Geldautomatenstreit

Bargeldan der Tankstelle: Zur Kooperation von Postbankund Shell

Echte "Win-Win-Situationen" werden in der Praxis nur selten erreicht, dafür aber umso öfter behauptet. Aus einer innovativen Kooperation im Bereich Finanzdienstleistungen & Retail gehen jetzt aber mindestens zwei Gewinner hervor: Kunden der Postbank und Kunden von Shell. Denn: Autofahrer, die ihren Bargeldbestand schnell und kostengünstig "auftanken" wollen, haben dazu jetzt eine in Deutschland bislang einzigartige Möglichkeit: An der Kasse von Shell-Tankstellen können sie Bargeld während der gesamten Öffnungszeiten erhalten - und das kostenlos, wenn sie Kunden der Postbank sind.

Auch für die Tankstellen ergeben sich bei dieser wegweisenden Kooperation erhebliche Service-, Sicherheits- und Gebührenvorteile, die an 1 300 Shell Tankstellen bis Mitte 2010 bundesweit komplett umgesetzt werden soll. "Win-Win-Win" müsste das Ergebnis daher eigentlich sogar heißen.

Für die Postbank ist dieses Angebot ein weiterer Meilenstein zur Verbesserung des Serviceangebots für ihre Kunden. Diese können bisher in über 850 Postbank Finanzcentern sowie in den mehreren Tausend Filialen der Deutschen Post und an den über 7 000 weiteren Geldautomaten der zur Cash Group gehörenden Geldinstitute kostenfrei Geld abheben - also bei der Commerzbank, der Deutschen Bank, der Dresdner Bank und der Hypovereinsbank.

Ziel der Postbank ist es darüber hinaus, noch vorhandene weiße Flecken in Sachen Bargeldversorgung auf der Landkar te auszufüllen. Denn häufig befinden sich die Filialen und Geldautomaten in den Innenstadtlagen der Gemeinden und Städte - und nicht in städtischen Randlagen und an Ausfallstraßen, wo Tankstellen mehrheitlich angesiedelt sind. Die Standorte ergänzen sich also in der Regel ideal - und so gibt es letztlich sogar eine "4-Win-Situation" im Finanzdienstleistungs- und Retail-Bereich.

Vom ZKA zugelassen

Aktuell sind bereits über 250 Tankstellen auf die neue Technologie umgestellt, beispielsweise Shell-Stationen in Hamburg, Berlin, Bonn, München, Düsseldorf, Wiesbaden, Bremen und Stuttgart. In ersten Reaktionen nennen Kunden dabei auch ganz praktische Vorteile: Zum einen entfällt die lästige Parkplatzsuche, wenn "auf die Schnelle" Geld abgehoben werden soll. Der Begriff des One-Stop-Shopping bekommt hier eine weitere Bedeutung.

Zum Zweiten liefert die Kooperation mit Shell auch einen anderen Vorteil: Das Shell Markenzeichen ist künftig ein weiteres Hinweisschild für die Bargeldversorgung in Deutschland. Und es gibt wahrscheinlich kaum ein vergleichbar prominentes Zeichen im Geldautomatenbereich, das schon von weitem so gut sichtbar ist.

Postbank, Shell und der Technikpartner Wincor Nixdorf nehmen mit ihrer Kooperation eine Vorreiterrolle in Deutschland ein. Dies ist umso bedeutsamer, weil sich die Bargeldbeschaffung in Deutschland in den kommenden Jahren grundlegend ändern wird: Bankkunden versorgen sich nicht nur dann mit Bargeld, wenn sie die Filiale einer Bank besuchen. Sie wollen an möglichst vielen Orten und vor allem dort, wo sie auch einkaufen oder Dienstleistungen nutzen, an Bargeld kommen können. Nach einer Umfrage von Management Engineers im Auftrag von Shell im Jahr 2007 wünscht sich die Mehrheit der Deutschen - exakt 56 Prozent - eine Möglichkeit zum Bargeld-Tanken am "Point of Sale".

Die Postbank-Kunden haben diese Chance jetzt bei Shell. Dieser Service steht in der Startphase zunächst den etwa 7,5 Millionen Girokonto- und Spar-Card-Inhabern zur Verfügung, diese benötigen dafür nur ihre persönliche Geheimzahl (siehe auch Grafik auf dieser Seite). Das System ist durch den zentralen Kreditausschuss ZKA zugelassen, sodass ab November 2009 auch Kunden aller anderen Banken dort Bargeld erhalten können - je nach Institut werden dort wie bei Geldautomaten unterschiedliche Entgelte erhoben. Auch sind weitere Services, wie das Aufladen von Prepaid-Karten in der Diskussion.

