ERTRAGSPOLITIK

Immobilien - die dritte Ertragssäule für Regionalbanken

Dr. Oliver Mihm, Foto: nvestors Marketing

Die Hälfte der Erträge der deutschen Banken ist mittlerweile direkt oder indirekt auf das Immobiliengeschäft zurückzuführen, so die Autoren. Um die Potenziale wirklich zu heben, bedarf es ihrer Einschätzung nach jedoch einer ganzheitlichen Verankerung des Immobiliengeschäfts als eigenständiges Geschäftsfeld. Dann bietet ein Fokus auf "Wohnen und Immobile" die Chance, den regionalen Bezug positiv zu besetzen. Neben der Baufinanzierung gehören dazu auch neue Produkte wie regionale Immobilienfonds, aber auch die Anbindung an B2C- oder B2B-Plattformen. Red.

Wenn sich deutsche Bankmanager heutzutage über die Zukunftsaussichten der Branche unterhalten, rückt immer wieder ein Thema in den Mittelpunkt: das Geschäft mit dem Betongold. Zwar ist die Verbindung von Geldinstituten und Immobilien so alt wie die Finanzbranche selbst - Bausparen und Baufinanzierung sind seit eh und je tragende Säulen des Privatkundengeschäfts. Nicht umsonst machen Immobilienkredite heute über ein Drittel der Bankbilanzen deutscher Kreditinstitute aus und steuern 15 Prozent der Zinserträge bei.

Doch geben diese Zahlen bei Weitem nicht die enorme, gerade in den letzten Jahren deutlich gestiegene Bedeutung des Immobiliengeschäfts für die Ertragskraft der Regionalinstitute wieder. Denn dort spielen neben der klassischen Finanzierung auch Ertragsquellen eine Rolle, die mit dem Kerngeschäft zunächst nicht viel zu tun haben: etwa Beteiligungen an Projektentwicklungs- und Bauunternehmen, spezielle Immobilienfonds und eigene Immobilienbestände - aber auch Erträge aus der Vermittlung und Vermarktung sowie der Hausverwaltung. Nach Schätzungen von Investors Marketing ist mittlerweile über die Hälfte der Erträge deutscher Banken direkt oder indirekt auf das Immobiliengeschäft zurückzuzuführen - Tendenz dank des anhaltenden Booms weiter steigend.

Unternehmerischer Ansatz gefragt

Obschon sich mittlerweile nahezu jede Regionalbank im Immobiliengeschäft betätigt, gestalten sich Umfang und Intensität der Aktivitäten sehr heterogen. Bei näherer Betrachtung wird allerdings deutlich: Erst ein einheitlicher unternehmerischer Ansatz kann in dem bereits äußerst umkämpften Immobilienmarkt besondere Geschäfts- und Ertragspotenziale eröffnen. Basis dafür ist zum einen die strukturelle Entwicklung von Immobilienkompetenz und zum anderen ein hohes Maß an Offenheit und etwas Risikobereitschaft vonseiten des Vorstands sowie des Aufsichtsrats. In der Kombination wird der Weg frei für eine strategische Aufstellung.

Der erste Schritt in Richtung eines erfolgreichen Immobiliengeschäfts ist folgerichtig: Es sollte Klarheit über Ziele und Ambitionen geschaffen werden. Ebenso wie über Fähigkeiten, Stärken und Schwächen, die zum Hindernis werden könnten. Darauffolgend gilt es, in der Führungsriege der Bank gezielt immobilienbezogenes Managementwissen zu erweitern. Im nächsten Schritt folgt der Aufbau entsprechender Strukturen, auch im Hinblick auf die personelle Aufstellung.

Aktuell erhebliche Potenziale

Zwar sind klare Positionierungen und eine ganzheitliche Verankerung des Immobiliengeschäfts als eigenständiges Geschäftsfeld bislang in vielen Banken und Sparkassen noch nicht vorhanden. Doch selten zuvor waren die Ausgangsbedingungen derart günstig wie in der aktuellen Marktsituation. Diese eröffnet insbesondere Chancen für die Finanzinstitute, die bereits über einen Zugang zu attraktiven Neubau- und Investitionsprojekten verfügen - und diese strukturellen Ansätze verknüpfen mit Risikoappetit und Risikokompetenz.

Ertragspotenziale ergeben sich entlang der gesamten Immobilien-Wertschöpfungskette Quelle: Investors Marketing AG

Doch nicht nur die Ertragschancen aus dem rasanten Preisanstieg machen Immobilien für Banken derart attraktiv. Zwar ist der Immobilienbesitz in Deutschland mit einem Anteil von 51 Prozent in der Gesamtbevölkerung deutlich niedriger als in anderen europäischen Ländern. Und doch entfaltet das Zuhause, die eigenen vier Wände, starke Emotionen und eine noch stärkere Anziehungskraft auf den Bankkunden hierzulande. So verbinden 97 Prozent der Deutschen den Wohnort und das Zuhause eng mit der Heimat - und Letztere ist nach wie vor einer der am stärksten mit positiven Emotionen verbundenen Begriffe.

