Hartes Leben

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P.O. - Der Alltag und vor allem die Perspektive der Lebensversicherer in Deutschland sind derzeit alles andere als vergnügungssteuerpflichtig. Die Probleme der Assekuranz sind vielfältig. Sie beginnen mit der Marktdurchdringung. Laut Daten des GDV beträgt der gesamte Vertragsbestand an Lebensversicherungen im engeren Sinne aktuell 87,7 Millionen Stück. Bezogen auf die von FMDS ermittelte Zahl von rund 65 Millionen potenziellen Privatkunden in Deutschland heißt das, jeder potenzielle Kunde hat schon knapp 1,5 Verträge.

Wer also ein größeres Stück vom Kuchen abhaben will, muss einem anderen etwas wegnehmen. Das wird trotz der Unzufriedenheit der Kunden mit den Angeboten der Versicherer nicht leichter, denn einerseits wandelt sich das Kundenverhalten, das Internet gewinnt mehr und mehr an Bedeutung auch für den Vertrieb, was kostspielige Investitionen in die Verzahnung der Vertriebswege nach sich zieht. Andererseits wird generell immer weniger gespart. Prognosen gehen davon aus, dass die Sparquote in Deutschland von derzeit noch etwas über neun Prozent bis 2025 auf nur noch sieben Prozent sinken wird.

Eine Rolle spielt hier natürlich die Geldpolitik der EZB mit extremen Niedrigzinsen, die den Menschen die Lust am Sparen verleidet. Die Versicherungsunternehmen trifft das auch ganz direkt, nämlich bei der so wichtigen Kapitalanlage. Die EZB-Geldschwemme sorgt für geringere Risikoaufschläge, fallende Renditen und aufgeblähte Assetpreise. Wie soll noch eine auskömmliche Rendite bei dem vorgeschriebenen Risikoprofil erzielt werden, wenn die Staatsanleihen sich über niedrigste Zinsen freuen, die Spreads bei Pfandbriefen dank der EZB-Käufe auseinanderlaufen und die Preise auf den Immobilienmärkten steigen und steigen? Bleibt die Herausforderung Regulierung: Solvency II stellt auf eine Stärkung der Häuser durch schärfere Eigenkapitalvorschriften ab, das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) senkt den Höchstrechnungszins von 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent, erhöht die Mindestbeteiligung der Versicherten an den Risikoüberschüssen von 75 auf 90 Prozent und senkt den Höchstzillmersatz bei Lebensversicherungen von 40 auf 25 Promille. Auch die Diskussion um die Provisionsoffenlegung ist dank der EU noch längst nicht vom Tisch. Fakt ist: Eine strengere Regelung des Versicherungsvertriebs wird immer konkreter.

Was kann getan werden? Zunächst einmal sind die nahezu natürlichen Reaktionen zu beobachten - Kosten senken. Das hilft sicherlich, ist aber keine dauerhafte Lösung. Erst recht wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Verwaltungskostenquote der Lebensversicherer laut GDV in den vergangenen Jahren schon auf nur noch 2,3 Prozent gesunken ist. Auf der Ertragsseite gilt es, moderne und einfache Produkte zu entwickeln, die dem niedrigen Zinsniveau ebenso gerecht werden wie dem Bedürfnis der Kunden nach Sicherheit, Rendite und Flexibilität. Mehr Transparenz ist sicherlich ein Stichwort mit Blick auf die Kundenunzufriedenheit. Auch müssen Lösungen für die Integration webbasierter Kommunikationskanäle gefunden werden. Vertriebsseitig werden Makler und Bankvertriebe zunehmend Schwierigkeiten haben, ihre Provisionen zu begründen oder den höheren Qualitätsanforderungen zu entsprechen. Gewinner sind Online-Vergleichsportale sowie einige Direktvertriebe, die sich mit einem "provisionsfrei vom Versicherer"-Image positionieren können. Und schließlich: Der Trend zu größeren Vertriebseinheiten wird sich verstärken. Um das Risiko auf der Aktivseite zu begrenzen, könnten vonseiten der Regulatoren mildere Anlagevorschriften mit breiteren Möglichkeiten der Diversifikation erwogen werden. Und auch die Sinnhaftigkeit einer jährlichen Stichtagsbetrachtung von Anlagen, vor allem Wertpapieren, könnte hinterfragt werden, da die durchschnittliche Vertragslaufzeit der Lebensversicherungsverträge 16 Jahre beträgt. Fakt ist, die Lebensversicherung muss sich neu erfinden, will sie selbst das haben, was sie ihren Kunden stets verspricht: eine gute Zukunft.

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