Versicherungsvertrieb: "Ropo" wird zum Standard

Der digitale Wandel stellt auch den Versicherungsvertrieb vor Herausforderungen: Kaum noch ein Versicherungsvertrag wird heute ohne vorherige Recherche des Kunden im Internet abgeschlossen: 84 Prozent aller Abschlüsse werden im Internet vorbereitet. Für den Abschluss jedoch nutzen Kunden überwiegend weiterhin den gewohnten Weg über den Vermittler. Noch werden 75 Prozent der Verträge nicht auf elektronischem Wege abgeschlossen. Zu diesen Ergebnissen kommt die GfK-Studie Customer Journey Insurance 2016 der Zurich Versicherung.

Die Zeit arbeitet dabei nicht für die Vermittler:

- Der Anteil der reinen Offline-Kunden, die sich nicht zuvor im Internet informieren, sank von 57 Prozent im Jahr 2009 und 43 Prozent 2011/2012 auf nur noch 16 Prozent 2014/2015.

- Im gleichen Zeitraum hat sich der Anteil der reinen Online-Abschlüsse mit vorangegangener Online-Recherche um 96 Prozent erhöht und stieg von 12 Prozent 2011/12 auf 25 Prozent 2014/2015.

Heruntergebrochen nach soziodemografischen Profilen, sind es vor allem die 30- bis 49-Jährigen, aber auch die 50- bis 69-Jährigen, die sich online informieren, bevor sie einen Abschluss tätigen. Die unter 30-Jährigen sowie die über 70-Jährigen verzichten in etwa gleich häufig darauf. Unterschieden nach Haushaltsgrößen, entfallen fast drei Viertel der "Ropo"-Abschlüsse auf Ein- bis Zwei-Personenhaushalte und nur 27 Prozent auf Haushalte mit drei und mehr Personen.

Die Mehrheit der Kunden, nämlich 59 Prozent, sind mittlerweile die sogenannten "Ropo"-Kunden ("Research online, purchase offline"), die sich erst online informieren, dann aber doch noch zum Vermittler gehen. Wie hoch dieser Anteil ist beziehungsweise in welchem Umfang sich das Geschäft ganz in die digitalen Kanäle verlagert, ist allerdings in den einzelnen Produktkategorien sehr unterschiedlich. Generell lässt sich sagen: Je einfacher das Produkt, desto eher trauen sich Verbraucher den Abschluss zu, ohne einen Berater einzubeziehen.

Private Krankenversicherung: Jeder fünfte Vertrag online abgeschlossen

Typisches Beispiel dafür ist die Kfz-Versicherung, die den höchsten Anteil an reinen Online-Abschlüssen verzeichnet. Hier kommt mittlerweile jeder dritte Vertrag von Recherche bis Abschluss komplett im Internet zustande. Vor vier Jahren war es erst jeder vierte. Gleichzeitig ist in der Kfz-Versicherung überraschenderweise jedoch auch der Anteil der reinen Offline-Kunden mit 18 Prozent höher als in allen anderen Produktkategorien.

Auch die private Krankenversicherung sowie die Schadensversicherung verlagern sich zusehends in die digitalen Kanäle: 21 Prozent der Verträge in der privaten Krankenversicherung kamen 2014/2015 so zustande, 2011/2012 waren es erst 12 Prozent. In der privaten Schadenversicherung betrug der Anteil der reinen Online-Verträge zuletzt 19 Prozent und damit ebenfalls doppelt so viel wie vier Jahre zuvor. Diese beiden Produktkategorien sind zugleich die beiden mit dem höchsten Anteil an Abschlüssen, denen - ungeachtet des letztlich gewählten Abschlusskanals - eine Online-Recherche vorangegangen ist. Die private Krankenversicherung, die typischerweise als eher beratungsintensives Produkt gilt, kommt hier mit 90 Prozent auf den höchsten Wert. Bei der privaten Schadensversicherung sind es 87 Prozent.

Die PKV ist übrigens auch diejenige Produktkategorie, bei der die durchschnittliche Informationssuche sich über den längsten Zeitraum, nämlich über 4,4 Tage, hinzieht. Im Schnitt besuchen Kunden 10,1 Websites, bevor es zum Abschluss kommt. Das ist ebenfalls der höchste Wert der untersuchten Produktkategorien. Möglicherweise deutet das darauf hin, dass Verbraucher hier gleichzeitig hohe Relevanz sehen, es ihnen aber schwerfällt, das wirklich passende Produkt zu finden. Trotz des stark anwachsenden Anteils der rein online abgeschlossenen Verträge könnte sich hier möglicherweise Potenzial für die Beratung bieten.

