Neue Größenordnungen bei Fusionen - veränderte Erfolgsfaktoren

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Nach einer eher ruhigeren Phase scheint die Intensität der Fusionen von Genossenschaftsbanken wieder deutlich anzuziehen. Die Größenordnungen haben sich dabei grundlegendend verändert. Aus überschaubaren Ortsbanken entstehen genossenschaftliche Regionalbanken. Für diese Zusammenschlüsse gibt es eine Reihe von neuen beziehungsweise veränderten Erfolgsfaktoren, so der Autor. Der reibungslose Ablauf der technischen Fusion ist längst zum Hygienefaktor geworden. Weit mehr als früher hat der Erfolg von Fusionen heute mit Themen wie Führung, Personal und Kunden zu tun. Red.

Die Treiber für Fusionen ändern sich im Lauf der Zeit. Die Fusionsdynamik steigt derzeit aufgrund regulatorischer Erfordernisse und unter dem Eindruck der weiter sinkenden Zinsmargen deutlich an.

Synergieeffekte, Kostenreduktion und Verschlankung sind bei Fusionen bekannte und weiterhin tragende Ziele. Dazu gehört ein klar organisiertes sachlogisches Projektmanagement. Gelungene Fusionsprozesse der jüngeren Zeit zeigen aber deutlich: Die "Sach-Logik" (Technik, Instrumente, Systeme) wird mehr und mehr zum Hygienefaktor, während die "Psycho-Logik" noch stärker als früher über Erfolg und Misserfolg des Zusammenschlusses entscheidet.

Um der neuen Größenordnung gerecht zu werden, reicht handwerkliches, gekonntes Projektmanagement nicht mehr aus. Für Führung und Management ändert sich nicht nur das Organigramm, sondern auch das Rollenverständnis und Zusammenspiel. Das heißt: Der Faktor Mensch ist entscheidend. Ein Beispiel ist die Volksbank Kraichgau Wiesloch-Sinsheim. Durch die Verschmelzung von zwei leistungsstarken Volksbanken im Nordwesten Baden-Württembergs entstand hier ein Institut mit einer aggregierten Bilanzsumme von über drei Milliarden Euro. Um den neuen Größenordnungen gerecht zu werden, reichte bei der Verschmelzung ein rein handwerklich gelungenes Projektmanagement nicht mehr aus.

Projektmanagement und Prozesse

Beim Veränderungsmanagement muss bereits vor der Fusion ein Fahrplan entwickelt werden, der nicht nur die Sachlogik, sondern auch die Prozesse bei den Betroffenen (sowohl intern, als auch extern) klar berücksichtigt. Dies gilt für alle Phasen - von der Initiierung des Zusammenschlusses über Analysen, Strategien und Konzepte bis zur Umsetzung.

Was hiervon wie stark gewichtet wird, hängt von den jeweiligen Banken ab. Patentrezepte lassen sich im Vorfeld nicht ausstellen. Denn das Tagesgeschäft darf unter der Fusion nicht leiden und die Mitarbeiter müssen die Mehrbelastung stemmen können. Kompetenz und Erfahrung sind daher wichtige Voraussetzungen bei der Organisation und Begleitung.

Veränderte Erfolgsfaktoren beachten

Bei der Erarbeitung des Unternehmenskonzeptes muss nicht nur organisatorisch, sondern auch unternehmerisch gedacht werden - das heißt: Kosten und Synergien gegenübergestellt werden, Szenarien sind hochzurechnen und klare Zielwerte sind festzulegen.

Die neuen und veränderten Erfolgsfaktoren haben jedoch - viel mehr als früher - auch mit Themen, wie Führung, Personal und Kunden zu tun.

Wenn man die Fusionsziele bestimmt hat, gilt es, einen klaren Fahrplan mit sachlogischen und psychologischen Meilensteinen festzulegen. Dabei bleibt aus vergangenen Fusionen festzuhalten, dass ersteres häufig gut funktioniert, Wirkungszusammenhänge, die mit dem zweiten Aspekt einhergehen, jedoch des Öfteren weniger professionell gehandhabt werden. Eine professionelle Kommunikation nach innen und außen sollte die Fusion von Beginn an begleiten. Unterschiedliche Akteure - vom Kunden über den Aufsichtsrat bei hin zu Lokalpolitikern - gilt es dabei von Beginn an mitzunehmen. Dabei sollte nichts dem Zufall überlassen werden und das "Wer bespricht wann was mit wem" muss geklärt und optimal vorbereitet sein.

Integrationsprozess für die Mitarbeiter nicht vernachlässigen

Nicht vernachlässigen sollte man den Integrationsprozess für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich später mit der zu wesentlich größeren Bank identifizieren (können) müssen. Für die Mitarbeiter wichtig ist es, ein Raumkonzept zeitnah zu entwickeln und früh vorzustellen. Wo arbeite ich in Zukunft? Ändert sich mein Umfeld? Diese Fragen sind zutiefst menschlich und zudem absolut berechtigt, daher sollte man hier keine Ängste aufkommen lassen.

