Geldautomatenstreit

Bargeldbeschaffungim Umbruch: Abwehrstrategien statt Innovation

Am Markt für Bargeldauszahlungen (der heute von Geldautomaten dominiert wird), ist die gegenwärtige Situation durch mehrere Faktoren bestimmt und gekennzeichnet:

Wegfall der Vereinbarungen hinsichtlich ec-/Girocard-Abhebungen am Geldautomaten1) und verstärkter Ausbau gruppeninterner Netze und Entgelte (seit Ende der neunziger Jahre);

Verantwortlichkeit der Kreditinstitute, ihren Kunden im Rahmen des Preismodells die Gebühren aus Geldautomatenverfügungen feststehend zu benennen, unabhängig von den der Bank berechneten Gebühren (EU-Verordnung 2560/2001);

Kontomodelle der Direktbanken, die ihren Kunden die Möglichkeit der regionalen/örtlichen Bargeldbeschaffung bieten möchten;

sowie feststehende Gebühren und Regelungen im Kreditkartenbereich, die attraktive Kontenmodelle möglich und kalkulierbar machen.

Dazu tritt die Konkurrenz gegenüber Bar geldverfügungen durch Bewerbung von Kartenzahlungen insbesondere mit Hilfe von Bonusmodellen wie Miles & More oder Payback.

Preisspirale für Fremdverfügungen

Aus den ersten beiden Punkten ergab sich eine steigende Gebühr für Geldautomaten-Abhebungen an fremden Automaten. Dieses resultiert aus der kaufmännischen Überlegung, keine negativen Provisionsergebnisse erzielen zu wollen, und somit gegenüber den eigenen Kunden eine Gebühr zu berechnen, die mindestens der der Wettbewerber entsprach (was bei den Instituten, die niedrigere Preise verlangten, zum "Nachziehen" bei den Gebühren führte).

Hier setzt sich eine Preisspirale in Gang, die letztlich Bargeldverfügungen unattraktiv machen wird. Die Preise, welche die Kreditinstitute von ihren Kunden verlangen, werden immer anziehen, da negative Provisionsergebnisse in diesem Bereich nicht akzeptiert werden. Als Beispiel sei hier eine Bank genannt, welche aufgrund der negativen Ergebnisse im dem Bereich der Geldautomatengebühren die Kundenverfügungen untersuchte. Dabei stellte diese Bank in einem Extremfall bei einem studentischen Kunden bei einer Abhebung von 15 Euro fest, dass eine Gebühr von 25 Euro berechnet wurde, mithin 167 Prozent des Verfügungsbetrages.

Ein weiterer Aspekt ist die Abwehr von Fremdkunden und das Bemühen, die eigenen Kunden an die jeweilige Organisation zu binden. Nicht zuletzt nutzen insbesondere Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken in Großstädten und beliebten touristischen Zielen die Möglichkeit, durch eine höhere Gebühr gegenüber or ganisationsfremden Instituten zusätzliche Provisionen zu erzielen oder aber sich nicht an organisationseigene Modelle anzuschließen (siehe Kasten).

Maximal fünf Prozent organisationsfremde Nutzer

Auswertungen belegen, dass die Quote der Fremdverfügungen am Geldautomaten durchschnittlich fünf bis zehn Prozent beträgt. Hierin sind jedoch die organisationseigenen Institute enthalten.2) Somit kann als sicher angesehen werden, dass die Quote der organisationsfremden Nutzer mit hoher Wahrscheinlichkeit bei maximal fünf Prozent liegt.

Leider liegen zur Fragestellung, inwieweit dieses Kunden von Direktbanken sind (ING-Diba, DKB-Deutsche Kreditbank AG, 1822direkt), zurzeit keine aktuellen Untersuchungen vor. Mittlerweile erreicht zum Beispiel die ING-Diba mit rund 1 100 Geldautomaten deutschlandweit eine nennenswerte Eigenversorgung ihrer Kunden.

Durch die stark gestiegenen Gebühren für Abhebungen mittels ec/Girocard wurden die bisher relativ teu- ren Verfügungen über Kreditkarten relativ günstig. Zudem sind die Gebühren und Regelungen für Bargeldauszahlungen mittels Kreditkarten weiterhin vorgegeben und mithin für die Institute im Gegensatz zu den ihnen belasteten Gebühren aus ec-Karten-Verfügungen auch kalkulierbar.

Diesen Umstand nutzte zum Beispiel die DKB aus, die von ihrem ur sprünglichen Modell der kostenfreien Abhebung an allen deutschen Geldautomaten mittels ec-Karte sogar zur weltweiten für den Kunden kostenlosen Bargeldverfügung mittels Visa-Karte übergegangen ist.

