REGULIERUNG

Konsortialkredite mit Private Blockchains Compliance-konform vergeben

Helen Orton, Foto: Finastra

Die Blockchain ist weit mehr als nur Bitcoin, so Helen Orton. Ein Einsatzgebiet für Private-Blockchain-Konzepte sieht sie im Konsortialkreditgeschäft. Weil sie die einzelnen Kreditgeber direkt miteinander verbinden, entfallen manuelle Prozesse. Gleichzeitig wird das Auditing erleichtert. Auch die Aufsicht hat anerkannt, dass durch die Speicherung der Daten in der Blockchain Risiken vermieden werden können. Red.

Blockchain ist seit mehreren Jahren ein Hype-Thema und ein Mega-Trend, nicht nur in der Finanzindustrie. Dennoch verbinden viele die Technologie noch immer fast ausschließlich mit Kryptowährungen, allen voran Bitcoins. Dass es auch andere konkrete Einsatzszenarien im Bankbereich gibt, zeigen aktuelle Praxisbeispiele wie die Distributed-Ledger-Technologie (DLT).

Der Blockchain-Ansatz bietet zweifelsohne viel Potenzial für Banken jeder Größe. Die damit verbundenen Chancen erkennen inzwischen auch immer mehr Finanzinstitute. So waren im Jahr 63 Prozent der von PwC zu diesem Thema befragten 105 Führungskräfte von Banken in Deutschland der Meinung, dass Blockchain innerhalb der kommenden zehn Jahre Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell haben wird. Doch noch mehr von ihnen (68 Prozent) sind bisher nur wenig oder überhaupt nicht mit der Technologie vertraut.

Die Folge ist, dass die meisten Banken erst einmal abwarten, was sich in den kommenden Monaten und Jahren an Praxisprojekten durchsetzt und welche Einsatzmodelle sich als erfolgreich erweisen.

Gemeinsam genutzte, zentrale Datenbank

Doch was verbirgt sich eigentlich hinter der Zukunftstechnologie? Grundsätzlich ist die Blockchain nichts anderes als eine gemeinsam genutzte, dezentrale Datenbank, die den Verlauf von Transaktionen aufzeichnet. Die fälschungssicheren, verteilten Datenstrukturen bilden die einzelnen Aktivitäten zeitlich protokolliert und nachvollziehbar ab und überwachen Zugriff, Abläufe und ihre Korrektheit auf automatisierte Art und Weise. Die dabei entstehenden Datenblöcke werden in Form einer chronologischen Aneinanderreihung mit Prüfsummen des Blocks und der gesamten Kette abgespeichert. Indem alle Nutzer diese Abläufe transparent nachvollziehen können, steigt das Vertrauen in Geschäftsabschlüsse und Vereinbarungen - ein wichtiger Vorteil für den Finanzsektor.

Public- versus Private-Blockchain-Konzepte

Das eben erläuterte Grundprinzip gilt für alle Blockchain-Ansätze. Doch es gibt auch Unterschiede zwischen den einzelnen Ansätzen, die auch als Public- und Private-Blockchain-Modelle bezeichnet werden:

- Public Blockchains sind öffentlich zugänglich und liegen dezentralisiert vor. Jeder Nutzer, der eine Kopie besitzt, kann auf die Systeme zugreifen und besitzt Lese-, Transaktions- sowie Schreibrechte. Beispiele für Public Blockchains sind die bekannten Kryptowährungen Bitcoin oder auch Etherum.

- Private Blockchains sind im Gegensatz zu den öffentlichen Strukturen geschlossener, also eingrenzbarer für definierte Nutzergruppen. Zugangsbeschränkungen sorgen dafür, dass eine Nutzergruppe mit strengen Compliance-Vorgaben die Technologie regelkonform verwenden kann, etwa bei der hochstandardisierten Kreditvergabe mit vielen verschiedenen Beteiligten. So werden bei Private Blockchains neben den Teilnehmern des Transaktionsprozesses auch die Daten selektiert, die jeder von ihnen einsehen und bearbeiten kann. Beispiele für Private Blockchains sind die branchenübergreifende Open-Source-Blockchain-Initiative Hyperledger oder die Distributed-Ledger-Technologie Corda von R3. Letztere ermöglicht Akteuren in der Finanzbranche unter anderem, Transaktionen in Form von smarten Verträgen (Smart Contracts) abzuwickeln und in Kombination mit Lösungen wie Fusion Lender-Comm von Finastra die Kreditvergabe effizienter zu gestalten und dadurch letztlich zu beschleunigen.

Smartere Transaktionen im Konsortialkreditgeschäft

Ein erstes wichtiges Anwendungsfeld für Private-Blockchain-Lösungen ist das Konsortialkreditgeschäft (Syndicated Lending). Bei dieser Form der Kreditvergabe stellen zwei oder mehr Kreditgeber einem oder mehreren Kreditnehmern gemeinsam ein Darlehen zur Verfügung. Dies ist etwa bei hohen Kreditbeträgen ab 30 bis 50 Millionen Euro oder zur Risikostreuung notwendig. Um die Finanzierung zur Verfügung zu stellen, bilden die beteiligten Banken dazu ein Konsortium, wobei ein Kreditinstitut als Konsortialkreditführer für die administrativen Aufgaben, den Kundenkontakt und die Koordination untereinander verantwortlich ist. Gerade der letzte Aufgabenblock kann extrem kostenintensiv und zeitraubend für den Konsortialkreditführer werden, insbesondere wenn eine große Zahl an Kreditgebern eingebunden ist. Meistens liegt diese im dreistelligen Bereich.

