Zahlungsverkehr

Anwendungsauswahl am PoS - neue Herausforderung für die Kartenakzeptanz

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Zum 9. Juni dieses Jahres muss Artikel 8 der EU-Verordnung über die Interchange-Regulierung umgesetzt werden. Darin geht es um die Wahl der Zahlungsmarken beziehungsweise -anwendungen am PoS bei Karten mit Co-Badging. Den Kunden interessiert das vermutlich wenig, das Nachsehen hat hingegen der Handel, meint Jörg Stahl. Kurzfristig umsetzen lässt sich die Thematik nicht, zumal eine Verordnung keine technische Bauanleitung enthält. Auch brauche die Branche Investitionsschutz für rund 300 000 alte Terminals. Ein Lösungsvorschlag des Handels und seiner Dienstleister liegt auf dem Tisch. Das Ausbringen in den gesamten Terminalbestand ist jedoch aufwendig. Wolfgang Müller geht deshalb davon aus, das frühestens Mitte 2018 alle Terminals umgestellt sein werden. Red.

"Eine Verordnung beinhaltet keine technische Bauanleitung für die Umsetzung"

Von Jörg Stahl - Gemeinhin heißt es "Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht". Inwieweit dies auf die Interchange-Verordnung (EU) 2015/751 zutrifft, die im vergangenen Jahr eingeführt wurde, muss der persönlichen Meinungsbildung überlassen werden.

Hehres Ziel der genannten Verordnung ist es, die Fragmentierung des Binnenmarktes zu reduzieren und den Wettbewerb im Bereich der Kartenzahlung zu stärken. Dies haben die meisten Händler im vergangenen Jahr positiv aufgenommen und profitieren seit Dezember 2015 von gedeckelten Interchanges bei den Kartengebühren und der Reduzierung der Kosten für die Akzeptanz der Kartenzahlung.

Doch nach dem Bonbon für den Handel folgt nun die bittere Pille. Denn die Verordnung enthält noch eine Reihe weiterer Vorgaben, die zum Stichtag 9. Juni 2016 umgesetzt werden sollen und deren Auswirkungen bei Weitem nicht so transparent sind.

Geringe Motivation für den Kunden

Artikel 8 der Verordnung trägt den Titel "Co-Bading und Wahl der Zahlungsmarken oder Zahlungsanwendung und wird in der Fachwelt mittlerweile unter dem eingängigeren Arbeitstitel "Anwendungsauswahl am PoS" zuweilen mit Kopfschütteln diskutiert. Denn ohne für viel Geld Meinungsforscher zu bemühen, ist sich sowohl der Handel als auch die Payment-Industrie sicher: Die Anzahl der Konsumenten, die den Unterschied der verschiedenen Schemes auf den von deutschen Banken und Sparkassen ausgegebenen Debitkarten kennt, dürfte sich im Promillebereich bewegen. Wer weiß schon, dass die als Girocard herausgegebenen Karten in der Regel ein zweites Zahlverfahren als Co-Brand, meist Maestro oder V-Pay, beinhalten? Der Kunde bemerkt keinen Unterschied: Er bezahlt mittels der PIN-Eingabe und die Belastung erfolgt unmittelbar von seinem Konto.

Wo liegt also die Motivation eines Karteninhabers, sich mit dem Thema zu beschäftigen? Wie sehr sich die Konsumenten für die gesamte Thematik interessieren, zeigt sich schon deutlich daran, dass viele die Girocard immer noch als ec-Karte oder sogar Scheckkarte bezeichnen.

Der Handel hat das Nachsehen

Der Handel hat hier potenziell aber das Nachsehen. Denn er kann einen deutlichen Unterschied feststellen:

- Die Kosten für die Girocard-Akzeptanz sind nach der Einführung der Interchange-Verordnung deutlich geringer als bei den anderen Zahlverfahren.

- Dazu kommt, wenn am PoS zukünftig immer eine Auswahl des Zahlverfahrens zu treffen wäre, wer bitte soll das dem Karteninhaber erklären?

Eine weitere Herausforderung für die Payment-Industrie liegt in der Natur der Sache: Eine Verordnung beinhaltet keine technische Bauanleitung für die Umsetzung einer Software in einem Terminal.

Nicht kurzfristig zu bewältigen

Hier muss beachtet werden, dass die Schemes bei den technischen Vorgaben zurückhaltend sein müssen, da Eingriffe immer die Gefahr bergen, dass Wettbewerbsbeschränkungen erzeugt werden, was wiederum von einer anderen Stelle reguliert und beaufsichtigt wird.

Die Entwicklung einer solchen Software nimmt eine entsprechende Zeit in Anspruch. Diese zu testen und ihr Zusammenwirken mit Kassensystemen zu pilotieren sowie dann den Roll-Out vorzunehmen, ist nicht kurzfristig zu bewältigen.

Investitionsschutz für alte Terminals

Hinzu kommen die anderen Aktivitäten des Handels zum Austausch der Terminals aufgrund regulatorischer Vorgaben bis Ende 2017. In der Branche geht man aktuell davon aus, dass noch etwa 300 000 Terminals bis zu diesem Zeitpunkt ausgetauscht werden müssen. Für diese auszutauschenden Geräte lohnt sich der Aufwand und die Investitionen in neue Software in keinem Fall. Hier wird in Verbindung mit dem nationalen Gesetzgeber dringend ein Investitionsschutz für die noch andauernde Migrationsphase benötigt.

