BANKING

Sicherheiten: Mobilien methodisch bewerten - Risiken erkennen

Neue EBA-Richtlinien ressourcenschonend umsetzen

Frank Schottenheim, Foto: PS Team GmbH

Die Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) für die Kreditvergabe und Überwachung (EBA/GL/2018/06 und EBA/GL/2020/06) legen den Finger in die Wunde. Sie fordern von Banken und Leasing-Gesellschaften da genauer hinzuschauen, wo sie in der Vergangenheit allzu bereitwillig unkalkulierbare Risiken eingegangen sind: beim Umgang mit mobilen Sicherheiten. Der Autor entwickelt einen ganzheitlichen Ansatz, der bei der Bewertung der Assets über den gesamten Kreditlebenszyklus ansetzt. (Red.)

Im Juni 2021 veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihren achten Bericht zur Finanzstabilität in Deutschland und zog darin auch ein Resümee zum ersten Coronajahr: Vor allem zu Beginn der Pandemie reizten Unternehmen ihre Kreditlinien aus und bemühten sich, neue Kredite abzuschließen, um ihre Liquidität zu erhöhen. Mittelfristig rechnete die BaFin Mitte vergangenen Jahres mit einer steigenden Zahl von Insolvenzen. Hinzu kommen nun die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine.

Darauf sieht die Bankenaufsicht die Banken und Leasing-Gesellschaften nur unzureichend vorbereitet. "So gibt es Anzeichen dafür, dass Kreditrisiken weiterhin potenziell unterschätzt werden und die Werthaltigkeit von Kreditsicherheiten wie Immobilien potenziell überschätzt wird. Darüber hinaus tragen die niedrigen Zinsen dazu bei, dass sich die Suche nach Rendite fortsetzt. Diese verleitet Marktteilnehmer dazu, höhere Risiken einzugehen."1) Mit Sorge beobachtet die Bundesanstalt, dass sich die Kreditqualität verschlechtert und legt den Banken dringend nahe, "sich auf einen Anstieg ausfallgefährdeter Kredite vorzubereiten".2)

Kapitaldienstfähigkeit

Zugleich warnt die BaFin die Banken und Leasing-Gesellschaften davor, Kredite sehr defensiv zu vergeben, "um ihre risikogewichteten Aktiva zu senken und damit ihre Eigenkapitalquote zu stabilisieren. Ein solches Deleveraging würde in einer Stressphase prozyklisch wirken, könnte die wirtschaftliche Erholung in Deutschland verzögern oder sogar einen Wirtschaftseinbruch verstärken."3) Stattdessen folgert die Aufsicht: "Die Corona-Pandemie unterstreicht, dass eine ausreichende Resilienz notwendig ist, damit auch in Stressphasen die Funktionsfähigkeit des Bankensystems und damit eine angemessene Kreditvergabe aufrechterhalten wird."4) Exakt darauf zielen die Leitlinien der EBA für die Kreditvergabe und Überwachung (EBA/GL/2018/06 und EBA/GL/2020/06) ab. Sie fordern eine qualifizierte Bewertung von Sicherheiten über den gesamten Kreditlebenszyklus hinweg.

Bei der Kreditvergabe müssen zwei potenzielle Risiken betrachtet werden: die Bonität des Kreditnehmers und der Wert der Sicherheiten. Dazu gilt es, die Wertentwicklung der Mobilie, die das Grundgeschäft besichert, zu prognostizieren und dabei die gesamte Zeit von der Betriebsübernahme beziehungsweise Abnahme des Gegenstandes bis über das geplante Finanzierungsende hinaus einzubeziehen. Der aus dieser Entwicklung ermittelte Wert wird der Amortisation aus dem Kredit- oder Leasing-Verlauf gegenübergestellt und bildet das Nettorisiko. Die Objektbewertung beeinflusst auf diese Weise die Beurteilung der Kapitaldienstfähigkeit, denn die Kundenbonität muss das Nettorisiko abdecken.

Wert der Sicherheiten

Für die Laufzeit eines Kredites fordert die EBA, dass Banken und Leasing-Gesellschaften die Werte ihrer Sicherheit "regelmäßig, adäquat und unabhängig" schätzen. Die Behörde bleibt hier vage, legt aber als Untergrenze fest, den Wert der Sicherheit und damit die Nettorisikoposition einmal jährlich zu validieren. Anhand des Zustands und der Nutzung des Objekts lässt sich der Zeitwert regelmäßig nachjustieren und liefert ein genaueres und zuverlässigeres Bild als der angenommene Wert aus der anfänglichen Risikoanalyse. Das kontinuierliche Monitoring der Sicherheit und des sich daraus ergebenden Zeitwerts trägt nicht nur zum internen Risikomanagement bei, sondern ist auch gesetzlich gefordert: Kann das Finanzinstitut die Überwachung nicht nachweisen, wird die Sicherheit nicht länger anerkannt - der Kreditgeber muss seine Eigenkapitalunterlegung erhöhen.

