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Robotik in Banken: Potenzial für effizientere Prozesse

André H. Burger, Managing Director und Geschäftsführer, Synpulse Deutschland GmbH Management Consulting, Frankfurt am Main

Quelle: privat

Im Vergleich zur Industrie hinkt der Dienstleistungsbereich beim Einsatz von Robotern noch deutlich hinterher. Dabei eignen sich gerade die regelbasierten Prozessstrukturen von Banken in besonderer Weise dafür, meint André Burger. Durch die automatische Erledigung manueller und repetitiver Tätigkeiten beispielsweise im Bereich der Kontoeröffnung oder auch der Datenzusammenstellung im Risikomanagement könnten deshalb Effizienzsteigerungen um bis zu 80 Prozent realisiert werden. Red.

Während im produzierenden Gewerbe Roboter schon längst Einzug gehalten haben, besteht im Dienstleistungsbereich noch erhebliches Ausbaupotenzial für die Integration von Robotik im Prozessmanagement. Vor allem die Finanzbranche mit ihren höchst regelbasierten, standardisierten Prozessen und hohen Volumina an Daten bietet ideale Voraussetzungen für Robotic Process Automation (RPA). Bei Europas Banken steckt RPA aber noch in den Kinderschuhen.

Während in der Industrie Roboter physisch greifbar sind und der Roboterarm als Synonym für die Ablösung menschlicher manueller Arbeitskraft betrachtet werden kann, stellt Robotik im Dienstleistungsgewerbe Software dar, die Prozesse in der Informationsverarbeitung automatisiert. Die Software imitiert dabei menschliche Handlungen, um einen Prozess auszuführen.

Die virtuelle Arbeitskraft

Ein Roboter agiert als virtuelle Arbeitskraft, die durch die menschlichen Mitarbeiter überwacht wird. Die selbstständige Ausführung von Klicks und Texteingaben verhindert Medienbrüche zwischen IT-Anwendungen.

Auf einer Skala des Intelligenzlevels befindet sich Robotic Process Automation noch auf einem relativ niedrigen Niveau. Höhere Stufen sind die künstliche Intelligenz und digitale Assistenten. Im Gegensatz zu den letztgenannten ist RPA jedoch komplett marktreif und in der Praxis effizienzsteigernd anwendbar.

Die Installation von RPA-Software findet meist direkt auf der Benutzeroberfläche von Computern statt, sodass nicht die ganze IT-Infrastruktur von Unternehmen umgekrempelt werden muss. Die Software agiert dabei über verschiedene Applikationen und Systeme hinweg. Jede menschlich ausgeführte Aufgabe (wie zum Beispiel die Erstellung eines Reports in einer Tabellenkalkulation) wird durch die Software als Algorithmus betrachtet und automatisiert. In Zwischenschritten automatisiert sie Berechnungen und Datentransformationen. Meistens ist die Software darauf eingestellt, weitere Aktionen in der Prozesskette auszulösen und so verschiedene Workflows unter der Einhaltung von Bedingungen und Regeln miteinander zu verketten. Im einfachen Fall "lebt" der Roboter auf einem gewöhnlichen Desktop-System. Er kann sich jedoch auch auf virtuellen Desktops in einem Automatisierungs-Hub befinden.

Hauptziel: Höhere Effizienz

Durch den Einsatz von Robotic-Process-Automation-Software sollen manuelle und repetitive Aufgaben erledigt und somit die Effizienz gesteigert werden. RPA erledigt diese relativ geringwertigen Aufgaben viel schneller, rund um die Uhr und ohne Konzentrationsfehler. Umstellungen sind durch die Wiederverwendung einzelner Prozesssequenzen blitzschnell realisierbar. Unternehmen und ihre Mitarbeiter können sich durch die Auslagerung repetitiver Tätigkeiten an RPA auf Aufgaben konzentrieren, die mehr menschliche Fähigkeiten wie Empathie oder Kreativität abverlangen wie den Kundenservice oder das Innovationsmanagement.