Sicher spielt bei den Überlegungen dieser Direktbank auch die Tatsache mit, dass eine derart genutzte Kreditkarte auch zunehmend als Bezahlkar te bei Einkäufen genutzt wird, und damit zusätzliche Erlöse generiert. Diese sind zudem signifikant höher als bei ec-Kar tenverfügungen3) und helfen, die internen Kosten des Modells zumindest zum Teil zu kompensieren. Verstärkend positiv wirkt sich dabei aus, dass Kreditkarten zunehmend auch im klassischen Handel, etwa bei Supermärkten, akzeptiert werden und die Einsatzmöglichkeit der Kreditkar te sich immer mehr der der ec-Karte annähert.

Der verstärkte Konkurrenzdruck durch Direktbanken, die zunehmende Verbreitung der Kreditkartenakzeptanz und die Entwicklung innovativer Modelle im Rahmen bestehender vertraglicher Möglichkeiten haben dazu geführt, dass sich insbesondere Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken verstärkt darüber Gedanken machen, wie sie Karten organisationsfremder Kunden abwehren können. Die Sparkassen sperrten Visakartenverfügungen, was Gerichtsentscheide gegen die jeweiligen Sparkassen nach sich zog4), teilweise kündigten Sparkassen ihre Visa-Verträge.

Filial- contra Direktbanken: Abwehrschlacht am Geldautomaten

Die Volksbanken nutzten einen Passus in den Bestimmungen des Vertrages, der ihnen erlaubt, nur an einem einzigen Geldautomaten Visa-Karten zu akzeptieren, ohne den bestehenden Vertrag zu verletzten und somit die Herausgabe eigener Visa-Karten zu gefährden. Dem Autor ist eine Bank bekannt, die gezielt nach dem Automaten einer entlegenen Filiale mit den geringsten Vi-sa-Kartenumsätzen suchte, um nur diesen Automaten offen zu halten.

Kennzeichnend für diese Situation ist gerade bei den regional verankerten Instituten das Bestreben nach Abwehr von Fremdkunden, die als Bedrohung für das eigene (Provisions- und Kunden-)Geschäft gesehen werden. Diese Tendenz wurde bereits vor fünf Jahren erkannt und kritisiert. So wies Hammer in einem Beitrag darauf hin, dass der Preisaushang sich" ... liest [...] wie die Liste aller persönlichen Feinde des Bankvorstands".5)

Fremdabhebergebühren sind ein Zusatznutzen

Die Institute, insbesondere bei Filialbanken, führen hier stets hohe Investitions- und Betriebskosten für ihr Geldautomatennetz an. Daher sollte der Blick kurz auf die wesentlichen Gründe für die Entscheidung zur Aufstellung von Geldautomaten gelenkt werden.

Einsparpotenzial eines Geldausgabeautomaten durch: Wegfall der Kassen, Personaleinsparung beziehungsweise Freisetzen von Beratungspotenzial und Schutz vor Beraubung,

Unabhängigkeit von Öffnungszeiten (24-h-Betrieb), Erhöhung der allgemeinen Servicequalität und Kundenzufriedenheit,

Automatisierung und Wegfall von Dispositionsvorgängen (mittels kartengesteuerten Verfügungslimiten).

Das Erzielen von Provisionseinnahmen zählt nicht hierzu. Dieses kann insbesondere unter dem Gesichtspunkt festgestellt werden, dass zum Beispiel ohne Schwierigkeiten eigene Kunden mit besonderen Gebühren außerhalb der Banköffnungszeiten belastet werden könnten, diese Möglichkeit aber nicht genutzt wird.

Somit ist die Gebühr von Fremdabhebern mithin ein Beitrag, der die durch diese Entscheidung entstandenen Kosten zu decken hilft (ein "Zusatznutzen"). Derzeitige Überlegungen sind demnach nicht auf Kundengewinnung, sondern auf Abwehrhaltung bei gleichzeitiger Gebührenmaximierung gerichtet.

Überlegungen und Modelle: Das Rennen von Hase und Igel

Die Situation am Markt für Geldautomaten kann verglichen werden mit dem Rennen von Hase und Igel: Jede neue Innovation ruft neue Abwehrversuche heraus. Kritisch ist dabei insbesondere, dass nicht nach eigenen, innovativen Lösungen gesucht wird, die einen längerfristigen Weg aufzeigen. Die Abwehrversuche werden der zeit auf verschiedene Weise durchgeführt:

1. Versuche, gruppeninterne Gebührenlösungen insbesondere an hoch frequentierten Standorten zu umgehen (Drittbankenmodelle, die betreibenden Gesellschaften sind nicht an die jeweiligen gruppeninternen Absprachen gebunden). Hierdurch wird der bestehende Preiskrieg noch verschärft und gruppenintern erweitert.

2. Die Sperrung bestimmter Karten an Automaten (Visa-, Mastercard- oder Maestrogestützte Verfügungen).

3. Bestrebungen, Surchargegebühren7) einzuführen, das heißt bei der Abhebung einen zusätzlichen Preis direkt vom Kar teninhaber einzuziehen, wie es im Ausland zum Teil bereits von einigen Banken praktiziert wird.

