Kommunikation für Immobilien

Immobilienfinanzierung: Research online - Purchase offline

Zwar wird der Online-Kauf bei Bankprodukten beliebter, doch werden Baukredite fast ausschließlich beim Berater abgeschlossen, weil sie in der Regel individuell und komplex sind. Allerdings zeigt eine Studie, die der Autor mit erstellt hat, dass vor allem potenzielle Eigenheimerwerber sehr intensiv im Internet nach Finanzierungsmöglichkeiten, Konditionen und Anbietern recherchieren Für Baufinanzierer ist es daher entscheidend, den Kunden auf den eigenen Online-Auftritt aufmerksam zu machen, ihn dort verständlich zu informieren und schließlich mit dem persönlichen Berater zu verbinden. (Red.)Das Internet hat in den letzten 15 Jahren für Millionen Privatkunden den Zugang zu Bankdienstleistungen und Informationen erleichtert. Inzwischen sind 49 Millionen Deutsche online - fast dreimal mehr als vor zehn Jahren. Über 25 Millionen Kunden nutzen Online-Banking, primär um Kontostände zu prüfen, Überweisungen zu tätigen oder Daueraufträge anzulegen. Der Vertrieb von Bankprodukten erfolgt aber heute noch vorwiegend in der Filiale: Über 80 Prozent aller Finanzverträge wurden im Jahr 2009 in den Räumen der Bankinstitute geschlossen, nur elf Prozent online (der Rest per Brief oder Telefon). Bei Immobilienkrediten wurde sogar weniger als ein Prozent der Verträge online geschlossen. Allerdings spiegelt dieser Wert die Bedeutung des Internets gerade für die Immobilienfinanzierung unzureichend wider. In einer neuen Studie, die Deutsche Bank Research gemeinsam mit Google und der GfK durchgeführt hat, konnte erstmals das tatsächliche Surfverhalten deutscher Bankkunden aufgezeichnet und ausgewertet werden.1) Dabei zeigt sich, dass über 4,5 Millionen Kunden im Quartal Internetseiten besuchen, die über die Bau- und Immobilienfinanzierung informieren. Mehr als eine Million Kunden klicken auf Seiten zum Thema Bausparen. Die Kunden nutzen das Internet also intensiv zur Recherche, als Inspirationsquelle und für den Vergleich der Marktkonditionen. Die Immobilienfinanzierung ist ein Paradebeispiel für den sogenannten Ropo-Effekt (Research online, Purchase offline). Er beschreibt Transaktionen, bei denen sich die Kunden im Internet über Produkte, Konditionen und Hintergründe informieren, aber den eigentlichen Produktabschluss in den Filialen der Banken vollziehen. Diese Kombination von Online-Recherche und Offline-Abschluss ist inzwischen der Regelfall: Der Ropo-Effekt umfasst über alle Bankprodukte hinweg fast 50 Prozent des Neugeschäfts (siehe Abbildung 1). Die Gründe hierfür sind vielfältig. Kunden schätzen die Beratung und den Service in den Filialen. Aber sie gehen immer seltener unvorbereitet in ein Beratungsgespräch. Wer die am Markt üblichen Konditionen nicht kennt, verhandelt schlecht. Kunden wollen die eigene Online-Recherche mit den Empfehlungen des Bankmitarbeiters vergleichen und ergänzen. Gerade bei der Immobilienfinanzierung - für viele Kunden die wichtigste Vermögensentscheidung im Leben - suchen sie auch Bestätigung und Gewissheit im persönlichen Gespräch. Zudem sprechen praktische Gründe für den Filialbesuch: Unterlagen können einfach über den Tisch gegeben werden; Fehlendes kann sofort angesprochen werden. Manche Transaktionen sind zudem online nicht möglich, weil die Legitimation persönlich geprüft werden muss. (Der seit November 2009 erhältliche elektronische Personalausweis bietet hier mehr Möglichkeiten - aber dessen Verbreitung ist noch in den Anfängen). Bereits in der Vergangenheit hatten Studien versucht, den Ropo-Effekt zu quantifizieren, doch sie haben systematisch zu niedrige Werte ausgewiesen. Die Ursache dafür ist, dass sich die meisten Studien nur auf Befragungen der Verbraucher verlassen