Die Deutschland-Rente legt eine Axt ans Provisionsgeschäft

Am 22. Dezember 2015 hatten die hessischen Staatsminister Al-Wazir, Grüttner und Schäfer mit einem neuen Vorschlag in Sachen private Altersvorsorge Schlagzeilen gemacht. Um künftige Altersarmut zu vermeiden, müsse der Staat hier in die Verantwortung gehen - aber nicht mit einer Ausweitung bestehender staatlicher Förderung. Vielmehr solle der Staat einen zentralen Rentenfonds organisieren, die sogenannte "Deutschland-Rente". Die Sparbeiträge soll der Arbeitgeber automatisch an den Deutschlandfonds abführen, sofern sich ein Arbeitnehmer nicht ausdrücklich dagegen entscheidet (Opt-out-Modell). Damit würde der Deutschlandfonds zum Standardprodukt, das im Wege der betrieblichen und privaten Altersvorsorge angespart werden könnte und auch für die Riester-Förderung zulagenfähig ist.

Bundestag berät über Deutschland-Rente

Mittlerweile machen die Grünen ernst: Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen haben Ende Januar einen Antrag im Bundestag eingereicht (Drucksache 18/7371), demzufolge der Bundestag über die Sache beraten muss. In der Beschlussvorlage wird die Bundesregierung aufgefordert, "ein einfaches und kostengünstiges Basisprodukt in Form eines Pensionsfonds als Standardweg der kapitalgedeckten Altersvorsorge einzuführen, bei dem Ein- sowie Auszahlungsweg staatlich organisiert werden und der Staat die Rahmenbedingungen für die Anlage festlegt."

Ganz neu ist die Idee nicht, einen Staatsfonds nach schwedischem Vorbild für die Altersvorsorge einzurichten. Und schon vor dem hessischen Vorstoß hat die Anbieterseite skeptisch darauf reagiert. Begründung: Es gebe keinen Grund anzunehmen, dass ein solcher zusätzlicher Durchführungsweg besser ist als die bestehenden Angebote.

Verbreitungsgrad ergänzender Altersvorsorge erhöhen

Dem halten die Verfechter der Deutschland-Rente entgegen, dass Arbeitnehmer bei diesem Modell darauf vertrauen können, keinem überteuerten Angebot aufzusitzen. Schließlich stehen dort keine Ertragsinteressen im Vordergrund. Vielmehr soll die Verwaltung des Fonds durch eine öffentliche Stelle die Minimierung von Vertrieb- und Abschlusskosten sicherstellen.

Primär geht es bei der Forderung nach einem staatlichen Rentenfonds für die private Altersvorsorge jedoch um etwas ganz anderes. Hauptmotivation ist es nicht, die bereits bestehenden Angebote an Vorsorgeprodukten durch ein vermeintlich besseres zu ersetzen. Sondern vor allem anderen geht es darum, den Verbreitungsgrad von privater und betrieblicher Altersvorsorge überhaupt zu erhöhen. In diesem Kontext haben die drei hessischen Minister darauf verwiesen, dass in anderen Ländern mit dem Optout-Modell eine Durchdringung von etwa 90 Prozent erreicht werden konnte.

Mehr Anstrengungen in Sachen Altersvorsorge zur Vermeidung von Altersarmut - das ist sicher ein Ziel, das Banken und Sparkassen ohne Weiteres unterschreiben würden. Schließlich beklagen sie seit langem ein Nachlassen der Sparbemühungen und versuchen, ihre Kunden im Rahmen der ganzheitlichen Beratung auch zu einem Vorsorgecheck zu bewegen. Flächendeckend erreichen beziehungsweise überzeugen können sie die Verbraucher damit aber bei Weitem nicht. Insofern ist das Bemühen der Politik, mehr Bürger in die Vorsorge zu bringen, zweifellos nachvollziehbar.

Was aber würde ein solcher Staatsfonds für die Finanzbranche bedeuten? Zu allererst wäre hier ein massiver Eingriff in den Wettbewerb zu nennen. Schließlich würde ein Staatsfonds nicht nur einen Großteil jener Menschen abschöpfen, die bisher von den Vorsorgeangeboten der Fondsgesellschaften und Versicherungen beziehungsweise deren Vertriebspartnern nicht erreicht werden, und auf den der Vorschlag in erster Linie abzielt. Sondern der "Deutschlandsfonds" wäre auch in jenen Bevölkerungsgruppen ein Wettbewerber, die bisher die bestehenden Angebote der Finanzbranche nutzen. Schon aus Bequemlichkeit dürften viele Verbraucher hier zugreifen - ist es doch bekannt, dass die Deutschen sich am liebsten so wenig wie möglich mit finanziellen Angelegenheiten befassen.