Trotz dieser komplexen Faktoren wickeln die meisten Konsortialkreditführer die Kredite heute noch in sehr arbeitsintensiven, manuellen Prozessen ab. Dafür verwenden die Vermittlerbanken oft noch traditionelle Technologien zur Kommunikation und Abstimmung wie Fax, E-Mail oder Telefon. Die Folge sind Tausende von Nachrichten und aufwendige Abstimmungsprozesse, die noch dazu sehr lange dauern: Rund 70 Prozent der Zeit werden gebraucht, um jedem Kreditgeber die entsprechenden Informationen zu Kreditverträgen, Rückstellungen, Bilanzpositionen und anderen relevanten Daten zur Verfügung zu stellen. Denn die Kreditgeber können die notwendigen, kritischen Daten nicht eigenständig in Echtzeit abrufen, wodurch Konsortialkreditführer oftmals zwangsläufig zum Flaschenhals werden.

Aufgrund der großen Anzahl an involvierten Akteuren und der langwierigen Prozesse dauert es mittlerweile etwa 43 Tage, um einen Kredithandel abzuwickeln. Dazu kommt, dass diese Form der punktuellen, manuellen Kommunikation nur schwer auditierbar und auf Compliance-Konformität überprüfbar ist. Hier setzt die Blockchain-Technologie an: Private-Blockchain-Lösungen verbinden auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie die Konsortialkreditführer und Kreditgeber direkt miteinander. Bisherige manuelle Prozesse wie der Informationsaustausch lassen sich auf solchen Plattformen standardisieren und automatisieren. Hierfür sind die Kreditdetails strukturiert auffindbar und jederzeit abrufbar.

Um den Datenzugriff zu steuern, können die Vermittlerbanken Vertragsdaten je Kreditgeber über ihre Kreditsoftware anlegen, die sie dann über die Private-Blockchain-Plattform veröffentlichen und zusammenführen. Kreditgeber können diese Daten eigenständig im Selfservice abrufen und gewinnen einen Echtzeitüberblick über ihre Bilanzpositionen (siehe Abbildung).

Durch den direkten Echtzeitaustausch entfallen nicht nur die bisherigen manuellen Prozesse. Des Weiteren werden Abstimmungsprobleme beseitigt und die Handelsfeststellung für Kredithandel und -vereinbarung vereinfacht.

Ein weiteres Problem wird ebenfalls gelöst: In den vergangenen Jahren hat die Anzahl der an einem Konsortialkredit beteiligten Akteure enorm zugenommen - an einer Vergabe sind mittlerweile oftmals über 1 000 Kreditgeber beteiligt. Für das Backoffice der Konsortialkreditführer hat dies zur Folge, dass auch das Volumen der Anfragen insbesondere zum Monats- und Quartalsende drastisch angestiegen ist. Der Konsortialkreditführer profitiert nicht von der höheren Anzahl der Anfragen, muss sie aber dennoch zeitnah bearbeiten und dafür ein entsprechendes Team bereitstellen. Die Selfservice-Funktion leistet an dieser Stelle einen entscheidenden Beitrag, dass Kreditgeber diese Anfragen selbst klären können, ohne dafür den Konsortialkreditführer zu involvieren. Dieser spart durch diesen Vorgang wertvolle Zeit, die er beispielsweise nutzen kann, um mehr syndizierte Kredite zu bearbeiten.

Vorteile beim Auditing

Gleichzeitig erhalten die Kreditgeber unmittelbar Feedback zu ihren Anfragen. Auch in Sachen Auditing bietet der Blockchain-Ansatz Vorteile. So wird der gesamte Kreditvergabeprozess durch die Plattform transparenter - von der Buchführung über Kreditservices bis hin zu nachgeordnetem Markthandel und Vereinbarungen.

Kreditgeber können Transaktionen künftig beispielsweise von Anfang bis Ende elektronisch nachverfolgen und die gesamte Historie einer Vereinbarung einsehen. Personalisierte Ansichten reduzieren dabei operative Risiken, indem der Zugriff unterschiedlicher Beteiligter entsprechend zugeordnet wird. Durch die zentrale und sichere Datenbasis ("Single Source of Truth") für den gesamten Abstimmungsprozess fußen die getroffenen Entscheidungen zu 100 Prozent auf exakten Daten und sind auditierbar.

Von der BaFin anerkannt

Die Compliance-unterstützende Systematik der Blockchain-Technologie wird auch von der BaFin erkannt. So hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht festgestellt, dass "durch die Speicherung von Daten in der Blockchain (...) Risiken, die sich aus der zentralen Datenhaltung ergeben, vermieden" werden. Zudem nutzen die Sicherheitsverfahren der Blockchain aktuelle asymmetrische Verschlüsselungstechnologien basierend auf öffentlichen und privaten Schlüsseln. Die BaFin erkennt die Blockchain als Technologietreiber an und sieht ein Wertschöpfungspotenzial, unter anderem in Bezug auf die Vereinfachung und Automatisierung bisher manueller Prozesse.

Aktuell gibt es noch vergleichsweise wenige Praxisprojekte im Bereich der Private-Blockchain-Lösungen, an denen auch Finanzinstitute mitarbeiten. Allerdings kommt es genau auf diese Kollaboration zwischen Banken und Finanz-Software-Unternehmen an, um die Blockchain-Technologie in die Praxiswelt zu heben und ihr Potenzial in realen Prozessen nachzuweisen.

Nur solche Erfahrungen und echte Marktbedingungen schaffen das Vertrauen, das in diesem sensiblen Bereich der Finanzindustrie notwendig ist, um den Weg in eine effizientere digitalisierte Zukunft zu gehen.

Helen Orton, Senior Principal Product Manager, Finastra, London
 

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