haben. Verbraucher unterschätzen aber gerade ihre Online-Aktivitäten im Finanzbereich teils dramatisch. Nur mit Hilfe einer innovativen Methode, die die klassische Verbraucherbefragung und die Messung des tatsächlichen Internetverkehrs miteinander verbindet, konnte erstmalig ein realistischer Wert für den Ropo-Effekt ermittelt werden. Große Bedeutung des Ropo-Effekts Grundlage bilden die regelmäßigen Erhebungen der GfK im Rahmen des Finanzmarktpanels (FMP). Rund 20 000 Haushalte berichten der GfK ihre Kontakte zu Finanzdienstleistern, die Verträge, die sie geschlossen oder gekündigt haben, den Abschlusskanal sowie ihre Motive. Eine Untergruppe von 5 000 Haushalten dieses Panels nimmt zusätzlich an dem Me-dia-Efficiency-Panel (MEP) teil. Dabei werden der Internetverkehr aller Nutzer im Haushalt dokumentiert, die gezeigte Werbung identifiziert und alle Suchanfragen der Nutzer aufgezeichnet (eine passive Messung des Nutzerverhaltens). Die Teilnahme am Media-Efficiency-Panel ist selbstverständlich freiwillig und transparent für die Nutzer. Die erhobenen Daten werden von der GfK in anonymisierter Form ausgewertet. Weder Google noch Deutsche Bank Research haben im Rahmen der Analyse Zugriff auf die persönlichen Daten oder das individuelle Surfverhalten der Teilnehmer. Um echte Online-Informationsprozesse von Transaktionen (also Online-Banking) abzugrenzen, werden nur Klicks auf öffentlich zugängliche Internetseiten gezählt, auf denen Banken zum Beispiel über Produkte und Konditionen informieren. Sobald Kunden sich zur Nutzung von Online-Banking anmelden, verlassen sie den frei zugänglichen Bereich und surfen auf besonders geschützten Seiten. Ab hier überwiegt typischerweise das Transaktionsinteresse und die Recherchefunktion tritt in den Hintergrund. Da Online-Banking in Deutschland immer über verschlüsselte Internetseiten (https) erfolgt, wurden in der Studie keine Sessions betrachtet, bei denen die Kunden eine verschlüsselte und maximal eine unverschlüsselte finanzrelevante Seite (zum Beispiel die Startseite) besucht haben. Durch die Kombination dieser erweiterten Clickstream-Analyse mit der klassischen Verbraucherbefragung konnte erstmalig der kanalübergreifende Kaufanbahnungsprozess der Kunden abgebildet werden. Mit Hilfe der Befragungen werden die Vertragsabschlüsse (online oder offline) und die Motive und Beweggründe der Kunden erfasst. Der aufgezeichnete Internetverkehr der befragten Verbraucher zeigt darüber hinaus, ob und in welchem Umfang dem Vertragsabschluss eine Online-Recherche vorausging. Die gemeinsame Analyse beider Kanäle zeichnet also ein genaues Bild des tatsächlichen Verbraucherverhaltens. Die Ergebnisse der Analysen unterstreichen die elementare Bedeutung des Online-Kanals für die Kaufanbahnung im Privatkundenmarkt. Über 60 Prozent der Internetnutzer besuchen im Quartal Internetseiten mit Finanzthemen; 20 Prozent stellen finanzrelevante Suchanfragen. Suchmaschinen erfüllen dabei zwei Funktionen. Erstens führen sie die Nutzer auf neue, aber zu ihren Suchanfragen passende Internetseiten. Das geschieht entweder durch die natürlichen Ergebnisse oder durch entsprechende Werbelinks. Zweitens dienen Suchmaschinen aber auch als Navigationshilfe, die viele Surfer anstelle von Bookmarks oder einer manuellen URL-Eingabe einsetzen. Außerdem zeigt die Analyse, dass die Kunden im Schnitt 7,5 Wochen vor Vertragsabschluss mit der Online-Recherche beginnen: Wer nur auf den letzten Klick schaut, unterschätzt die On-line-Recherche also deutlich. Finanzierungsoptionen selbstbestimmt erforschen Im Rahmen der Clickstream-Analyse wurden pro Quartal rund 15 Millionen Klicks auf Seiten registriert, die über Bau- oder Immobilienkredite informieren. Über elf Prozent der Internetnutzer besuchen