Bargeld-Versorgung und Bezahlfunktion verschmelzen

Technisch umgesetzt wird das neue System vom Projektpartner der Postbank, Wincor Nixdorf. Dessen ICM-System (Integrated Cash Management System) steht jetzt auch an den Shell Tankstellen zur Verfügung. Vor allem in Sachen Automatisierung ist die neue Kooperation innovativ und richtungweisend. Bei dem Projekt werden die Funktion des Geldabhebens und die bisherige Bezahlfunktion miteinander verschmolzen. Über das von Wincor Nixdorf gelieferte System wird nämlich auch die Bezahlung der Tankstel-len-Leistungen abgewickelt.

Das vom Kunden übergebene Bargeld wird gezählt, auf Echtheit überprüft und sicher abgelegt. Dabei befindet sich das Banknoten-Modul "iCASH 50" hinter dem Tresen, also beim Kassierer. Der steckt die Scheine in das entsprechende Fach. Das Münz-Modul "iCASH 15" ist hingegen vor dem Tresen zum Kunden ausgerichtet. Dieser - oder auch der Kassierer selbst - können hier Münzen eingeben. An der gleichen Stelle wird das Münz-Wechselgeld ausgegeben, ganz bequem für den Kunden.

Fehleranfällige Handarbeit wird automatisiert

Bislang sind der Einkauf im Handel und die damit verbundene Ausgabe des Wechselgeldes aufwendige und daher fehleranfällige Vorgänge. Bei diesem Vorgang passieren nicht selten Fehler, sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Kunden.

Problematisch ist auch die Kassenüber gabe bei jedem Schichtwechsel. Normalerweise müsste das Geld dann nach dem Vier-Augen-Prinzip von beiden Mitarbeitern gemeinsam und genau gezählt werden. Doch das entfällt in der Arbeitshektik meist, sodass Fehler am Ende gar nicht mehr nachvollziehbar und damit auch nicht mehr analysierbar sind. Vor allem im Tankstellenbereich mit einer knappen Personalbesetzung und vielen Teilzeitbeschäftigten ist diese Schwierigkeit bisher kaum zufriedenstellend lösbar.

Hier schafft die neue Technik Abhilfe: Das System selbst gibt das Wechselgeld automatisch heraus. Das Ganze schnell und sicher. Der Kassierer kann sich ausschließlich auf den Kunden konzentrieren. Somit bietet die Kooperation nicht nur zahlreiche Vorteile für Kunden und die Postbank, sondern auch für die Betreiber der Tankstellen.

Deutlich verbesserter Schutz vor Raubüberfällen und Falschgeld

Hinzu kommt, dass ein Großteil des eingenommenen Bargelds bisher sortiert, verpackt, verbucht und zur Bank gebracht werden musste. Dort landete es im Nachttresor. Dieses Handling reduziert sich zukünftig deutlich, da die Bargeldmenge in den Tankstellen durch Barauszahlungen an Kunden deutlich sinkt.

Das neue System bietet ein Höchstmaß an Schutz für Tankstellen-Pächter und deren Mitarbeiter gegen Raubüberfälle. Bar geld ist an Shell-Tankstellen künftig nicht mehr zugänglich, sondern nur noch in verschlossenen Tresoren eingelagert. Es gibt keine Münzen und Scheine in einer Kassenschublade, das Wechselgeld wird automatisch von dem neuen System gezählt und herausgegeben.

Der Kassenautomat ist mit einem 500 Kilogramm schweren Tresor verbunden. Dieser wiederum ist fest im Boden des Tankstellenshops verankert. Ein Diebstahl ist somit nicht möglich. Auch in Sachen Falschgeld sinkt das Risiko drastisch, da die Echtheitsprüfung der Noten nicht mehr durch den Tankstellen-Mitarbeiter, sondern - bei jedem Schein - durch einen vollautomatischen Prüfvorgang erfolgt.

20 Prozent Einsparvolumen beim Bargeldhandling

Die Nachfrage nach einer möglichst flächendeckenden Versorgung mit Bargeld ist und bleibt in Deutschland hoch. Dies zeigt auch das Einkaufsverhalten der Konsumenten. Kunden zahlen im Geschäft oder an der Tankstelle weiterhin bevorzugt mit Scheinen und Münzen, bei acht von zehn Einkäufen und bei fast zwei Drittel der Umsätze. Und alle Untersuchungen belegen: Die Mentalität der Deutschen in dieser Frage scheint so fest gefügt, dass hier auch keine rasche, durchgreifende Veränderung in Richtung der US-Gewohnheiten zu erwarten ist. Dort besitzt jeder US-Bürger im Schnitt sechs Kreditkarten und fast bei jedem Einkauf wird eine Kar te auf den Verkaufstresen gelegt.

Somit werden sich in Deutschland auch die damit verbundenen Kosten absehbar nicht reduzieren. In Europa kostet das Bargeldhandling jährlich 50 Milliarden Euro. Erfahrungsgemäß entfallen davon etwa zwei Drittel auf die Handelsunternehmen selbst und ein Drittel auf die Banken. So ist das auch in Deutschland, wo die Kosten auf 11,9 Milliarden Euro beziffert werden. Die Handelsunternehmen übernehmen davon 7,4 Milliarden Euro, die Banken 3,9 Milliarden Euro.