Vor allem Finanzinstitute können erheblich von der Integration von Robotic Process Automation profitieren.

- Banken verspüren aktuell aufgrund des Niedrigzinsumfelds erhöhten Kostendruck, wobei repetitive Prozesse einen hohen Ressourcenverbrauch beanspruchen.

- Eine stärkere Regulierung wiederum verursacht komplexere Prozesse mit einem höheren Datenvolumen.

- Neue Wettbewerber und neue Technologien führen zu Wettbewerbsdruck.

Durch die Automatisierung simpler Aufgaben kann die Produktivität und Effizienz von Finanzinstituten gesteigert und somit den verschiedenen Faktoren für eine Gewinnminderung begegnet werden.

Auch die Prozessstruktur von Finanzinstituten bietet die ideale Fläche, um RPA gewinnbringend einzusetzen: Durch das hohe Volumen an strukturierten regelbasierten Ausführungen und stabilen Prozessen wie beispielsweise bei Transaktionen können erhebliche Effizienzsteigerungen erreicht werden. Aufgaben der Compliance können ebenso automatisiert werden.

Vor allem der Back-Office-Bereich ist für Automatisierung geeignet

Vor allem Prozesse im Back Office ohne hohe Kundeninteraktion eignen sich optimal für die Automatisierung: von der Dateneingabe, Validierung, Manipulation und Konsolidierung bis zum Exportieren, Herunter- und Hochladen von Daten oder Dateien. Konkrete Anwendungsbeispiele sind etwa die Erstellung systemübergreifender Berichte, die Extraktion elektronischer Formulare, die Angebotsgestaltung für Kreditanträge, die Automatisierung des Bilanzabschlusses oder Betrugs- und Geldwäscheerkennung. Die Liste der Anwendungsfelder ist beliebig erweiterbar.

Um die Anwendung plastischer zu veranschaulichen, hier zwei konkrete Beispiele:

- Eine Bank kann den Eröffnungsprozess für Neukunden im Privatkundengeschäft zu einem hohen Anteil automatisieren. Dadurch wird der Stammdatenleiter in der Überwachung und Kontrolle der Daten deutlich entlastet. Das Team kann sich nun der Verbesserung der Prozesse widmen, anstatt wie vorher die Daten mühsam selbst einzugeben

- Im Risikomanagement kann der Roboter dabei eingesetzt werden, Daten aus dem Kernbankensystem auf Befehl zusammenzustellen und dem Risikomanagement zur Analyse zuzusenden.

Bankprozesswissen und Robotik-Wissen müssen zusammenkommen

Damit Prozesse in die Robotic Process Automation überführt werden können, müssen sie zuerst standardisiert und digitalisiert sein. Ein Stolperstein bei Banken besteht dabei bei der oftmals unzureichenden Standardisierung über alle Abteilungen hinweg.

Wenn die Automatisierung von Prozessen nicht einheitlich für alle Abteilungen eines Unternehmens eingeführt wird, ergeben sich ineffiziente Duplizierungen oder Lücken. Darüber hinaus kann das Design der Roboter erheblich effizienter gestaltet werden, wenn zunächst die Prozesse analysiert werden. Deshalb ist es unabdingbar, dass in einem Robotik-Projekt sowohl Bankprozesswissen als auch Robotik-Wissen zusammenkommen.

Umsetzung mit agilen Methoden

Bei der Realisierung von Robotic Process Automation wird während eines mehrwöchigen Projekts die Automatisierung Schritt für Schritt vollzogen. Im ersten Schritt werden geeignete Aktionsfelder der Unternehmen für die Implementierung der Automatisierung identifiziert und evaluiert. Im zweiten Schritt wird die als am meisten geeignete Software erachtete RPA-Software ausgewählt. Im nächsten Schritt, in der Pilotphase, wird die RPA-Software dann in einem besonders geeigneten Feld installiert und getestet. Daraufhin wird die Software auf die regelmäßige Arbeit ausgedehnt. Im finalen Schritt wird der erste Anwendungsfall auf weitere Gebiete ausgeweitet und eine Führungsstruktur zur Umsetzung von RPA in allen Bereichen der Bank aufgesetzt.