solche Seiten und verbringen dort insgesamt acht Minuten für die Recherche. Das sind freilich Durchschnittswerte; in der "heißen Phase" von Kauf und Finanzierung der Immobilie dürfte die Intensität der Recherche wesentlich größer sein. Immobilienkredite erzielen damit eine größere Reichweite als andere Produkte wie Kreditkarten oder Tagesgelder und liegen nur knapp hinter allgemeinen Sparprodukten (siehe Abbildung 2). Das ist überraschend wenn man bedenkt, dass lediglich ein Prozent der Kunden pro Jahr eine neue Baufinanzierung abschließen. Die Reichweite übersteigt das Neugeschäft also deutlich. Die Reichweite ist zudem erstaunlich stabil über Alters- und Einkommensklassen hinweg und bewegt sich meist eng um elf Prozent. Ausnahmen sind Kunden unter 25 Jahren mit niedrigem Einkommen (fünf Prozent) sowie Kunden über 60 Jahren mit hohem Einkommen (15 Prozent). Ein Grund für die hohe Differenz zwischen Online-Recherche und Neugeschäft dürfte darin liegen, dass viele Kunden sich von ihren Wunschimmobilien inspirieren und verführen lassen, ohne beziehungsweise lange bevor sie konkrete Kaufabsichten haben. Immobilienbörsen im Internet gewinnen rasch an Zulauf und erlauben einen zwanglosen Blick auf interessante und begehrenswerte Objekte (siehe Abbildung 3). Die Frage der Finanzierbarkeit steht dabei natürlich im Raum und viele Immobilienbörsen bieten neben den Exposés bereits Finanzierungsbeispiele und Links zu Anbietern. In dieser frühen Phase des Immobilienerwerbs stöbern Kunden also nicht nur online nach interessanten Objekten sondern erforschen bereits grundsätzliche Fragen der Finanzierung selbstbestimmt. In der "heißen Phase" einer Immobilienfinanzierung spielt natürlich die Suche nach günstigen Konditionen eine wichtige Rolle, schließlich sparen bereits geringe Zinsvorteile viel Geld. Dabei zeigen unsere Forschungsergebnisse, dass sich Kunden nicht automatisch für den günstigsten Anbieter entscheiden. Die Motive für die Anbieterwahl sind vielfältiger: Gerade Kunden, die generell Online-Recherche mit Offline-Abschluss kombinieren, zeigen sich häufiger loyal zur Hausbank und schätzen Qualität und Service. Das richtige Preis-Leistungsverhältnis entscheidet. Online-Auftritt und Beratungsgespräch ergänzen einander Zukünftig dürfte auch bei Immobilienfinanzierungen der Online-Kanal für den Abschluss an Bedeutung gewinnen. Das gilt besonders für Discount-Anbieter mit aggressiven Konditionen. Gerade bei reinen Online-Abschlüssen ist für viele Kunden der Preis entscheidend. Eine Mehrheit der Kunden wird aber weiterhin die Filiale für den Abschluss vorziehen und deren Beratungsqualität schätzen. Die Immobilienfinanzierung ist damit ein herausragendes Beispiel für den Ropo-Effekt. Die Online-Recherche umfasst grundsätzliche Fragen der Finanzierbarkeit, aber auch - kurz vor Abschluss - den konkreten Vergleich von Konditionen. Für die Banken ergibt sich daraus die Gelegenheit, die Kundenbindung durch interessante, nützliche und gut verständliche Informationen zum Thema Immobilienfinanzierung zu erhöhen. Bereits im Vorlauf eines Immobilienerwerbs können sie sich so als leistungsfähige und verlässliche Partner präsentieren. Ein starker Online-Auftritt ergänzt und bereichert das persönliche Beratungsgespräch. Es reicht nicht, sich auf die Beratungskompetenz in den Filialen zu verlassen, denn gerade bevor Projekte konkret werden, wollen viele Kunden die Finanzierungsseite im Internet selbstbestimmt erforschen, auch wenn der Abschluss letztlich in der Filiale erfolgt. Fußnote 1) Vergleiche Meyer, Thomas (2010). Mehrheit der Bankkunden recherchiert online: Ergebnisse einer Clickstream-Analyse. E-conomics 79. DB Research. Frankfurt am Main.

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