DIGITALE PROZESSE

Herausforderung Geldwäscheprävention - im Verbund geht es besser

Marcus W. Mosen, Foto: privat

Die Geldwäscheprävention der Banken befindet sich in einem Zwiespalt: Einerseits wird weniger als ein Prozent des gewaschenen Kapitals erkannt, auf der anderen Seite sind 95 Prozent der Alarme Fehlalarme. Effizienter werden kann die Geldwäscheprävention und Terrorismusbekämpfung nur durch eine aktiv vorangetriebene Digitalisierungsstrategie inklusive Künstliche Intelligenz. Um hier Fortschritte zu erreichen, gilt es, innerhalb der Verbundstrukturen die zentralen Dienstleister frühzeitig einzubinden. Dabei, so die Autoren, kann es für Genossenschaftsbanken und Sparkassen hilfreich sein, im Vorfeld Partnerinstitute zu suchen, um so die Nachfrage zu bündeln und damit die Entwicklung voranzutreiben. Red.

Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu stoppen, ist eine zentrale Aufgabe im Risikomanagement jedes regulierten Finanzinstituts. Maßnahmen zur Minimierung operationeller - also nichtfinanzieller - Risiken gewinnen daher zunehmend an Bedeutung.

Die Skandale der vergangenen Jahre haben die oftmals dysfunktionalen Prozessen zur Geldwäscheprävention ebenso offenbar gemacht wie das da raus resultierende Schadenspotenzial und die Konsequenzen für die betroffenen Institute. Einerseits sind die Folgeschäden finanzieller Natur: Es hagelte Strafen der Regulierungsbehörden wegen Non Compliance. Andererseits leidet das Image der betroffenen Banken. In Zeiten signifikanten Wandels und nicht immer gelingender Modernisierung in der Bankenlandschaft ist der Imageschaden sogar oft die schwerer wiegende Strafe für die betroffene Bank.

Geht es darum, solche Schäden zu vermeiden, lassen sich Prozesse zur Geldwäscheprävention und Vermeidung von Terrorismusfinanzierung in zwei Bereiche unterteilen: Erstens spielt bei Neukunden die Identifikation der Person (Know Your Customer, KYC) ei ne zentrale Rolle, ebenso wie eine erste Risikoeinschätzung. Meist mit der Aufgabe, beides risikobasiert regelmäßig zu wiederholen. In den vergangenen Jahren hat hier zum Beispiel Video Ident eine wichtige Aufgabe übernommen. Künftig werden elektronische Ausweisdokumente dafür sorgen, dass diese Prozesse noch weiter optimiert und digitalisiert werden können. Zu dem muss die Identität des Kunden mit Sanktionslisten und den Listen von "Politisch Exponierten Personen" ab geglichen werden. Eine solide, nach vollziehbare und idealerweise digitale Dokumentation all der Ergebnisse dieser Prüfungen ist zentraler Bestandteil dieses Prozessschrittes.

Zweitens wird für bestehende Kunden die Überwachung des Transaktionsverhaltens notwendig. Hier geht es nicht nur um die Prüfung, ob Geschäftspartner "sanktionierte Personen oder Unternehmen" sind, sondern auch um die Anwendung der einschlägigen Regeln. Diese reichen von Volumen schwellenwerten für Überweisungen bis zu den notwendigen Checks von Transfers in Risikoländer oder aus ihnen heraus. Im Zentrum geht es um das Ziel, risikobasiert sicherzustellen, dass Transaktionen im Rahmen des Geschäftsfelds oder der Historie eines Kunden ebenso erklärbar sind wie die Herkunft von Vermögenswerten.

Viele Fehlalarme, wenig erkannte Geldwäschefälle

Generell versuchen die Finanzinstitute, die genannten Regeln zu befolgen. Jedoch bleiben die weithin bekannten Probleme: Die Anwendung von wenig optimierten Systemen oder nicht digitalisierten Prozessschritten produziert viel zu viele Verdachtsfälle und damit die Notwendigkeit manueller Überprüfung - ohne Mehrwert für das Institut, weil in der Regel mindestens 95 Prozent der Fälle Fehlalarme darstellen. Gleichzeitig ist aber auch bekannt, dass weniger als ein Prozent des tat sächlich gewaschenen Kapitals überhaupt erkannt und aus dem Verkehr gezogen wird.

Die Herausforderungen für jede Bank im Bereich Anti Money Laundering (AML) sind schnell umrissen:

- Der AML Prozess wird zunehmend teurer, ohne dabei das Risiko für die Bank greifbar zu reduzieren.

- Starre Systeme behindern jede Weiterentwicklung.

