Zahlungsverkehr

Kundenauswahl am PoS

Ab dem 9. Juni kommt es im bargeldlosen Zahlungsverkehr am stationären Point of Sale (PoS) zu einem Paradigmenwechsel. Ab diesem Stichtag hat nämlich gemäß Artikel 8 Absatz 5 der EU-Verordnung 2015/751 über Interbankenentgelte der Kunde das letzte Wort darüber, über welches Bezahlverfahren eine Transaktion abgewickelt werden soll, sofern seine Karte mehrere Optionen vereint und das Terminal imstande ist, verschiedene Verfahren abzuwickeln. Das betrifft alle Karten mit Co-Badging. In Deutschland ist das der weitaus größte Teil der Debitkarten, die neben dem Girocard zusätzlich ein Maestro-, V-Pay- oder neuerdings JCB-Logo tragen.

Die Umsetzung jeglicher Lösung ist zeitkritisch

Die Banken haben an dieser Stelle bereits ihre Hausaufgaben gemacht - vor allem durch Abschaffung der Girocard-Vorrangregelung. Aktuell ist die Umsetzung von Artikel 8 Absatz 5 der Verordnung somit vor allem ein Thema für Kartenakzeptanten und ihre Dienstleister. Bereits im Dezember 2015 hatte der Bundesverband der electronic-cash-Netzbetreiber e. V. (BeCN), Frankfurt am Main, gemeinsam mit dem Handelsverband Deutschland e. V. (HDE), Berlin, dem Uniti Bundes verband mittelständischer Mineralölunternehmen e. V., Berlin, dem Hotelverband Deutschland (IHA) e. V., Berlin, Deutscher Hotel- und Gastättenverband e. V. (Dehoga Bundesverband), Berlin, und dem Mineralölwirtschaftsverband e. V. (MWV), Berlin, ein Konzept zur praxisgerechten Umsetzung vorgelegt. Dem aber fehlte Ende April eine offizielle Rückmeldung des Gesetzgebers. Damit wird die Zeit empfindlich knapp. Die Umsetzung jeglicher Lösung ist inzwischen zeitkritisch, warnte Ulrich Binnebößel vom HDE auf dem Kongress des EHI Retail Institute.

Der Vorschlag von Handel und Netzbetreibern sieht vor, in die Kommunikation am Terminal eine Auswahltaste einzufügen, die zu Beginn des Bezahlprozesses angezeigt wird. Diese kann der Kunde drücken, um von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen, er kann aber auch darauf verzichten. Im letzteren Fall wird die Transaktion wie gewohnt abgewickelt, wobei die Voreinstellungen des Händlers zum Tragen kommen. Das wird bei der überwiegenden Zahl der Bezahlvorgänge der Fall sein, sind sich Kreditwirtschaft und Handel einig. Nur dann, wenn der Kunde ein bestimmtes Verfahren bevorzugt und die Auswahltaste drückt, werden dem Vorschlag entsprechend die zur Wahl stehenden Optionen angezeigt, beispielsweise ELV, Girocard oder Maestro.

Und hier wird es tückisch. Zum einen kritisieren Kartenorganisationen, dass dieser Ansatz eine Diskriminierung beinhaltet, weil eben die Optionen nur dann angezeigt werden, wenn der Kunde dies ausdrücklich wünscht. Nach ersten Rückmeldungen des Bundesfinanzministeriums könnte es deshalb auf einen zweistufigen Ansatz hinaus laufen, bei dem die Auswahl taste zweimal angezeigt werden muss: einmal vor Ein stecken oder Auflegen der Karte bei kontaktlosen Transaktionen, ein weiteres Mal vor der PIN-Eingabe (sofern es sich nicht um eine kontaktlose Transaktion unterhalb der 25-Euro-Schwelle handelt, ab der überhaupt die PIN-Eingabe erfolgt).

Ist ELV ein Regulierungsbestand?

Noch interessanter wird es beim Stichwort ELV. Denn das Lastschriftverfahren ist streng genommen kein Karten-Bezahlverfahren, obwohl die Karte zum Auslesen der Bezahlinformationen genutzt wird. Auf diese Feststellung legt der Handel und die Kreditwirtschaft Wert. Wenn ELV aber kein Kartenverfahren ist, dann ist es auch nicht Bestandteil der Regulierung, so der Standpunkt des HDE. Sofern der Händler die Transaktion über das Lastschriftver fahren abwickeln möchte, das rund drei Viertel der Händler immer noch als "Bei mischung" zur Girocard einsetzen, könnte in diesem Fall ganz regulierungskonform auf die Verbraucherauswahl verzichtet werden. Das aber bedarf einer offiziellen Klarstellung durch das Bundesfinanzministerium und/ oder die BaFin.

Dringend geklärt werden muss zudem die Frage, was mit den rund 300 000 Terminals wird, die nicht TA7.1-fähig sind und nicht mittels Software-Update angepasst werden können. Sie machen rund 38 Prozent des gesamten Terminalbestands am Netz aus. Weil sie bis Ende 2017 ohnehin ausgetauscht sein werden, fordern Handel und Netzbetreiber eine Übergangsfrist.

Handel droht mit Akzeptanzrückgabe

Das Ausbleiben einer offiziellen Rückmeldung des Bundesfinanzministeriums, das in dieser Angelegenheit die Federführung hat, wirft natürlich die Frage auf, was geschieht, wenn der Vorschlag der Akzeptanzseite nicht abgesegnet wird oder die noch offenen Fragen nicht befriedigend geklärt werden. Die Aussage des HDE dazu ist eindeutig: Viele Händler haben für diesen Fall angekündigt, Akzeptanzen zurückzugeben, um sich der Problematik zu entledigen. Wo nur ein Verfahren unterstützt wird, da braucht es keine Auswahlmöglichkeit. In der Regel liefe das wohl auf Girocard und/oder das "wilde" ELV hinaus. Das aber kann niemand wollen. Denn wo die Bandbreite der Verfahren einmal reduziert wurde, da wird es ein mühsames Geschäft, wieder zum früheren Stand zurückzufinden.

Das Comeback des bereits mehrfach totgesagten elektronischen Lastschriftverfahrens, das das EHI Retail Institut im Jahr 2015 festgestellt hatte, könnte im schlimmsten Fall sogar noch verstärkt werden - zum Schaden der Kreditwirtschaft, aber auch nicht unbedingt zum Wohle des Handels, da die Quote der Rücklastschriften 2015 wieder gestiegen ist. Doch selbst wenn die Verordnung zum Stichtag umgesetzt werden kann, bleibt dringender Handlungsbedarf: in Sachen Kommunikation nämlich. Wenn die Kreditwirtschaft möchte, dass sich die Kunden regelmäßig auch dort für das PIN-basierte Girocard-Verfahren entscheiden, auch wo der Handel ELV als Vorauswahl eingestellt hat, dann müssen die Bemühungen, den Bekanntheitsgrad des Girocard-Verfahrens zu erhöhen, unbedingt verstärkt werden. Schließlich will die Mehrzahl der Kunden bis heute einfach mit der "ec-Karte" bezahlen. sb

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