Da Robotic Process Automation in kleinen Schritten und punktuell eingesetzt werden kann, eignet sich die Umsetzung mit agilen Methoden wie dem Rapid Design und Prototyping. Die nichtinvasiven Technologien erlauben eine architekturkonforme Umsetzung in kürzester Zeit.

Minimalinvasive Software

Bei der Auswahl der RPA-Software sollten mehrere Faktoren geklärt werden. Wie breit soll der Funktionsumfang sein? Die Bandbreite reicht von einfacher Be dieneroberflächen-Automatisation und "Screen Scraping" bis zum Einsatz Künstlicher Intelligenz und Selbstlernmechanismen. Wie skalierbar ist die Software? Der Nutzen von RPA ist umso höher, je schneller der Roboter beim Einsatz replizierbar ist und Roboterkomponenten in neuen Robotern wieder einsatzfähig sind.

Eine wesentliche Eigenschaft von Robotik-Software ist, dass sie minimalinvasiv ist. Sie lässt sich einfach zur bestehenden Systemlandschaft hinzuzufügen und ist ohne programmierte Schnittstellen einsetzbar.

Die Erlernbarkeit und einfache Dokumentation sind andere wichtige Faktoren. Eine hochwertige RPA-Software ist gut dokumentiert und Mitarbeiter erhalten Zugang zu einer RPA-Community, um sich auszutauschen und weitere Lernmaterialen zu erhalten. Sicherheit und Revisionsfähigkeit sind für Finanzdienstleister besonders signifikant. Deshalb sollte die Robotik-Software eine uneingeschränkte Dokumentation der automatischen Tätigkeiten ermöglichen.

Bei Finanzdienstleistern ist außerdem darauf zu achten, dass die Software in ihrer Branche schon etabliert ist. Marktanteile und Referenzkunden aus dem Banken- und Versicherungssektor sind valide Eigenschaften für die Prüfung. Nicht zuletzt die Marktstellung der Softwareunternehmen, der Zugang zu Kapital, der Anteil des Umsatzes und die Gesamtsumme, die in Forschung und Entwicklung fließen, sind wichtige Indikatoren. Bekannte RPA-Softwareanbieter sind Automation Anywhere, Ui Path und Blue Prism. Die Anbieter Work Fusion sowie Kofax Kapow sind dabei, größere Marktanteile zu gewinnen und sich zu etablieren. Bei allen Vor- und Nachteilen, die die einzelnen Anbieter mit sich bringen, lässt sich jedoch sagen, dass die Auswahl systematisch getroffen werden sollte, um spätere Probleme und Kostenfallen zu vermeiden.

Effizienzsteigerungen um bis zu 80 Prozent

Es lässt sich das Fazit ziehen, dass Finanz institute ihre Arbeitsprozesse durch die Integration von Robotic Process Automation wesentlich beschleunigen und erleichtern können. Unternehmen können mit der gleichen Anzahl von Mitarbeitern eine viel höhere Leistung erbringen. Es besteht mit RPA das Potenzial für eine Effizienzsteigerung von bis zu 80 Prozent. Mitarbeiter können sich durch die frei werdenden Kapazitäten stärker schöpferischen und kog nitiven Aufgaben widmen und sich noch besser auf den Kunden fokussieren.

Robotic Process Automation ist dabei, sich stetig weiterzuentwickeln. Während sie heute Benutzeroberflächen erkennt und menschliche Aktionen nachahmt, ist sie in der Zukunft immer mehr imstande, aus vergangenen Prozessdurchführungen zu lernen und sich selbst zu verbessern. Dies ist die Evolution zur Cognitive and Intelligent Automation.

Zum Autor André H. Burger, Managing Director und Geschäftsführer, Synpulse Deutschland GmbH Management Consulting, Frankfurt am Main

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