DIGITALISIERUNG

Digitaler Wandel - neues Verhältnis von Menschen, Technologien und Prozessen

Sebastian Henrichs, Foto: Fondsdepot Bank

Im Zuge der Digitalisierung müssen Unternehmen mit einer Flut neuer Daten zurechtkommen. In der Finanzbranche liegen diese allerdings oftmals unstrukturiert vor. Der Schlüssel zur intelligenten Automatisierung liegt deshalb in deren Erfassung. Hier kann Künstliche Intelligenz helfen und damit die Basis für Robotic Process Automation liefern. Doch nicht alle Prozesse sollten vollständig automatisiert werden, so die Autoren. Sie plädieren für ein hybrides Modell, bei dem Mensch und Roboter an unterschiedlichen Stellen im Prozess eingreifen. Auf der Grundlage einer solchen intelligenten Automatisierung lassen sich dann neue Beratungsansätze definieren. Red.

Finanzinstitute steigen mit Nachdruck in die Digitalisierung ihres Geschäftsmodells ein. So auch die Fondsdepot Bank, deren Strategiekern die digitale Transformation ist. Fünf strategische Initiativen sind aktuell in der Umsetzung und sie alle beinhalten digitale Komponenten. Dazu gehören beispielsweise die Automatisierung von Backoffice-Prozessen und die Digitalisierung von Betriebsprozessen. In den nächsten eineinhalb Jahren sind für die weitere digitale Transformation Investitionen in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags geplant.

Noch viel manuelle Verarbeitung im Finanzsektor

Solche Investitionsbudgets zeigen nicht nur die Bedeutung von Digitalisierungsinitiativen für die Wettbewerbsfähigkeit, sondern besitzen das Potenzial, die Zukunft des Bankgeschäfts massiv zu verändern. Die voranschreitende Digitalisierung hat auch zur Folge, dass Unternehmen mit einer Flut neuer Daten zurecht kommen müssen. Diese liegen jedoch oft in unstrukturierter Form vor. Solche unstrukturierten Informationen sind beispielsweise frei formulierte Texte einer E-Mail.

Strukturiert sind Informationen immer dann, wenn Datentypen über jeweils zugeordnete Eigenschaften verfügen. So zeigen Untersuchungen der Unternehmensberatung Gartner, dass etwa 80 Prozent der in Unternehmen vorhandenen Daten in unstrukturierter Form vorliegen - dies gilt für analoge wie auch digitale Daten.

Die Struktur von Daten erkennen

Viele Banken nutzen nach wie vor manuelle Prozesse, um diese unstrukturiert eingehenden Informationen in strukturierte, digitale Daten zu verwandeln, was gleichermaßen teuer, ineffizient und unzuverlässig ist. Während beispielsweise Kreditanträge mit strukturierten Informationen automatisiert bearbeitet und die Daten des Antragstellers auf Echtheit überprüft und mit der gehaltskontoführenden Bank abgeglichen werden können, müssen bei unstrukturierten Informationen die relevanten Daten zunächst identifiziert und ausgelesen werden. Erst dann kann die eigentliche Kreditprüfung vorgenommen werden.

Medienbrüche und einhergehende Fehlerquellen können durch intelligente Automatisierung vermieden und Produktivität und Qualität der Datenverwaltung erhöht werden. Der Schlüssel zur intelligenten Automatisierung liegt in der Erfassung der unstrukturierten Daten.

Künstliche Intelligenz (KI) liefert die Technologie dazu. Sie kann unstrukturierte Dokumente wie E-Mail-Anfragen automatisch verarbeiten. Die KI ermittelt zuerst den Inhalt der Nachricht und erkennt die Intention. Dann sucht das System nach Schlüsselinformationen wie dem Namen des Absenders und seiner Kundennummer und kombiniert sie mit intern vorhandenen Kundendaten. Je nach Datenlage und definierten Regeln kann das System nun komplett eigenständig weiterarbeiten und die gewünschte Offerte verschicken.