- Der Prozess leistet keinen Beitrag zur Differenzierung am Markt.

Es ist offensichtlich, dass - wie in vielen Bereichen der Bank - eine aktiv vorangetriebene Digitalisierungsstrategie nötig, ja in der Tat der einzig gangbare Weg ist. In den vergangenen Jahren sind neue, IT basierte Lösungen entstanden und zur Marktreife erlangt.

Die Schlagworte sind hier Künstliche Intelligenz (KI), Software as a Service (SaaS) und Cloud. Die Banken sind auch zunehmend bereit, sich mit diesen Themen auseinander zu setzen, genau so wie die Regulierungsbehörden: Heute werden Lösungsansätze in Betracht gezogen, die noch vor ein oder zwei Jahren von der Hand gewiesen wurden.

Geht es darum, optimale Entscheidungen zu treffen, um die AML Prozesse für ein Institut zu optimieren, ergeben sich für den Vorstand einer Bank drei zentrale Fragestellungen:

1. Gibt es überhaupt Optimierungsbedarf? Welchen?

Zunächst geht es um Effizienz: Im Kontext von womöglich steigendem, rezessionsbedingtem Kostendruck wird die Notwendigkeit, AML Prozesskosten zu reduzieren, zum realistischen Szenario. Die Abwägung gegenüber anderen Kostenpositionen und die Priorisierung des Vorgehens werden dabei im Vordergrund stehen, jedoch wird eine grundsätzliche Betrachtung der AML Prozesseffizienz in jedem Fall Teil der Analyse sein müssen.

Dann spielt das Risiko eine Rolle: Kriminelle handeln immer intelligenter und in der Folge von Covid 19 entstehen neue Kriminalitätsmuster. Das verlangt nach einem proaktiven Management nichtfinanzieller Risiken. Nicht nur zum Schutze der Bank, sondern auch aus Verantwortung gegenüber den auch teilweise persönlich haftbaren Organen der Bank. Gleichzeitig werden regulatorische Änderungen und die zunehmende Notwendigkeit zur systemunterstützten, intelligenten und übergreifenden Zusammenarbeit zwischen einzelnen Instituten in den bestehenden IT Systemen immer schlechter abzubilden sein - bis hin zur Handlungsunfähigkeit.

Die Konsequenz: Bestehende Systeme zu ersetzen, wird ein zentraler Bestandteil der IT-Roadmap jedes Institutes sein müssen, um Effizienz und Effektivität der Prozesse an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen. In manchen Fällen wird Kritik seitens der Wirtschaftsprüfer oder der Regulierungsbehörden zusätzlich für Tempo sorgen.

Risiko bestimmt den Zeitpunkt

2. Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Investition in die AML Zukunft?

Geht es um Investitionsentscheidungen, entspringt die Unsicherheit der Entscheider typischerweise der risikoaversen Haltung einer Bank, die oft durch konservative Blickwinkel der Compliance Abteilung noch verstärkt wird. Wahrgenommene oder tatsächlich unklare regulatorische Rahmenbedingungen im Hinblick auf neue Technologien verursachen dabei oft eine Haltung, die sich in Statements wie "wir warten ab", "das geht nicht", oder "das darf nicht" ausdrückt.

Übersehen wird dabei jedoch, dass gerade der Einsatz neuer Technologie in einem solchen Umfeld nur schrittweise, wohltemperiert und parallel zu Bestandlösungen funktioniert. Ein Vergleich: Der (AML )Musikant stimmt nicht sein altes Instrument, sondern er lernt, ein neues zu spielen. Deshalb muss früh mit den Proben begonnen werden. Für die Führung der Bank geht es daher darum, die aktive Suche nach Innovation anzustoßen und die Zusammenarbeit mit Dienstleistern einzufordern, die alternative Ansätze auf zeigen können. Nicht zuletzt muss es aber auch darum gehen, Raum und Budget zu schaffen, damit diese neuen Wege der Innovation tatsächlich be schritten werden können.

Auch maschinelles Lernen braucht Zeit

Das Ausmaß der Veränderung ist da bei nicht zu unterschätzen: Was bislang eine Handvoll Regeln und traditionelles, manuelles Vorgehen in der Fallbearbeitung war, wird zu hochkomplexen datenanalytischen Ansätzen und zu Entscheidungen, die Computer und nicht mehr Menschen treffen.