Zudem gilt es, Führungspositionen in spe früh zu besetzen und nur gezielt auszuschreiben. Denn wer bereits im Vorfeld schon über den Auswahlprozess an sich viele "Verlierer" produziert, erzeugt negative Stimmung. Motivierender ist es, andere Vorgehensweisen zu wählen und gegebenenfalls mit Übergangsoptionen zu arbeiten. Dies zählt zu den psychologischen Faktoren, ebenso wie die Ausbildung neuer Kompetenzen.

Führungsstrukturen anpassen

Die Führungs- und Managementkompetenzen sind auf die neue Größe und das Niveau der fusionierten Regionalbank anzupassen. Das altbewährte "Meisterprinzip" - einer macht vor, die anderen nach oder mit - lässt sich heute nicht mehr praktizieren. Führungsstrukturen, -methoden und -instrumente, Abläufe und Kommunikation haben der neuen Größenordnung Rechnung zu tragen und den in der Regel deutlich veränderten Anforderungen gerecht zu werden.

Höchste Management- und Führungskompetenz ist auf der ersten und zweiten sowie auf der (heute teilweise erst neu zu schaffenden) dritten Führungsebene notwendig. Gezielt kann ein Prozess der Führungs- und Managemententwicklung bereits bei der Fusion die Voraussetzungen schaffen, Führungskräfte in ihre künftigen Managementrollen wachsen zu lassen.

Diese Managementrollen sind in der Regel deutlich anspruchsvoller und komplexer als in den kleineren Altinstituten. Dazu gehört auch, dass sich nicht nur die Führungskräfte in anderen Rollenprofilen bewegen, sondern auch ganz bewusst die Vorstände mit ihrer künftigen Arbeitsweise und den Themen, die stärker delegiert werden müssen, auseinandersetzt.

Neue Dimensionen

Man muss sich die neuen Dimensionen noch einmal vor Augen führen: Es entstehen Institute mit mehreren Dutzend Filialen, Hunderten von Mitarbeitern und Milliarden-Bilanzsummen. Diese sind in ländlichen Gegenden wichtige Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler. Daher sind die Fusionen für die beteiligten Institute und ihre Kunden, die regionale Wirtschaft ebenso wie Privatleute, wichtige und genau beobachtete Zukunftsprojekte. Durch ihre neue Größe sind Genossenschaftsbanken in der Lage, höhere Risiken und wachsende gesetzliche Auflagen zu stemmen. Auf der anderen Seite droht, wie einige Beispiele zeigen, durch die neue Größe der Verlust von Kundennähe und Vertriebsstärke.

Um dem gegenzuwirken, braucht es eine andere Vertriebsorganisation: von der alten Zentralität zu mehr Dezentralität, wodurch Verantwortungen neu, auf mehr Schultern verteilt werden. Zudem spielt die Motivation, die auf der Identifikation mit der neuen Bank fußt und ein Resultat der Prozesse auf der sachlogischen und auf der psychologischen Ebene ist, eine wichtige Rolle.

Keine Fusion wird danach beurteilt, ob die technische Fusion reibungslos verlaufen ist - dies ist als Hygienefaktor vorauszusetzen. Vielmehr ist auch im Rückblick entscheidend, in welcher Stimmung der Prozess für alle Beteiligten ablief und wie sehr die erfolgreiche Berücksichtigung der psychologischen Faktoren erfolgstreibende Faktoren genutzt und erfolgsverhindernde Faktoren gezielt minimiert hat.

Um als genossenschaftliche Regionalbank erfolgreich und attraktiv zu sein, müssen Mitarbeiter und Kunden diese weiterhin als "ihre Volksbank" oder "ihre Raiffeisenbank" empfinden ... und stets beantworten können: Was haben Kunden und Mitarbeiter von der Fusion?

Zum Autor

Thomas Stegmüller, Geschäftsführer, compentus/ gmbh, Stuttgart.

Sieben Erfolgsfaktoren für Fusionen

1. Frühzeitig Unternehmenskonzept, Zielorganisation und Managementstruktur finden.2. Professionelle Kommunikation nach innen und außen (Zielgruppen, Zeitplan).3. Führungsposition in spe früh besetzen und nur gezielt ausschreiben.4. Raumkonzept zeitnah entwickeln und früh vorstellen.5. Klarer Fahrplan mit sachlogischen und psychologischen Meilensteinen.6. Führungs- und Managementkompetenz an neue Größe der fusionierten Regionalbank anpassen.7. Kulturelle Integration: Alle Mitarbeiter mitnehmen, nicht nur die technisch unmittelbar beteiligten Führungskräfte.

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