Druck auf die Vertriebs- und Abschlusskosten

Mag sein, dass dies einen heilsamen Effekt auf die Entwicklung der Abschluss- und Vertriebskosten im Markt hätte, die von Verbraucherschützern und Politik bekanntlich als zu hoch bewertet werden. Wo sich die Anbieter mit einem staatlichen "Standardprodukt" messen müssten, wäre die Motivation, an dieser Stelle an den Kostenstrukturen zu arbeiten, vermutlich hoch, um wenigstens einen Teil der Bürger zum "Optout" zugunsten auf dem freien Markt erhältlicher Lösungen oder doch zumindest dem zusätzlichen Abschluss eines nicht-staatlichen Vorsorgeprodukts zu bewegen. Niedrigere Vertriebs- und Abschlusskosten können aber nicht ohne Auswirkungen auf die Vertriebsstrukturen bleiben, bei denen ohnehin bereits Verschiebungen - vor allem zugunsten des Ausschließlichkeitsvertriebs und zulasten der unabhängigen Vermittler - in Gang gekommen sind.

Einbruch bei der Nachfrage nach Vorsorgeberatung

Nicht zu unterschätzen sind auch die Auswirkungen auf Banken und Sparkassen als Vertriebspartner von Assekuranz und Fondsgesellschaften. Wenn es ein Vorsorgemodell gibt, mit dem sich die Verbraucher im Grunde gar nicht befassen müssen, dann sinkt im Gegenzug der Anreiz, Beratungsangebote zum Thema Vorsorge wahrzunehmen. Weil jedoch die Vorsorgeberatung einen ganz wesentlichen Teil der Beratungsgespräche in Bank- und Sparkassenfilialen ausmacht - schließlich haben etliche Institute sogar eigene Vorsorge-Center etabliert -, würde dadurch der Anteil der Beratungsgespräche beträchtlich sinken. Und damit wiederum würde die Rentabilität vieler Standorte infrage gestellt werden. Eine Welle von Filialschließungen könnte die Folge sein.

Die Einführung eines staatlich organisierten Fonds für die kapitalgedeckte Altersvorsorge in dem von den Initiatoren befürworteten Opt-out-Modell hätte also vermutlich ganz ähnliche Folgen wie ein Provisionsverbot. Den Verbraucherschützern wäre das vermutlich ganz recht - schließlich möchten sie die Kreditinstitute aus der Anlageberatung am liebsten ganz herausnehmen. Die meisten Parteien stehen einem Provisionsverbote bislang jedoch ablehnend gegenüber (siehe bank und markt 1/2016). Insofern wäre es absurd, mit einer anderen Maßnahme ganz ähnliche Effekte herbeizuführen.

Das Gedankenspiel lässt sich sogar noch weiter treiben. Dann stehen nicht nur Vertriebsmodelle (Filial- versus Direktbank) im Fokus. Sondern auch den Direktbanken drohen beträchtliche Ertragspotenziale wegzubrechen. Schließlich kann jeder Euro nur einmal ausgegeben oder in Vorsorge investiert werden. Vermutlich hätten Direktbanken hier ein geringeres Problem als manch anderer Anbieter - schließlich sind ihre Kunden die klassischen Selbstentscheider, bei denen der Impetus, ihr Geld selbst in die Hand zu nehmen statt auf das staatliche Standardmodell zu setzen, wahrscheinlich etwas höher ist als im Durchschnitt der Bevölkerung.

Wegbrechende Ertragspotenziale

Zu hoch ansetzen sollte man diesbezügliche Erwartungen gleichwohl nicht - und es scheint politisch auch nicht gewollt zu sein, sonst hätten die Initiatoren der "Deutschland-Rente" nicht auf die nahezu flächendeckende Verbreitung verwiesen, die Staatsfonds in anderen Ländern erreichen. Vor diesem Hintergrund erscheint es als bloße Beschwichtigung, wenn die drei hessischen Minister in ihrem Papier vom Dezember schreiben: "Natürlich verbleibt den Unternehmen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die freie Entscheidung, ob sie betriebliche oder private Altersvorsorge über den Deutschandfonds oder über andere Anbieter durchführen wollen."

Unter dem Strich ist der Vorstoß aus Hessen, dem die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit ihrem Antrag im Bundestag noch einmal neuen Schwung verliehen hat, somit ein Modell, das ein durchaus wichtiges Ziel verfolgt, das aber gleichzeitig die Axt an die Provisionserträge von Kreditinsituten legen würde. Dies gilt es zu bedenken - so charmant eine Idee, mit der man auf einen Schlag die bestehende Vorsorgelücke vieler Bürger beträchtlich verkleinern könnte, auf den ersten Blick auch sein mag.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X