Die Anpassung der AML-Kultur und des dafür notwendigen Wissens braucht Zeit: Es geht darum, Vertrauen in die Technologie aufzubauen. Ziel muss eine Innovationskultur sein - nicht nur bei der Verhinderung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung, sondern in allen, durch die Digitalisierung betroffenen Bereichen der Bank.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema sollte rechtzeitig starten, um die notwendigen Lerneffekte zu er zielen. Dies gilt sowohl beim Aufbau von Wissen und Kultur als auch bei der datenbasierten, analytischen Arbeit. Auch maschinelles Lernen braucht Zeit, bis optimale Effekte erzielt werden.

3. Welche Rahmenbedingungen sind aktiv zu adressieren?

Wichtige Technologie Entscheidungen, die Kernprozesse betreffen wie auch AML/CFT-Systeme, werden in den wenigsten Banken völlig autark getroffen. Einige Institute sind Teil einer Bankengruppe, die versucht, Synergien bei Implementierung, Anpassung und im Betrieb der Lösung zu maximieren. Andere gehören zum Sparkassen oder genossenschaftlichen Sektor, mit oft limitierten Freiheitsgraden, wenn es darum geht, Technologieinnovation zu fördern. Daher ist es entscheidend, zentrale Elemente wie IT-Dienstleiser oder Gruppen Compliance Funktionen so einzubinden, dass in einer Verbundstruktur alle den Vorteil einer Innovation erkennen. Erfolgt das nicht, wird der erhoffte Fortschritt oft schnell im Keim erstickt.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Lösungen bietet moderne Technologie typischerweise die Möglichkeit, erst einmal zur Prüfung eingesetzt zu werden. Das geht meist auch dann, wenn eine Bestandslösung eines zentralen IT-Dienstleisters bis auf Weiteres das Kernsystem bleibt. Bei solchen Projekten werden auf Basis von zu nächst einmalig zur Verfügung gestellten Datensätzen Analysen durchgeführt - unter Beachtung notwendiger Auslagerungsrichtlinien.

Zentrale IT-Dienstleister frühzeitig einbinden

Die frühe Einbindung des zentralen IT-Dienstleisters ist nötig, um den Datenzugang sicherzustellen. Wobei "Daten" hier nicht automatisch die Übermittlung von personenbezogenen Informationen bedeuten muss, denn mit moderner Technologie lassen sich Analysen auch aufgrund von anonymisierten Datensätzen durchführen. Die datenschutzrechtlichen Anforderungen werden so eingehalten.

Das Ergebnis zeigt die Prozessineffizienzen: Wie viele der 95 Prozent Fehlalarme können vermieden werden? Auch die Optimierungspotenziale wer den deutlich: Welche Kostenersparnis ist realistisch? Nach einem erfolgreichen Projekt fungieren diese Erkenntnisse als Entscheidungsgrundlage für einen weiterführenden Einsatz der Technologie im einzelnen Finanzinstitut oder auch gruppenweit. Der Mehrwert, der aus einem solchen Ansatz für alle Beteiligten generiert werden kann, ist nicht zu unterschätzen: Fachabteilungen, die IT oder auch der Datenschutz lernen vom Technologie Innovator. Neuen Ansätzen offen und freundlich zu begegnen, wird über die Zeit zum Teil der Unternehmenskultur.

Partnerinstitute in der Gruppe suchen

Damit gilt: Sich mit gruppenzentralen Instanzen wie IT, Datenschutz und Compliance auseinanderzusetzen, ist notwendig, wenn es darum geht, Innovationsbedarf anzumelden und die Reise in die Zukunft gemeinsam zu beginnen. Partnerinstitute in der Gruppe zu finden, spielt dabei eine große Rolle: Je mehr Kunden nach einer Lösung fragen, umso schneller wird der IT-Dienstleister daran arbeiten.

Bei der Neuausrichtung der Banken IT in Richtung Digitalisierung ist die Optimierung von Prozessen der Geldwäsche Prävention eine der zentralen Notwendigkeiten - sowohl aus Kosten als auch unter Risikogesichtspunkten. Frühzeitig tätig zu werden, ist wichtig, um eine Neuausrichtung in Richtung Datenorientierung und Künstliche Intelligenz zu bewerkstelligen, ohne bestehende Prozesse zu gefährden. Ziel gerichteter Innovation muss der Weg geebnet werden - sowohl auf der Ebene der Bank als auch im Kontext der Bankengruppe - denn nur so lässt sich die nötige Anpassung in Kultur und Wissen erzielen.

Marcus W. Mosen, Aufsichtsrat, N26 GmbH, Berlin
Tobias Schweiger, Mitgründer und Geschäftsführer, HAWK:AI GmbH, München
 
Marcus W. Mosen , Aufsichtsrat, N26 GmbH, Berlin
Tobias Schweiger , Mitgründer und Geschäftsführer , HAWK:AI GmbH, München

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