Hängen gelassen

Quelle: pixelio.de

sb - Eigentlich hätte die Altersvorsorge kein Wahlkampfthema werden sollen. Und das aus gutem Grund. Denn das Thema ist viel zu wichtig, um es für den Wahlkampf zu missbrauchen, in dem sich die Parteien gegenseitig mit Versprechungen überbieten, von denen die wenigsten dann tatsächlich Bestand haben werden. Wer hat die für künftige Rentner attraktivsten "Haltelinien"? Wer verspricht Geringverdienern die beste Mindestrente?

Und wer will welche Form der Eigenvorsorge am meisten fördern? Das sind Dinge, mit denen sich im Wahlkampf punkten lässt, die aber nicht alle für die Umsetzung taugen. Dass die große Koalition es bislang nicht geschafft hat, sich zu einem alle drei Säulen der Altersvorsorge umfassenden Gesamtpaket durchzuringen, ist insofern zu bedauern.

Der größte Nachteil daran ist, dass die anhaltende Diskussion und die Unsicherheit darüber, wessen "Wahlgeschenke" es in der kommenden Legislaturperiode wohl geben wird, die ohnehin schwächelnde Vorsorgebereitschaft der Bürger weiterhin lähmt. Solange um Sinn und Unsinn von "Riester" und damit auch um die Zukunft der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge gestritten wird, ist es kaum verwunderlich, dass die Nachfrage stagniert. Und wo die Politik mit "Haltelinien" und (wie auch immer bezeichneten) Mindestrenten um sich wirft, fragt sich mancher, ob Eigeninitiative (die ja immer auch mit Konsumverzicht verbunden ist) überhaupt noch nottut. Vielleicht wird die Versorgungslücke im Alter ja doch nicht so groß, wie es derzeit den Anschein hat? Und womöglich ist am Schluss derjenige, der über Jahre hinweg gespart hat, sogar noch der Dumme, weil er im Alter nicht besser dasteht als jene, die sich ganz auf die sozialen Sicherungssysteme verlassen haben? Hier muss die Politik endlich Klarheit schaffen - und das mit einem möglichst breiten Konsens, damit die Bürger zumindest ein gewisses Vertrauen in die Verlässlichkeit der neuen Rahmenbedingungen (zurück)gewinnen, wenn schon die Niedrigzinsen die Sparbereitschaft lähmen.

Die Kreditwirtschaft hält sich mit diesbezüglichen Forderungen an die Politik sowie konkreteren Wünschen, wohin es in Zukunft gehen sollte, auffällig zurück. Verständlich ist dieses Zögern, sich zu positionieren, allemal. Schließlich steht die Branche ohnehin unter dem Generalverdacht, weitaus mehr die eigenen Interessen im Auge zu haben als die ihrer Kunden. Was immer die Kreditwirtschaft propagiert (womöglich gar noch unter den Verbänden abgestimmt), droht somit schon allein dadurch diskreditiert zu werden. Dennoch: Zumindest die Forderung nach verlässlichen Rahmenbedingungen in Sachen Alterssicherung, wie sie Mario Freis in diesem Heft erhebt, kann gar nicht oft und laut genug wiederholt werden.

Aber derzeit hängen Kundenberater beim Thema Altersvorsorge gewissermaßen in der Luft: Zu Recht verweisen sie darauf, dass gar keine Vorsorge (zumindest bei denjenigen, die eine gesetzliche Rente oberhalb der Grundsicherung erwarten dürfen) in jedem Fall die schlechteste Lösung ist und dass jedes Abwarten mit Blick aufs Alter bares Geld und Lebensstandard kostet. Doch laufen sie immer Gefahr, dass der Kunde letztlich der Beratung die Schuld zuschieben wird, wenn er das Gefühl bekommt, die falsche Entscheidung getroffen zu haben, weil sich die vom Gesetzgeber gesetzten Rahmenbedingungen in eine Richtung entwickelt haben, die nicht optimal zu der gewählten Vorsorgestrategie passt. Kehrt sich die Politik in der nächsten Legislaturperiode womöglich von Riester ab, gilt das vermutlich für manchen, der zuvor noch einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen hat. Kommt gar ein staatlich organisiertes Standardprodukt wie die "Deutschland-Rente" oder der "BürgerInnenfonds", den die Grünen fordern, dann wurde der, der heute ein anderes Vorsorgeprodukt abschließt, in der späteren Betrachtung vielleicht "zum Abschluss gedrängt", damit die Bank oder Sparkasse noch kurz vor "Toreschluss" die Provision kassieren konnte. In einem Umfeld, in dem die Finanzberatung ohnehin mindestens mit Argwohn betrachtet wird, ist das eine außerordentlich missliche Situation.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X