KI kann somit Aufgaben erledigen, für die bisher der Einsatz menschlicher Intelligenz notwendig war. Anstelle von Schlüsselwörtern werden Muster erkannt, sodass Anliegen mit hoher Treffsicherheit richtig verarbeitet werden. Kommt das System allein nicht zurecht, leitet es die Anfrage an einen Sachbearbeiter weiter. Wiederholt sich die Situation, erkennt das System den Fall und löst ihn selbstständig. Durch kontinuierliche Erfahrung im Verarbeitungsprozess "lernt" das System. Es wird von Tag zu Tag präziser und besser.

KI liefert die Basis für Robotic Process Automation

Künstliche Intelligenz liefert die strukturierten digitalen Daten für den nächsten Prozessschritt und dessen Automatisierung durch Robotic Process Automation (RPA). RPA verbindet schnell und kostengünstig Systeme, zwischen denen es keine Schnittstelle gibt und hoch repetitive und regelbasierte Prozesse können einfach und zuverlässig automatisiert werden.

Dafür werden Roboter so konfiguriert, dass sie alle Prozessschritte identisch ausführen, wie es bisher ein Mensch erledigt hat - aber schneller und ausdauernder. Die Software-Roboter arbeiten dabei mit vorhandenen Systemen auf der Basis des Benutzer-Interfaces oder existierenden Schnittstellen. Sie können zum Beispiel Informationen aus einer Excel-Datei extrahieren, in eine SAP-Maske auf dem Bildschirm übertragen, auf Ergebnisse warten und diese dann in eine weitere Software-Applikation übertragen.

Intelligente Automatisierung optimiert Bankenprozesse

Intelligente Automatisierungstechnologien sind gerade im Bankensektor von Vorteil, da sich viele Prozesse durch ein hohes Maß an Standardisierung auszeichnen. Vor allem administrative Prozesse, Serviceprozesse, Übermittlung von Informationen vom Front- zum Backend, Beratungsprozesse oder regulatorische Prozesse - alles kosten- und zeitintensive Standardprozesse - bieten ein hohes Potenzial zur intelligenten Automatisierung. So sind Künstliche Intelligenz und Robotic Process Automation heute schon in der Lage, rund drei Viertel aller manuellen Prozesse bei Banken zu automatisieren.

Durch intelligente Automatisierung können Prozesse 24 Stunden am Tag ausgeführt und manuelle Arbeitsschritte auf ein Mindestmaß reduziert werden. Dadurch lassen sich Arbeitskapazitäten sinnvoller verteilen und notwendige Bearbeitungszeiten verkürzen. Die gesteigerte Effizienz führt schließlich auch zu einem besseren Kundenerlebnis und zu höherer Kundenzufriedenheit. Denn Kunden erwarten heute auch bei komplexen Prozessen, bruchfreie Transaktions- und schnelle Abschlussmöglichkeiten.

Nicht alle Prozesse vollständig automatisieren

Jedoch wird nicht immer für alle Prozesse eine vollständige Automatisierung angestrebt. So spielt für die Fondsdepot Bank die menschliche Komponente weiterhin eine wichtige Rolle. Partiell manuelle Eingriffe bleiben erforderlich und auch wünschenswert. Die Fondsdepot Bank baute deshalb mit einem Vertriebspartner einen Roboter, der ganz bewusst kein reiner Roboter ist.

Bei dem hybriden Modell spielen Mensch, Prozess und Technologie perfekt zusammen. Der Berater startet den Prozess manuell und der Roboter führt den Kunden hindurch. Sollte die menschliche Komponente wieder erforderlich werden, kann sich der Berater aktiv in die Beratung zuschalten. Solche Modelle, in denen der Roboter Standardprozesse übernimmt und der Mensch für komplexe Aufgaben oder ungewöhnlichen Situationen persönlich für den Kunden da ist, werden in Zukunft sehr wichtig.