Werden diese Versuche erfolgreich sein? Diese Frage kann mit Sicherheit verneint werden. Kunden werden auf diese Weise nicht gewonnen, eine Erhöhung der Gebühren steigert zudem den Anreiz für Wettbewerber mit entsprechenden Lizenzen, eigene Automaten aufzustellen und ge winnorientiert zu betreiben.

Mittlerweile nimmt bereits das Bundeskartellamt die Gebührenpolitik ins Visier8), ein Einschreiten erscheint wahrscheinlich. Dieses Verfahren bedroht nach Aussage einiger Akteure wesentliche Provisionseinnahmen - die bei der Annahme weniger Fremdverfügungen sich nur auf die Ausnutzung von bestimmten Standorten beziehen können (quasi ein "Reeperbahn-Modell" wo es Kunden nicht bewusst oder gleich ist, was später auf sie zukommt).

Weiterhin kommen "Cash-Back"-Modelle9) zunehmend auf, und Bankenverbände teilen die Ansicht, dass sich "Cash-Back" auf Dauer im Markt durchsetzen wird. Ebenso setzen die Kreditkartenorganisationen auf eine solche Geschäftsausweitung und bieten hierfür Vergütungen für Teilnehmer an. Begründet wird diese Ansicht damit, dass angesichts häufig überzogener Entgelte für Geldautomatenfremdverfügungen vor allem für Kunden von Direktbanken eine attraktive Möglichkeit zur kostengünstigen Bargeldversorgung darstellt wird.

Alternative Bargeldversorgung

Kartenorganisationen planen, bereits kurzfristig Pilotversuche zu starten, die die Auszahlung von Bargeld gegen Kreditkar tentransaktionen bei einer begrenzten Anzahl von Handelsketten ermöglichen soll. Ein Entgelt für den Cash-Back-Betrag für das Kartenherausgebende Institut erscheint hierbei möglich.

Die Konkurrenz verschiedener Systeme im Sepa-Umfeld (insbesondere nationale Maestro-Verfügungen) macht sich bemerkbar. Rewe nutzt derzeit das Girocard-System, um Bargeldauszahlungen an Kunden vorzunehmen. Ebenso besteht eine analoge Kooperation hierzu von Postbank und Shell. Die Girocard-Händlerbedingungen sehen derzeit keine Einschränkungen dieser Praxis vor, da im ZKA bisher davon ausgegangen wurde, dass Bargeldauszahlungen Händlern aufgrund der Vorschriften des KWG nicht gestattet werden können. Hier hat sich allerdings die aufsichtsrechtliche Auffassung der BaFin geändert. Die Bundesbank sieht ebenso keine Probleme, solange lediglich aus dem jeweiligen Kassenbestand heraus ausgezahlt wird.

Abwehrhaltung kann nicht standhalten

Die Vernachlässigung der Gründe für die jeweilige Entscheidung, Geldautomaten aufzustellen führt im Zusammenhang zu einer Abwehrhaltung, welche auf Dauer Konkurrenz und Marktinnovationen nicht standhalten kann.

Negative Ausrichtung hat keinen Erfolg, denn der Markt ist schneller in innovativen Lösungen als jede Verhinderungshaltung. Folglich muss ein positiver Ansatz der Kundengewinnung gesucht werden (Was kann getan werden, um zu Direktbanken abgewanderte Kunden zu gewinnen?).

Der Ausschluss von Karten großer Bankengruppen steigert die Attraktivität der Karten des Wettbewerbs und schadet dem Emittenten somit selbst. Der Aufwand für solche Lösungen ist hoch und immer nur von begrenzter Wirkung. Daher ist seine Effizienz gegenüber weitreichenden Lösungen gering. Nur eine Strategie, die die Innovationskräfte des Marktes richtig einschätzt und berücksichtigt, wird von Erfolg gekennzeichnet sein.

Fußnoten

Bereits Ende der neunziger Jahre durch Kündigung seitens der Sparkassenorganisation erfolgt.

Zum Beispiel Auswertungen des DSGV für Tourismusver bände auf der Basis der GA-Fremdverfügungen.

Bei Verfügungen mittels Lastschrift erzielt die kartenausgebende Bank sogar keinen Erlös.

Vgl. http://www.welt.de/finanzen/nutzwert/article2846296/Sparkassen-ziehen-vor-Gericht-den-Kuerzeren.html

Vgl. Hammer, Thomas in: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/305/343146/text/

Hier gelten allerdings meist Antidiskriminierungsklauseln gegenüber anderen Zahlungskarten!

Vgl. https://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,628865,00.html.

Vgl. Bender, Hanno, in: http://www.derhandel.de/news/ finanzen/pages/show.php?id=453.

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