Folglich ist das Thema "Wohnen und Immobilie" insbesondere eine Chance für Regionalbanken, wenn mit der Digitalisierung und der Globalisierung vielfach der regionale Bezug verloren zu gehen droht. Hier liegt Potenzial für Banken, mit positiv besetzten, regionalen Botschaften und Angeboten bestehende und neue Kunden zu erreichen.

Fokus auf Wohnen

Dieser Aspekt gewinnt umso mehr an Bedeutung, nachdem der Kundendialog mit Relevanz und positiver Emotion zwar ein oft angestrebtes Ziel der Regionalbanken ist, ein solcher jedoch selten erreicht wird. So führt laut einer im Jahr 2020 von Investors Marketing durchgeführten Befragung nur etwa ein Drittel der Bankkunden jährlich ein ausführliches Beratungsgespräch. Oft werden 30 bis 50 Prozent der Bankkunden - in der Regel jene mit geringerem Einkommen und Vermögen oder Kunden, die nur wenige Services in Anspruch nehmen - überhaupt nicht systematisch auf Angebote der Bank angesprochen. Im Ergebnis fällt es bei großen Teilen der Kundschaft immer schwerer, eine Bindung und Relevanz seitens der Bank aufrechtzuerhalten. Diese wenig intensiv betreuten Kunden wenden sich im Bedarfsfall an andere Anbieter oder suchen im Internet - in der Folge entgeht der Bank wichtiges Neugeschäft. So zeigt die Befragung von Investors Marketing, dass nur noch für 46 Prozent der Kunden ihre Hausbank die erste Anlaufstelle für eine Baufinanzierung ist.

Hier kann eine klare Positionierung im Immobilienumfeld Abhilfe schaffen - verbunden mit einem Fokus auf dem Aspekt Wohnen. Erfahrungsgemäß gelingt dies dann, wenn regelmäßig relevante Themen und Angebote vorgestellt werden. Entscheidend ist die Regelmäßigkeit und Nachhaltigkeit der Kommunikation, entfaltet diese doch erst nach Monaten oder gar Jahren ihre volle Wirkung. Interessante regionale Inhalte rund um das Wohnen und Immobilien sind genauso notwendig wie eine genügende Vielfalt von Angeboten.

Erweiterung der Produktpalette

Renditechancen für Banken können sich auch im Investmentbereich ergeben - etwa durch das Auflegen eines Regio-Immobilienfonds. Auf diese Weise kann die Bank ihren Kunden exklusive Anlagemöglichkeiten bieten und interessierte Kunden in kleineren Schritten an eigenen Immobilienbesitz heranführen. Viele jungen Kunden, die sich beispielsweise mithilfe von Neobrokern während der Pandemie erfolgreich und spielerisch im Wertpapiergeschäft ausprobiert haben, könnten das Angebot einer tokenisierten Immobilie spannend finden. Außerdem positioniert sich die Bank in diesem wichtigen Kundensegment als innovationsfreudig.

Doch die Produktpalette lässt sich noch deutlich erweitern: Wohnbezogene Versicherungen, Küchenleasing oder Leibrente sind genauso denkbar wie ein eigener Energietarif oder exklusive Kauf- oder Mietangebote aus dem eigenen Bestand der Bank.

Partnerbasierte Modelle

Nicht jedes Produkt muss die Bank indes selbst ins Portfolio nehmen: für sämtliche Segmente stehen mittlerweile erfahrene Spezialisten mit guten Angeboten bereit - die Unterstützung bei der Vermarktung und beim Abschluss häufig bereits inklusive. Häufig können Regionalbanken ohne Zusatzaufwand bereits an bestehende Strukturen andocken: Etwa im Rahmen von Verbundpartnerschaften oder Kooperationen ist der Zugriff auf eine breite wohnbezogene Angebotspalette möglich.

Somit liegt die Herausforderung darin, eigene Angebote oder die von Partnern für Kunden erreichbar und erlebbar zu machen, sodass diese für die Bank zu einer signifikanten Ertragsquelle ausgebaut werden.

Plattformgeschäft in der Finanzierung

In der Finanzierung bietet für Regionalbanken das Plattformgeschäft umfangreiche Chancen. Um diese zu nutzen, ist es entscheidend, das Geschäftsmodell optimal auf die Zusammenarbeit mit - strategisch auszuwählenden - Plattformen auszurichten. Bei der Entwicklung einer B2C-Plattformstrategie müssen die individuellen Gegebenheiten und Ziele des Instituts berücksichtigt werden.

