Privatkundengeschäft

Die Kehrseite des Verbraucherschutzes

Im Umfeld der Dauerniedrigzinsen treibt das Thema "Kündigungen" die Finanzbranche und ihre Kunden um. Teilweise richtet sich der Blick dabei schon in die Zukunft: So hat sich der Bundestag Ende März in einem Fachgespräch mit Experten mit möglichen kundenseitigen Kündigungen von Lebensversicherungen befasst, die dann wieder attraktivere Anlagemöglichkeiten sehen könnten - eine Perspektive, die die Assekuranz in neuerliche Bedrängnis bringen könnte.

Verbraucherschützer bewegt aktuell aber immer noch das Bestreben der Anbieterseite, Kunden aus teuren Altverträgen zu drängen oder diese zu kündigen. Während die Bausparkassen nunmehr solchen Kunden, deren Verträge seit zehn Jahren zuteilungsreif sind, mit höchstrichterlichem Segen kündigen dürfen, sieht das bei Versicherern und Banken anders aus. In zwei Fällen hat der "Marktwächter" Finanzen der Verbraucherzentralen deshalb bislang eingegriffen.

Erfolgreich abgemahnt wurde im Dezember die Neue Leben, die versucht hatte, Kunden aus hochverzinsten Altverträgen "zu locken", sprich, sie zur Kündigung zu veranlassen. Im Fall der VR Bank Nürnberg ging es um rund 500 alte Sparverträge mit Zinssätzen von drei beziehungsweise vier Prozent, die die Bank unter Berufung auf nachträglich vereinbarte Sonderbedingungen kündigen wollte. Diese Kündigungen hat die Bank mittlerweile zurückgenommen, obwohl sie sie nach wie vor als rechtmäßig bezeichnet.

Dass Banken oder Versicherer, die sich zu Maßnahmen wie den genannten veranlasst sehen, keine negativen Reaktionen darauf erwarten, wird man wohl ausschließen dürfen. Dass sie sich trotz des zu erwartenden Imageschadens dazu genötigt sehen, lässt sich daraus schließen, wie sehr die Anbieterseite unter Druck geraten ist. Natürlich ist deren Wunsch verständlich, keine Zinsen mehr zahlen zu müssen, die der Markt schon lange nicht mehr hergibt. Und ein einseitiges Kündigungsrecht nur der Kunden wird in einer solchen Situation zu Recht als unfair empfunden.

Verständlich ist aber auch die Aufregung der Verbraucherschützer. Und man wird sicher auch darüber diskutieren können, ob eine nachträgliche Kündigung wirklich rechtmäßig ist, wenn es im Werbeprospekt hieß: "Wir garantieren Ihnen einen Mindestzins von 3 Prozent über die gesamte Laufzeit. Bei steigendem Zinsniveau wird der Zinssatz erhöht ... Sie können die garantierte Mindestverzinsung bis zu 25 Jahre lang nutzen."

Lösen lassen wird sich dieser Konflikt wohl nicht. Denn es ist kaum vorstellbar, dass der Gesetzgeber das Kündigungsrecht für Verbraucher einschränken wird. Die Anbieterseite kann aus den jetzigen bitteren Erfahrungen also nur für die Zukunft lernen und Verträge künftig anders gestalten. Derart langfristige Garantien, wie sie jetzt die GuV belasten und aus denen man schwerlich wieder herauskommt, wird es in Zukunft wohl immer weniger geben. Bei den Lebensversicherern ist dieser Trend schon in vollem Gange (Stichwort "Neue Klassik"). Und auch vergleichbare Sparverträge, wie sie der VR Bank Nürnberg nun wie ein Klotz am Bein hängen, wird es auch nach einem Wiederanstieg der Zinsen vermutlich nur noch selten geben. Das ist die Kehrseite des Verbraucherschutzes. Red.

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