Finanzberatung

Überregulierung der Finanzvermittlung führt zu Altersarmut

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In vielen Ländern stehen die Rentensysteme vor dem gleichen demografischen Problem wie das deutsche. Anstatt private Vorsorge zu fördern, diskreditiert der Gesetzgeber jedoch durch immer neue Regulierung den Berufsstand des Finanzvermittlers, kritisiert Michael Rentmeister. Und Verbraucherschutzmaßnahmen engen den Spielraum immer weiter ein und nehmen dem Verbraucher damit die Sparmotivation. Rentmeister fordert deshalb den Stopp aller neuen Regulierungsmaßnahmen, die Abschaffung der verschiedenen staatlichen Fördermaßnahmen und stattdessen eine einheitliche Förderung der Altersvorsorge über Steuervorteile. Red.

Der OECD-Rentenausblick malt regelmäßig ein düsteres Bild: Die meisten Länder müssten eigentlich ihre staatlichen Rentenzusagen kontinuierlich kürzen, um die finanzielle Tragfähigkeit ihrer Rentensysteme zu gewährleisten. Die Gründe sind hinlänglich bekannt: Der tief greifende demografische Wandel in Europa und die sinkende finanzielle Handlungsunfähigkeit der Staaten aufgrund faktischer Überschuldung.

Im Durchschnitt der OECD-Länder können Personen, die heute zu arbeiten beginnen, im Ruhestand künftig eine staatliche Nettorente in Höhe von maximal der Hälfte ihres durchschnittlichen Nettoverdienstes erwarten. Aber nur dann, wenn sie nach einer vollständigen Erwerbsbiografie im Regelrentenalter in den Ruhestand gehen. Dies schaffen leider die Wenigsten.

Insgesamt droht damit eine alarmierende Rentenlücke. Die Gefahr der Altersarmut steigt für große Teile der Bevölkerung. Betroffen sind dabei nicht nur Geringverdiener und Menschen mit schlechter Ausbildung. Gerade die gut ausgebildete sogenannte Mittelschicht - insgesamt also 80 bis 90 Prozent aller Europäer - ist betroffen.

Richtig und konsequent wäre es, die Sozial- und Rentensysteme mit notwendigen Einschnitten nachhaltig zu reformieren. Stattdessen werden immer mehr Gesetze verabschiedet, die den Verbrauchern immer mehr ihre eigene Sparmotivation nehmen. Gleichzeitig muss die Politik die Versicherungsgesellschaften vor den Folgen der katastrophalen Niedrigzinspolitik schützen. Damit wird die private Vorsorge durch fehlende Beratungskapazitäten weiter belastet. Dass vieles unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes geschieht, ist zwar populär, aber ordnungspolitisch höchst bedenklich, tatsächlich teuer für den Verbraucher und am Ende nachteilig für die Volkswirtschaft.

Provisionsberatung ist die sozial gerechteste Form der Finanzberatung

Leider ist die Erkenntnis nicht besonders verbreitet, dass Finanzvermittler mit existenzsichernder themenübergreifender Beratung den Menschen täglich Hilfestellung geben - insbesondere im komplizierten "Dschungel" der eigenverantwortlichen Altersvorsorge. Sie erzeugen bei den Menschen Sparmotivation und sind oft auch Überbringer unangenehmer Wahrheiten, da sie - wenn nötig - auch zu Konsumverzicht ermutigen.

Provisionsberatung, die in Deutschland eine lange Tradition hat und auch in anderen Branchen wie der Automobilbranche ein oft praktiziertes Vergütungsmodell ist, stellt die sozial gerechteste Form der Finanzberatung dar. Kunden, die aufgrund ihrer persönlichen Situation einen hohen Vorsorgebedarf haben, zahlen mehr als Kunden, die zum Beispiel nur eine kleine Alltagsabsicherung wie eine Haftpflichtversicherung tätigen. Provisionsberatung ermöglicht also allen den Zugang zu bezahlbarem Rat und schließt eine beständige Betreuung durch den Berater sowie Serviceleistungen und Unterstützung im Schadensfall zusätzlich ein.

Hinzu kommt, dass Verbraucher im Allgemeinen nicht bereit sind, für eine Honorarberatung zu zahlen, wie regelmäßige Umfragen ergeben.

Finanzvermittlung ist eine gesellschaftliche Aufgabe

Die meisten Menschen in Europa wissen grundsätzlich, dass sie einen hohen Bedarf an privater Altersvorsorge haben. Im Gegensatz zum Konsumverhalten ist es ihnen jedoch kein Bedürfnis, 40 Jahre vorauszudenken und sich Gedanken zu machen, was passiert, wenn man endlich in Rente geht. Vorsorgeprodukte sind "Low Interest Products" und sehr komplex. Und die Tatsache, dass Vorsorgeprodukte nicht "anfassbar" sind, stellt eine zusätzliche Hürde dar.