Leben/Unfall: Starke Zunahme der Online-Recherche

Am höchsten ist der Anteil der Ropo-Kunden bei der Altersvorsorge (77 Prozent) sowie bei Risiko-, Unfall- und Lebensversicherungen (69 Prozent). Hier wird also zumindest vor dem Abschluss noch ein Vermittler eingeschaltet, der seine Beratungskompetenz mit einbringen kann. Gerade bei den neuen Garantiemodellen in der Lebensversicherung ist das vermutlich oftmals auch nötig, machen sie doch das Produkt sehr viel erklärungsbedürftiger. Inwieweit diese Entwicklung in der Studie bereits abgebildet ist, ist fraglich. Schließlich hat der Trend der Lebensversicherer weg von den klassischen Langzeitgarantien hin zur "neuen Klassik" erst im vergangenen beziehungsweise dem laufenden Jahr richtig Fahrt aufgenommen.

In Sicherheit wiegen können sich die Vertriebe auch bei der Altersvorsorge so oder so nicht. Denn gerade die Produktkategorie Risiko-, Unfall- und Lebensversicherung ist diejenige, in der der Anteil der Abschlüsse mit vorangegangener Online-Recherche am stärksten zugenommen hat. Von 2011/ 2012 bis 2014/2015 ist hier ein Zuwachs um 80 Prozent zu verzeichnen. Gleichzeitig ist der Anteil der reinen Offline-Kunden, die gleich in die Beratung kommen, von 51 auf nur noch 14 Prozent gesunken.

Bedeutung der Marke wieder gestiegen

Auch das Suchverhalten vor Abschluss einer Versicherung hat die Studie unter die Lupe genommen. Demnach wurden 2009 erst in 15 Prozent der Informationsprozesse vor Abschluss einer Versicherung Suchmaschinen genutzt, 2011/12 waren es bereits 28 Prozent und 2014/15 stolze 42 Prozent.

Reine Markensuchen gehen dabei anteilig zurück, während sogenannte hybride Suchen, bei denen der Nutzer generische und Markenbegriffe kombiniert, auf dem Vormarsch sind. Daraus lässt sich ableiten, dass die Markenbezogenheit im Laufe des Informationsprozesses abgenommen hat.

Rein generische Suchen, bei denen der Nutzer lediglich nach allgemeinen Begriffen wie beispielsweise Lebensversicherung sucht, haben dabei überraschenderweise gegenüber 2011/2012 wieder abgenommen, und zwar von 53 Prozent der Suchprozesse auf nur noch 46 Prozent. Das wiederum bedeutet, dass die Marke für viele Nutzer zwar nicht den Hauptanker im Informationsprozess darstellt, jedoch offenbar wieder an Bedeutung zugenommen hat. Insgesamt ist die Marke in 49 Prozent der Suchvorgänge vor Online-Abschlüssen beziehungsweise 54 Prozent vor Offline-Abschlüsse zumindest Teil der Suche. Vor Offline-Abschlüssen wird jedoch stärker exklusiv nach generischen Begriffen gesucht als vor Online-Abschlüssen, nämlich in 26 Prozent der Fälle.

Eine große Rolle beim Informationsverhalten spielen Vergleichsseiten. 15 Prozent der Nutzer besuchen gleich zum Start ihrer Recherche eine solche Seite, 22 Prozent führt ihre generische Suche dorthin, gut jeder Vierte (27 Prozent) kommt von einer markenunspezifischen Seite zum Vergleichsportal. Ebenso häufig (26 Prozent) geht es von Vergleichsseiten zu einer markenunspezifischen Seite. Jeden Fünften führen die Portale zur Website einer Versicherung (11 Prozent) oder Direktversicherung (9 Prozent). Und 17 Prozent beenden gleich auf der Vergleichsseite ihre Suche.

Diese Erkenntnisse zur sogenannten "Customer Journey" sind für die Anbieterseite selbst, aber auch für die Vertriebe hoch relevant - geben sie doch einen Fingerzeig darauf, wie man sich auf den Wandel des Nutzerverhaltens vorbereiten kann. Die Bedeutung der Marke etwa kann vor allem den Genossenschaftsbanken mit ihrem zentralen Versicherer helfen. Trotzdem wird die Konzentration auf nur einen Produktgeber bei zunehmend informierten Kunden sicher schwieriger.

Immer mehr zur Sackgasse werden dürfte der bei Versicherungsprodukten auf Bank-Webseiten immer noch nicht ausgestorbene Verweis auf die Beratung: Auch bei komplexeren Produkten werden Online-Abschlussmöglichkeiten - gegebenenfalls kombiniert mit Beratungs-Tools - zur Auswahl des passenden Produkts beziehungsweise der richtigen Produktbausteine wichtiger.

Gerade bei Lebens- beziehungsweise Rentenversicherungen kann die Beratung möglicherweise trotzdem (mindestens vorübergehend) einen neuen Aufschwung erleben. Denn bei der Vielfalt der neuen Produkte gibt es eine so große Komplexität und Vielfalt, dass die Online-Recherche viele Kunden eher verwirren dürfte, als dass sie ihnen weiterhilft.

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