Individualisierung durch Datenanalyse

Die intelligente Automatisierung von Prozessen ist nicht das Ende der Entwicklung: Was schnelle Effizienz-Vorteile verspricht und heute im harten Wettbewerb Überleben sichern kann, ist die Grundlage für zukünftige Optimierung. Sind alle Daten digital vorhanden und intelligente Algorithmen im Einsatz, die diese Daten verstehen, lassen sich neue Beratungsansätze definieren, die eine bessere und individuellere Kundenansprache erlauben. So können Stammdatenänderungen wie eine neue Adresse zum Beispiel dazu genutzt werden, automatisiert lebenslagenbezogene Angebote zu unterbreiten.

  1. Auf der einen Seite profitiert der Kunde von Angeboten, die auf seine Lebenssituation zugeschnitten sind.
  2. Auf der anderen Seite kann die Bank zusätzliches Geschäft generieren und Risiken besser bewerten.

Der erste Schritt bei der Auswertung solcher Kundendaten und -interaktionen ist die inhaltliche Datenanalyse. Wenn KI bei der Klassifizierung von Dokumenten nicht nur die Intention des Kunden erkennt, sondern auch die Tonalität des Dokuments verlässlich bewertet, können Vorgänge beispielsweise schneller und zielgerichteter skaliert werden.

Strategische Partnerschaften gefragt

Angesichts fehlender interner Ressourcen und Erfahrungen ist oftmals der Aufbau strategischer Partnerschaften mit externen Dienstleistern für Banken wichtig. Um die heutigen Anforderungen an Mitarbeiter, Systeme und Prozesse erfüllen zu können, setzt auch die Fondsdepot Bank auf externe Expertise, wenn es um Digitalisierungsprojekte geht, bei denen große Umsetzungserfahrung, ein unvoreingenommener Blick von außen sowie externes Knowhow gefragt ist.

IT-Outsourcing betreiben Banken schon seit längerem, um Skaleneffekte zu nutzen und Kosten zu senken. Laut einer Studie von Sopra Steria zur digitalen Transformation der Bankenwelt sieht ein Drittel der befragten Bankentscheider Outsourcing als eine gute Möglichkeit zur Kosteneinsparung für die eigene Bank.

Abhängig von der Veränderungsgeschwindigkeit rechnen Experten in den nächsten 10 bis 15 Jahren mit einer starken Konsolidierung am Bankenmarkt. Ob diese Entwicklung tatsächlich eintritt, bleibt abzuwarten. Fakt ist allerdings, dass die Herausforderungen der Banken im digitalen Zeitalter gewaltig sind und die Institute sich diesen stellen müssen, um auch zukünftig wettbewerbsfähig bleiben zu können. Es gilt, ein nachhaltiges Geschäftsmodell und eine klare Digitalisierungsstrategie zu erarbeiten. Konkret geht es für Banken darum,

  1. das Kundenerlebnis zu verbessern,
  2. die Prozesse zu beschleunigen,
  3. das Omni-Channel-Geschäft voranzutreiben und neue Ökosysteme zu entwickeln, die Kosten reduzieren,
  4. die Prozesse durchgängig (End-to-End) zu digitalisieren, - die IT zu vereinfachen und die Compliance sicherzustellen.

Dafür sind der Einsatz und die Kombination von Menschen, Prozessen und Technologien entscheidend. In der Verbindung von Technologien wie Künstlicher Intelligenz oder Robotik auf der einen und Mitarbeitenden auf der anderen Seite können Prozesse wie beispielsweise das Kunden-Onboarding oder die Stammdatenpflege schnell, effizient und fehlerfrei laufen.

Die menschliche Komponente bleibt dabei nach wie vor wichtig. Sie greift ein, wenn es um kritische Entscheidungen oder komplexe Aufgaben geht.

Sebastian Henrichs, Chief Executive Officer, Fondsdepot Bank GmbH, Hof
Michael Neuberg, Director Global Solution Design Banking, Swiss Post Solutions, Zürich
 
Sebastian Henrichs , Chief Executive Officer, Fondsdepot Bank GmbH, Hof
Michael Neuberg , Director Global Solution Design Banking, Swiss Post Solutions, Zürich

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