Frühere Regulierungsvorbilder wie Großbritannien sind längst als Länder mit weiter steigender Versorgungslücke entlarvt und glücklicherweise kein Vorbild mehr für europäische Regulierungsvorhaben. Dies ist gut so und wird zum Beispiel auch der tatsächlichen Situation in Deutschland gerecht, wie dies der "Altersvorsorgereport Deutschland 2014" deutlich belegt:

- Knapp die Hälfte der Deutschen hat Angst, im Alter am Existenzminimum leben zu müssen.

- Nur 30 Prozent halten ihre Rentenansprüche für ausreichend.

- Zugleich ignoriert über ein Viertel der Bürger das Thema Altersvorsorge komplett.

- Nur 27 Prozent sind bereit, sich zugunsten der Vorsorge heute einzuschränken.

- Lediglich die Hälfte der Bundesbürger hat schon einmal eine Beratung in Sachen Altersvorsorge in Anspruch genommen.

Eine beängstigende Situation, die weitreichende Folgen - insbesondere für die Befragten selbst - mit sich bringen wird.

Aus den genannten Aspekten lässt sich die wichtige Rolle der Finanzvermittler in Europa ableiten. Wenn Menschen beraten werden und in diesem Moment verstehen, dass sie mit privater Vorsorge ihre Probleme tatsächlich individuell lösen können, dann tun sie es auch.

Finanzvermittlung ist also eine gesellschaftliche Aufgabe und Finanzvermittler erfüllen einen sozialpolitischen Auftrag, an dem die Staaten längst gescheitert sind. Deshalb muss diese Dienstleistung auch weiterhin angemessen vergütet werden. Es verbieten sich daher staatliche Eingriffe in die freie Preisfindung.

Berufsbild des Vermittlers nicht weiter diskreditieren

Durch ständig neue Ideen und Diskussionen - die oft die mangelnde Sachkunde auch noch offenlegen - und eine mittlerweile erwiesenermaßen zum Teil kontraproduktive direkte oder indirekte staatliche Regulierung der Finanzvermittlerbranche führen eben nicht zur notwendigen gesellschaftlichen Aufwertung dieser Tätigkeit.

Überregulierung im Bereich der Finanzvermittlung führt nicht nur zu mehr Bürokratie, höherer Komplexität und zusätzlichen Kosten. Sie konterkariert vor allem die Sparmotivation der Menschen weiter.

Und aufgrund der zwingend notwendigen, eigenverantwortlichen Vorsorge der Bevölkerung gibt es in jedem europäischen Land viel zu wenige Finanzvermittler. Deshalb muss jegliche Regulierung gestoppt werden, die den Beruf des Finanzvermittlers wirtschaftlich noch unattraktiver macht und das Berufsbild unsachlich diskreditiert.

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht

Damit meinen wir nicht ein "einfach weiter so wie bisher". OVB befürwortet und unterstützt ausdrücklich alle sinnvollen Initiativen, die zu mehr Transparenz für den Verbraucher führen und sieht darin die große Chance, die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Finanzvermittlers deutlich zu machen, damit sein Bild in der Öffentlichkeit nachhaltig verbessert wird.

Hierzu zählen eine verpflichtende Beratungsdokumentation, die bei OVB bereits seit 1995 Standard ist, und endlich einheitliche standardisierte Produktinformationen ohne werblichen Schnickschnack, mittels derer die auch von Verbraucherschützern häufig kritisierte Informationsasymmetrie zwischen Produktgeber einerseits sowie Vermittlern und Kunden andererseits aufgehoben wird. Dass gerade bei Produktinformationen einfache Lösungen möglich sind, beweisen bereits Länder wie Ungarn oder Polen.

Die Offenlegung von Provisionen zusätzlich zur Kostentransparenz stellt hingegen keine sinnvolle zusätzliche Information für den Verbraucher dar, weil sie die günstigere produktgeberunabhängige Beratung benachteiligt; sie wurde richtigerweise mit dem Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) in Deutschland nicht eingeführt. Richtigerweise wurde der ordnungspolitische Sündenfall der Regulierung von Provisionen wie in der privaten Krankenversicherung nicht wiederholt.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass viele Regulierungsvorschläge auf den Tisch kommen, die am Ende nur zu einer für den Verbraucher nachteiligen Konzentration führen würden. Besonders problematisch ist die Tatsache, dass die bereits bestehende Komplexität dazu führt, dass selbst Fachleute die Wirkungsweisen neuer Gesetze kaum noch abschätzen können. Es mag der Politik nicht an guter Absicht mangeln. Doch gut gemeint und gut gemacht ist nicht dasselbe.

Regulierung nur so viel wie erforderlich

Jurastudenten lernen während ihres Studiums eine Art Faustregel: "Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen". Diese Regel stammt vom französischen Staatstheoretiker Montesquieu und besitzt bemerkenswerte Aktualität.