Dass die hohen Kosten beim Bargeldhandling durch mehr Technisierung und Automation reduziert werden können, zeigt die Postbank-Shell-Kooperation. Effizienter und transparenter werden die Prozesse auch, da die Software Bargeldabhebungen autorisiert und damit auch gleichzeitig Informationen liefert, beispielsweise über die aktuellen Bargeldbestände. So sind zu jeder Zeit ausreichend Scheine und Münzen verfügbar. Referenzkunden des Technikpartners Wincor Nixdorf konnten rund 20 Prozent der bisherigen Kosten sparen.

Zustimmung durch die Verbraucherschützer

Diese Verbesserung ist möglich, weil Wincor Nixdorf in diesem beispielhaften Projekt Technologien aus seinen beiden Kompetenzgebieten zu einer maßgeschneiderten Lösung für eine Retailbank und ein Tankstellenunternehmen kombinieren konnte. Die Postbank-Shell-Kooperation wird deshalb voraussichtlich auch Vorbild für viele andere Unternehmen sein. Wincor Nixdorf sieht für Lösungen zur Automatisierung des Umgangs mit Bargeld weltweit großes Potenzial bei Banken und Handel.

Auch Datenschutzbestimmungen werden genau eingehalten. Der ganze Vorgang des Geldabhebens findet statt, ohne dass der Kassierer der Tankstelle etwas von den sensiblen Kundendaten (etwa Kontostand oder Dispositionskredit) erfährt. Alle Transaktionen werden online autorisiert. Dieser korrekte Umgang mit persönlichen Daten war eine Grundvoraussetzung für die Umsetzung dieses Modells. Die Verbraucher schützer haben deshalb ebenfalls keine Einwände gegen die neue Art der Bargeldversorgung. Im Gegenteil, da die Abläufe jetzt viel sicherer sind und zudem bequemer für den Kunden, unterstützen sie das System.

Auch ansonsten bleiben die Regelungen für das Abheben von Bargeld unverändert gegenüber dem Geldautomaten oder der Filiale. Kunden der Postbank können beispielsweise bis zu 1 000 Euro täglich abheben.

Kundenfreundlicher als Cash-Back

Damit bietet die Postbank durch die Kooperation mit Shell auch einen besseren Service in Sachen Bargeldversorgung als diverse Supermarktketten. Deren Modell hat einen ähnlichen Ansatz, geht aber bei weitem nicht so konsequent auf die Bedürfnisse der Kunden ein und vernachlässigt viele weitere Verbesserungsmöglichkeiten.

Ein weiterer erheblicher Vorteil bei der Postbank-Shell Kooperation sind die besonders langen Öffnungszeiten der Tankstellen - vielerorts rund um die Uhr -, sowie die in der Regel sehr verkehrsgünstig liegenden Standorte. Die Postbank geht davon aus, dass sich dieser Service durch eine noch engere Kundenbindung auszahlt. Auch strebt sie in diesem Marktsegment eine klare Vorreiterrolle und Marktführerschaft in Deutschland an. Und das, obwohl zu erwarten ist, dass Mitbewerber ähnliche Systeme in Betrieb nehmen werden. Das zeigen auch die Erfahrungen im europäischen Ausland.

Die Tankstelle ist ein idealer Partner, um das Bargeldabheben konsequent auf den Handel auszuweiten. Autofahrer haben sich daran gewöhnt, in Tankstellen nicht nur Benzin zu kaufen, sondern auch andere Produkte und Dienstleistungen. Da ist das Bargeldangebot nur eine konsequente Fortentwicklung. Das vielfältige Sortiment in den Tankstellenshops soll ebenfalls dazu führen, dass die Kunden beim Bar geldabheben weitere Leistungen der Tankstelle nutzen. So ist es für den Post- bank-Kooperationspartner Shell eine gute Chance, weiteren Umsatz zu generieren.

Lösung im Streit um die GAA-Konditionen

Diese deutliche Erweiterung der Möglichkeiten für die kostenlose Bargeldversor gung macht auch strategisch absolut Sinn, wie die derzeit heftigen Auseinandersetzungen über die Gebühren am Geldautomaten zwischen Filial- und Direktbanken zeigen. Einige Filialinstitute "sperren" Kunden von Direktbanken bereits von ihren Geldautomaten aus. Ein Umstand, den aktuell erste Banken vor Gericht austragen und entscheiden lassen.

Viele Bankenexperten gehen davon aus, dass in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten und angesichts zunehmend ähnlicher Produkte und Konditionen der Kampf um den Kunden weiter zunimmt und damit auch der Gebührenstreit am Geldautomaten. Umso wichtiger ist es, dass Banken ihren Kunden eine möglichst optimale Versorgung in Sachen kostenloser Bargeldversorgung bieten. Und da ist die Postbank-Kooperation mit Shell ein ganz entscheidender Beitrag, um die eigenen Kunden unabhängig von solchen Entwicklungen und Auseinandersetzungen zu machen.

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