Hinzu kommt: In Deutschland stehen wir im Zusammenhang mit der Anwendungsauswahl am PoS noch vor einer weiteren Herausforderung: Das sehr beliebte ELV-Verfahren ist ausdrücklich von der Verordnung ausgenommen. Es kann somit weiterhin als Angebot des Händlers vor einer regulierten Kartenzahlung verwendet werden.

In Anbetracht der Komplexität der Aufgabe haben sich bereits im Juni 2015 die im Bundesverband der electronic cash-Netzbetreiber (BecN) e.V. organisierten Dienstleister mit den Terminalherstellern an einen Tisch gesetzt, um eine Lösung zu entwickeln, die den Ansprüchen der Verordnung gerecht wird und gleichzeitig die Anforderungen des Handels berücksichtigt, dass Kartenzahlungen einfach schnell am PoS durchzuführen sind.

Vorschlagsrecht des Händlers als Basis

Die Grundidee dahinter liegt in der Verordnung selbst. Kernbestandteil ist ein Vorschlagsrecht des Händlers für ein von ihm präferiertes Zahlverfahren und die Option des Karteinhabers, dieses Verfahren gegebenen falls zu übersteuern.

Bei der als BecN-Lösung entstandenen Idee zur Anwendungsauswahl wurde bereits in einem frühen Stadium der Handel, die Mineralölwirtschaft und der Hotel- und Gaststättenverband in die Überlegung dieser Umsetzung mit eingebunden, um hier eine Lösung zu schaffen, die das Zahlen am PoS auch mit den neuen Medien (Contactless Payment) für den Karteninhaber nicht unnötig kompliziert macht. Von Anfang an wurden hierbei auch Überlegungen zum Umgang mit dem ELV-Verfahren berücksichtigt.

Die BecN-Lösung bietet mittels einer "Auswahltaste vor der eigentlichen Kartenzahlung dem Konsumenten die Option, sich eine Liste der verfügbaren Verfahren anzeigen zu lassen, die sowohl vom Händler angeboten, als auch von der Karte unterstützt werden.

Über die Optionen in der Kartenakzeptanz wird der Konsument schon heute durch die Aushänge der Logos der Kartenorganisationen informiert und hier sehen wir auch weiterhin die beste Option, den Kunden über seine neuen Möglichkeiten zu informieren.

Bei allen Konsumenten, die keine Präferenzen haben, wird die Kartenzahlung in genau dem gleichen Prozess ablaufen, wie sie es bisher gewohnt waren: Schnell, einfach und sicher. Dieser Lösungsansatz wurde vom Handel auch in die Arbeitsgruppen auf EU-Ebene getragen und durch die Card Stakeholders Group (CSG) als "Upfront-Selection für eine der möglichen Optionen im Sinne der Verordnung vorgeschlagen. Der BecN sieht daher in seinem Vorschlag zur Umsetzung der Anwendungsauswahl, verbunden mit dem notwendigen Migrationszeitraum, die beste Option zur Umsetzung dieser EU-Anforderung.

Jörg Stahl, Sprecher des Vorstands, Bundesverband der electronic cash-Netzbetreiber (BecN) e.V., Frankfurt am Main

Das Lösungskonzept des BecN e.V. mit weiteren Details in der Erläuterung zum Download unter www.b-ec-n.de/dokumente

"Frühestens bis Mitte 2018 werden alle PoS-Terminals umgerüstet sein"

Von Wolfgang Müller - Nachdem im letzten Jahr die Anfragen der Netzbetreiber an die Terminalhersteller immer zahlreicher wurden, hat der Verband der Terminalhersteller in Deutschland e.V. (VdTH), Aachen, zusammen mit dem Bundesverband der electronic-cash-Netzbetreiber e.V. (BecN), Frankfurt am Main, beschlossen, eine gemeinsame, den Anforderungen gemäße Lösung zu entwickeln.

Seitens der regulierenden Institutionen gab es keine Vorschläge. Somit haben sich die Verbände geeinigt, eine gemeinsame, technisch praktikable Lösung anzustreben, die der Verordnung (EU) 2015/751 entspricht. Das Ergebnis dieser Abstimmung war "Das Lösungskonzept der Verbände zur Gestaltung der Anwendungsauswahl am PoS".

Der Verband der Terminalhersteller entwickelte daraus eine technische Spezifika tion "MIF_0.7.4_VdTH", die auf der Internetseite www.terminalhersteller.de zum Download bereitgestellt ist. Diese ist nun Basis für alle Mitglieder des VdTH und wird zurzeit durch die Hersteller als Grundlage der Entwicklung für deren PoS-Terminalfamilien angewendet. Durch die gute Zusammenarbeit der beiden Verbände, BeCN und VdTH, konnte erreicht werden, dass diese Lösung in der spezifizierten Form entstanden ist.

Die Ausbringung in den existierenden Terminalbestand von etwa 700 000 Geräten ist logistisch enorm aufwendig. Es müssen für jeden Terminaltyp Integrationstests einer neuen Software durchgeführt, Pilotinstallationen mit den Kunden organisiert und anschließend der Rollout durchgeführt werden.

Realistische Modelle gehen davon aus, dass frühestens bis Mitte 2018 alle PoS-Terminals umgerüstet sein werden. Zeitgleich muss das Personal an den Kassen über den Umgang mit der 'Anwendungsauswahl' informiert und geschult werden.

Wolfgang Müller, Vorsitzender des Vorstands, Verband der Terminalhersteller in Deutschland e.V. (VdTH), Aachen

Jörg Stahl , Sprecher/Vorsitzender , Bundesverband der electronic cash Netzbetreiber e.V. (BecN)

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