OVB vertritt europaweit eine einfache und wirkungsvolle Grundhaltung. Unser Ziel: Regulierung nur so viel wie nötig. Ganz auf den Grundwerten der sozialen Marktwirtschaft, die die gesellschaftliche Sicherung nur für diejenigen vorsieht, die sich tatsächlich nicht selbst helfen können. Überregulierung unter dem Begriff Verbraucherschutz oder Chancengleichheit, die die soziale Marktwirtschaft aushebelt, führt zur Staatswirtschaft.

Negativbeispiel Unisex-Tarife bei Versicherungen

OVB kritisiert also Regulierung nicht per se, stellt aber stets die Frage, ob es dem Staat gut tut, zu übersteuern und ob die Folgen von Regulierung tatsächlich gewollt sind? Die Einführung der sogenannten Unisex-Tarife bei Versicherungen zeigt, dass die private Absicherung der Bürger nicht verbessert, sondern letztendlich nur verteuert wurde.

Wenn Unisex-Tarife zur Umsetzung der europäischen Genderpolitik tatsächlich erforderlich waren, bleibt jedoch zu bezweifeln, ob man sich des Preises bewusst war: Weniger Sparmöglichkeiten für die Altersvorsorge oder auch weniger finanzieller Spielraum für Konsum. Beides mit Folgen für jeden Einzelnen und die Volkswirtschaft als Ganzes.

Weitere Regulierung steigert die Gefahr von Altersarmut

Ein Staat, der den Bürgern mehr Verantwortung für die eigene Absicherung im Alter vollkommen zu Recht überträgt, muss sich dabei bewusst sein, dass dazu 30- bis 40-jährige Sparprozesse erforderlich sind. Und er muss den Bürgern Spielraum für ihre eigenen Lebenspläne verschaffen.

Wie will man aber nun eine Situation, die unübersichtlich ist, und in der lieber nach Schuldigen als nach Lösungen gesucht wird, in den Griff bekommen? Wir sind der festen Überzeugung, dass weitere Regulierungen und Gesetze, über den aktuellen Status quo hinaus nur zur weiteren Verschlechterung der Situation beitragen und damit die Gefahr der Altersarmut in Europa verstärken werden.

Europäische Altersvorsorgesysteme neu ausrichten und angleichen

Wir meinen, es muss völlig neu gedacht werden. OVB schlägt dazu eine mehrstufige Neuausrichtung und gleichzeitige Angleichung der europäischen Altersvorsorgesysteme vor:

- Stopp aller noch nicht verabschiedeten Gesetzesvorhaben, die in irgendeiner Form weitere Regeln für Produktgeber und Vermittler beinhalten. Egal ob auf europäischer oder nationaler Ebene. Gleichgültig ob IDD (früher IMD II), neue Überlegungen zur betrieblichen Altersvorsorge in Deutschland oder andere vergleichbare Vorgänge in anderen Ländern.

- Reduzierung der Altersvorsorge auf zwei Säulen: Gesetzliches Umlagesystem und private Altersvorsorge individuell oder kollektiv.

- Abschaffung aller unterschiedlichen staatlichen Subventionen wie Riester, Wohnriester oder Wohnungsbauprämie in allen Ländern - mit Bestandsschutz für bestehende Verträge,

- danach einfache und für Individual- und Kollektivverträge einheitliche Förderung der Altersvorsorge durch Steuervorteile. Altersvorsorge bedeutet dabei ausschließlich Rentenversicherungen.

- Zur Refinanzierung der Steuervorteile die Einsparungen aus dem Bürokratieabbau nutzen, damit mehr Netto vom Brutto bleibt,

- und last, but not least die vollständige Gleichstellung der Beamtenversorgung für die Zukunft.

Mehr Eigenverantwortung und mehr Möglichkeiten

Hierdurch kann Wesentliches erreicht werden: Die Bürger bekommen eine klare Botschaft, dass sie über die Grundsicherung der gesetzlichen Rentensysteme hinaus für die Sicherung des Lebensstandards selbst verantwortlich sind. Aber sie bekommen auch mehr Möglichkeiten.

Es werden nur solche Produktgeber überleben, die wirklich mit guten und transparenten Produkten auf nachhaltige Kundenbeziehungen setzen. Dies führt zu einer qualitativen Angebotsverbesserung.

Ein wirtschaftlich gesundes Vermittlergewerbe ist die unabdingbare Voraussetzung für die notwendige, kundenorientierte und qualifizierte Finanzberatung. Wir werden deshalb nicht müde, deregulierende Ideen zu platzieren und einen Regulierungsstopp zu fordern, statt neue Regulierungsüberlegungen einfach gut zu heißen.

Zum Autor

Michael Rentmeister, CEO, OVB Holding AG, Köln

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