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Barrierefreiheit - nicht nur für die Alten

Im Januar dieses Jahres hat in Spanien der Rentner Carlo San Juan Schlagzeilen gemacht, als er sich mit einer Peti tion für mehr persönlichen Service für Senioren einsetzte und damit auch bei Politik und Bankenaufsicht Aufmerksamkeit erregte. Dass dies so kam, ist vielleicht Hier ist noch - 2,0 und eine weiße Fläche versteckt nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass eine EU-Vorgabe schon aus dem Jahr 2019 Barrierefreiheit für mehr Teilhabe von Behinderten und Senioren verlangt. In Deutschland wurde das Gesetz für die Umsetzung in nationales deutsches Recht, das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, im Juli vergangenen Jahres verabschiedet und soll 2025 in Kraft treten. Die Umsetzung des Gesetzes wiederum soll die "Verordnung über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) regeln. Der Regierungsentwurf dafür wurde am 19. April dieses Jahres verabschiedet. Die Verordnung wurde aber noch nicht verkündet.

Für Banken geht es dabei zum einen um Selbstbedienungsterminals. Sie müssen - was sie vielfach ohnehin schon sind - mit Sprachausgabe ausgestattet sein, die Benutzung von Einzelkopfhörern ermöglichen, die Verbraucher über mehr als einen sensorischen Kanal darauf hinweisen, wenn die für die erforderliche Antwort zur Verfügung gestellte Zeit begrenzt ist, und eine Verlängerung dieser Zeit ermöglichen. Außerdem müssen sie mit Tasten und Bedienelementen mit ausreichendem Kontrast und taktiler Erkennbarkeit ausgestattet sein, soweit Tasten überhaupt verwendet werden. Bei der Verwendung von Audiosignalen müssen solche Audiosignale zum Einsatz kommen die mit Hilfsmitteln wie Hörgeräten, Telefonspulen, Cochlea-Implantaten kompatibel sind. Um die Benutzung der Barrierefreiheitsfunktionen überhaupt zu ermöglichen, müssen Selbstbedienungsterminals Informationen über das Aktivieren derselben über mehr als einen sensorischen Kanal bereitstellen.

Zusätzliche Anforderungen an Bankdienstleistungen für Verbraucher betreffen Identifizierungsmethoden, Authentifizierungsmethoden, elektronische Signaturen, Sicherheitsfunktionen und Zahlungsdienste. Sie müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein. Eine Authentifizierungsmethode im Sinne dieser Vorschrift ist jede Methode zur Authentifizierung im Sinne des § 1 Absatz 23 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes vom 17. Juli 2017. Es muss gewährleistet werden, dass die Informationen zur Funktionsweise der Bankdienstleistung für Verbraucher verständlich sind, ohne dass ihr Schwierigkeitsgrad das Sprach niveau B2 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen des Europarats überschreiten.

Wie viel die Branche hier noch nachbessern muss, wird sicher unterschiedlich sein. Der Entwurf zeigt aber, dass es in einem Umfeld der Digitalisierung vor allem darum geht, niemanden aufgrund von Alter oder Behinderungen abzuhängen, weil er Anwendungen nicht bedienen kann.

Dennoch ist Barrierefreiheit natürlich mehr. Es geht auch um die Menschen, die - aus welchen Gründen auch immer - bislang gar keine digitalen Bankdienstleistungen nutzen. Das können Menschen sein, die sich aufgrund ihres Alters oder von Krankheit nicht in der Lage sehen, digitale Endgeräte zu bedienen. Und es können auch Menschen sein, denen entsprechende Endgeräte nicht zur Verfügung stehen.

Die Zahl derjenigen in Deutschland, die kein Online-Banking nutzen, ist jedenfalls überraschend hoch. Die von verschiedenen Stellen veröffentlichten Zahlen zur Online-Banking-Nutzungsquote schwanken zwischen 50 und 60 Prozent, was vielleicht mit der jeweiligen Fragestellung in den Erhebung erklärt werden kann. Mancher wird vielleicht Mobile Banking über eine App oder auch die Nutzung von SB-Terminals in der Bank gar nicht als Online-Banking bewerten und dann entsprechend mit nein antworten. Wie dem auch sei: Es sind offensichtlich nicht nur die rund zehn Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland, die hier außen vor bleiben. Und es können auch nicht nur Senioren sein. Gemessen an den Anteilen der einzelnen Altersgruppen in Deutschland an der Gesamtbevölkerung in Deutschland, wie sie vom Statistischen Bundesamt ausgewiesen werden, müssten ansonsten mindestens alle Menschen ab 50 Jahren zu den Senioren gezählt werden und sie müssten auch sämtlich Onlinebanking-abstinent sein.

Diese Nichtnutzer des Online-Bankings müssen bei allen Überlegungen zur Barrierefreiheit mit einbezogen werden: Wenn über einen möglichen Abbau von SB-Terminals nachgedacht wird zum Beispiel, aber eben auch beim persönlichen Service vor Ort in der Filiale oder auch am Telefon. Für diejenigen, die sich nicht einfach nur weigern, digitale Services zu nutzen, sondern für die dies ein echtes Problem darstellt, muss es zum Beispiel möglich sein, Hilfe beim Ausführen einer Überweisung oder auch bei anderen Themen zu erhalten. Ein solcher Service, der über das Normale hinausgeht, muss dann jedoch auch entsprechend vergütet werden können. Für die, die auch das nicht wollen, wären vielleicht Bankgeschäfte per Sprachsteuerung ein Weg in Sachen Barrierefreiheit sein - vorausgesetzt, dass es gelingt, einen solchen Kanal entsprechend sicher zu gestalten. Red.

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