen wie Kfz ist der Bankvertrieb ohnehin schon weit abgeschlagen. Jedoch deuten die genannten Zahlen darauf hin, dass auch Beratungsangebote der Banken und Sparkassen in Sachen Altersvorsorge in der nächsten Zeit auf sinkende Akzeptanz stoßen werden. Die zunehmende Komplexität neuer Tarifmodelle insbesondere in der Lebensversicherung mag diese Entwicklung vielleicht ein Stück weit verzögern. Aufhalten wird sie sie gewiss nicht.

Strukturen auf den Prüfstand

Wo es nicht das persönliche Gespräch ist, muss die Bankassurance den Fokus somit vielleicht stärker auf die eigene Homepage beziehungsweise das Kundenportal des jeweiligen Versicherungspartners richten. Denn die Studie zeigt, dass es nicht nur die Vergleichsportale sind, die aus Kundensicht an Bedeutung gewinnen, sondern dass auch die Website der Versicherungsunternehmen entlang der Customer Journey immer wichtiger wird. Das heißt: Wenn Banken und ihre Partner aus der Assekuranz das Geschäft nicht dem Portalen überlassen wollen, müssen sie das eigene Informationsangebot, die Online-Beratung zu Versicherungsprodukten sowie die Online-Abschlussmöglichkeiten weiter ausbauen.

Damit aber gehören ganze Strukturen auf den Prüfstand. Dass etwa eine R+V sich in Sachen Online-Abschluss mit Rücksicht auf die Genossenschaftsbanken auf den Kfz-Bereich beschränkt, der ohnehin kein nennenswertes Thema für den Bankvertrieb ist, passt vor dem Hintergrund der genannten Zahlen nicht mehr recht in die Zeit.

Gerade den beiden Verbünden mit ihrer ausgeprägten Integration von Primärinstituten und Versicherungspartnern bietet sich hier die Chance, in Sachen Digitalisierung weiterzukommen, ohne den Bankvertrieb aus der Wertschöpfungskette völlig herauszudrängen. Dann wird man sich auch darüber einigen können, wem aus einer stärkeren Rolle der digitalen Kanäle resultierende Abschlüsse letztlich zugerechnet werden und wie, darauf basierend, die Grundlagen für die Vergütung künftig aussehen sollen.

Widerstände überwinden

Bei den einfachen Produkten wie Kfz, Hausrat, Haftpflicht oder Rechtsschutz, Wohngebäude- oder auch Risikolebensversicherung wird an dieser Stelle ein Konsens vergleichsweise einfach zu erzielen sein.

Im Hinblick auf komplexere Produkte aus dem Bereich Personenversicherung (Kapitallebensversicherung, private Rentenversicherung, Riester oder Rürup, Pflegezusatz- oder auch Kranken- und Unfallpolicen) ist hingegen bankenseitig mit größeren Widerständen zu rechnen. Schließlich halten sich Banken und Sparkassen gerade an dieser Stelle einiges auf ihre Beratungskompetenz zugute.

Das ist auch gar nicht von der Hand zu weisen. Natürlich mag man zu Recht argumentieren, dass Vorsorge immer ein Gesamtkonzept sein sollte und die Online-Abschlussmöglichkeit für private Rentenversicherungen oder BU-Policen ohne vorherige eingehende Beratung zumindest die Gefahr birgt, dass nur ein Stückwerk herauskommen wird. Das ändert jedoch nichts daran, dass man dort, wo der Kunde eben diese Online-Abschlussmöglichkeiten wünscht, diese Möglichkeit bieten muss, um ihn nicht an den Wettbewerb zu verlieren.

Hier besteht die Herausforderung darin, auch in den Online-Kanälen ganzheitliche (Selbst)-Beratungsansätze zu etablieren, die in eine ähnliche Richtung zielen wie die persönliche Beratung, und Kunden mit einem entsprechenden Bedarf durch geeignete Pre- und After-Sales-Betreuung vielleicht doch noch für ein Beratungsangebot zu gewinnen. Im Rahmen einer neuen Ausrichtung beim Zielgruppenmanagement ist ohnehin längst klar geworden, dass sich die ganzheitliche persönliche Beratung für alle Kunden gar nicht lohnt - weder für die Bank noch für die Kunden selbst. Dem Geringverdiener etwa, der einen Riester-Vertrag gerade einmal mit dem Mindestbeitrag abschließen kann, braucht man keine ergänzende Rentenversicherung oder einen Bausparvertrag anzubieten, so gut sich Wohneigentum generell auch als ergänzendes Standbein in der Altersvorsorge eignen mag.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X