In der Projektfinanzierung ist der Zugang zu Projekten innerhalb des strategischen Rahmens der Bank ein häufiges Wachstumshemmnis. Die Nutzung von B2B-Finanzierungsplattformen wie CredX eröffnet den Zugang zu einem überregionalen Immobilien-Dealflow und ermöglicht schnell einen breiteren Überblick über verfügbare Transaktionen am Markt.

Raum für Mezzanine- und Eigenkapital-Engagements

Von der Finanzierungsseite betrachtet, sind die Margen für Senior Debt zwar nachhaltig unter Druck. Gleichzeitig können jedoch die Beleihungswerte mit dem rasanten Anstieg der Marktpreise nicht Schritt halten, sodass sich immer mehr Raum für lukrative Mezzanine- und Eigenkapital-Engagements ergibt. Regionale Institute mit exzellenter Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten sind hierfür bestens positioniert. Allerdings sind die "Spielregeln" und die Risiko-Ertragsstrukturen solcher Engagements ganz anders als die des klassischen Bankdarlehens. Eine vorsichtige Annäherung an die neuen Assetklassen ist zu empfehlen.

Ein erster Schritt könnte auch hier die Anbindung an B2B-Finanzierungsplattformen sein. Hier bekommen Kreditinstitute nicht nur erste konkrete Deals angetragen, sondern lernen auch die Struktur und die kritischen Erfolgsfaktoren kennen. Ein erster Schritt in Richtung Mezzanine kann dann etwa die überschaubare Zusammenarbeit mit einem zuverlässigen Projektentwickler, die Mitwirkung an einem Konsortium mit befreundeten Instituten aus der Region oder die Beteiligung an einem Mezzanine-Fonds unter der Federführung einer erfahrenen Regionalbank sein. In jeden Fall empfiehlt sich die Begleitung durch einen unabhängigen und fachkundigen Experten.

Wirtschaftlich interessant ist für Kreditinstitute längst nicht nur das Wohnimmobilienfeld. Vielmehr gelten - in erster Linie lageabhängig - dort Teile des Marktes bereits als überhitzt. Folglich ist stets eine nähere Analyse notwendig, um zusätzliche Segmente in der Region zu erkennen, die noch erquickliches Wachstumspotenzial haben. Gerade Objekte, die zu aktuellen demografischen Trends passen, gehören dazu: Beispielsweise solche rund um die Themen Gesundheit und Pflege oder altersgerechtes Wohnen. Auch studentische Wohnformen bergen weiterhin erhebliche Potenziale.

Um Full Service anbieten zu können, könnten sich Banken auch in der Immobilienverwaltung neu aufstellen und diese in ihr Portfolio integrieren. Die Hausverwaltung kann eine unvergleichbare Nähe zum Kunden schaffen und die Bank im richtigen Moment für die Ansprache auf Finanzprodukte positionieren - vorausgesetzt die Prozesse dafür stimmen. Das Ziel hierbei ist, die zwei doch sehr unterschiedlichen Welten - die der Bank und die der Hausverwaltung - mit viel Fingerspitzengefühl auf konstruktive Art zu verbinden.

Strukturelle Neuaufstellung

Unter dem Strich liegen die Potenziale in den unterschiedlichen Produkt- und Servicefeldern auf der Hand. Und doch ist die zentrale Problematik einer fehlenden strukturellen Aufstellung des Immobiliengeschäft in vielen Regionalbanken bislang nicht gelöst. Somit bleiben Kompetenzen und Verantwortlichkeiten verteilt, sind jedoch kaum miteinander vernetzt. Erst die Positionierung als eigenes Geschäftsfeld, mit klaren Zielen und Verantwortlichkeiten, mit personellen Ressourcen und Kompetenzen, schafft die Voraussetzungen für den systematischen Ausbau.

Hierbei sollten auch Beteiligungen und Tochtergesellschaften wie Hausverwaltungen, Maklergesellschaften oder Projektentwickler in die Überlegungen einbezogen werden. Wenn alle, die in der Organisation mit Wohnen und Immobilien zu tun haben, mit klar definierten Prozessen und gemeinsamen Zielen daran arbeiten, die Bank als den führenden Immobilienexperten der Region zu positionieren, stellt diese die Weichen für stabile und verlässliche Erträge in die nächsten Jahrzehnte hinein.

Dr. Oliver Mihm, Vorsitzender des Vorstands, Investors Marketing AG, Frankfurt am Main
Georg Strich, Principal, Investors Marketing AG, Frankfurt am Main
Dr. Oliver Mihm , Vorsitzender des Vorstands, Investors Marketing AG, Frankfurt am Main
Georg Strich , Senior Advisor , Investors Marketing AG, Frankfurt am Main

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