Im Falle einer Sanierung oder Abwicklung des Vertrages muss die Bank auch am Ende der Laufzeit den Wert der Mobilie noch einmal ermitteln. Dabei kommt es auf adäquate und konsistente Verfahren zur Identifikation der notwendigen Bildung von Wertminderungen und Abschreibungen an. Hinzu kommt, dass unterschiedliche Ansätze aktueller Rechnungslegungsstandards (Handelsgesetzbuch, International Financial Reporting Standards, United States Generally Accepted Accounting Principles et cetera) berücksichtigt werden müssen.

Asset-Management gerät an Grenzen

So sinnvoll all diese Forderungen hinsichtlich eines proaktiven Risikomanagements sind. Sie stellen das Asset-Management doch vor enorme, neue Herausforderungen. Mit Bordmitteln - einschließlich teurer Experten - lässt sich das nicht stemmen, ohne dass die Kosten durch die Decke gehen. Letztlich kommen Finanzdienstleister nicht umhin, eine umfassende Methodik und Richtlinien zur Bewertung von Sicherheiten zu implementieren. Das können statistische Modelle, indexierte Bewertungen oder Sachwertverfahren sein. Erschwerend kommt hinzu, dass profundes, breit gefächertes Fachwissen für die Wertermittlung gefordert ist, denn landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche und bautechnische Maschinen habe genauso wenig miteinander zu tun wie Maschinen und ganze Anlagen in der Produktion.

Zwar haben Leasing-Gesellschaften über die Jahre ein funktionierendes, kompetentes Asset-Management aufgebaut, doch reichen die Kapazitäten nicht in Ansätzen aus, um die Anforderungen umzusetzen. Sie suchen händeringend Bewerter. Noch schlimmer sieht es bei den Banken aus, die bei wenig mehr als null anfangen. Dabei kann es kaum gelingen, auf die Expertise und Erfahrung der sehr gefragten Gutachter mit ihrem Spezialwissen - vor allem im Bereich stationärer Technik - zu setzen: Sie sind schwer zu bekommen, ihre Expertise muss nachgewiesen werden und darüber hinaus empfiehlt die EBA, Gutachter rotierend einzusetzen, um die Unabhängigkeit und Objektivität der Bewertung sicherzustellen. Das lässt sich bei Immobilien noch recht gut realisieren, bei mobilen Sachsicherheiten sind Experten mit Spezial-Know-how allerdings Mangelware.

Digitales Tool für ganzheitlichen Ansatz

Auch mit einer übertriebenen Zurückhaltung bei der Kreditvergabe ist Banken und Leasing-Gesellschaften nicht gedient, denn so kann es ihnen nicht gelingen, ihre Umsatzpotenziale voll auszuschöpfen. Vielmehr stellt die weitgehende Digitalisierung der Wertermittlung von Objekten einen dritten, kostengünstigen Weg dar. PS Team bietet dazu das Tool Value Guard an. Es lässt sich über offene Schnittstellen gut ins bestehende Backend integrieren und generiert Datensätze für die Portfolio- oder Einzelbewertung sowie zum Backtesting eigener Wertansätze. Indem Finanzinstitute Schwellenwerte und Trigger definieren, überwachen sie die Wertenwicklung kontinuierlich, wie in den EBA-Richtlinien gefordert. Das entlastet das Asset-Management. Erst wenn bestimmte Schwellwerte überschritten werden, oder bei anderen Warnhinweisen ist ein Eingreifen erforderlich. Das Management kann die Sachbearbeiter in Form interner Arbeitsanweisungen davor schützen, Ressourcen in nicht tragfähige Engagements zu investieren, und sie animieren, diese sinnvoll zu allokieren.

Das strafft nicht nur die Prozesse, sondern erhöht auch die Ausfallsicherheit, da atypische Wertverläufe schneller auffallen. Es wird deutlich, wann und unter welchen Bedingungen nachbewertet werden muss, beispielsweise wenn das Finanzierungsgeschäft als "non-performing Exposure" eingestuft wird. Dazu müssen aktuelle und historische Daten verglichen und analysiert werden. Das erschwert den Einsatz der Software in einer Übergangszeit, denn wegen des Migrationsaufwands lohnt es sich mitunter nicht, Werte aus der Vergangenheit zu integrieren.

Vor allem die Evaluation eigener, etablierter Prüfverfahren erweist sich in der Praxis als schwierig. So hielt die Bundesbank 2019 in einem Papier fest: "Als größte Herausforderung gilt bei allen betrachteten Instituten die Umsetzung der neuen Vorschriften zur Bildung von Wertberichtigungen. Hier stellten die Aufseher etwa eine unzureichende Dokumentation der Prozesse zur Berücksichtigung von zukunftsgerichteten Informationen und Verbesserungsbedarf bei den Validierungs- und Backtesting-Verfahren fest."5)

Diese Schwäche adressiert PS Team mit dem Bewertungstool. Die vergangenen 15 Monate zeigten, dass die Finanzinstitute insbesondere die Backtesting-Features schätzen. So berichten die Anwender einvernehmlich, dass sie ihre internen Matrizen mit dem Tool erheblich einfacher, schneller und mit geringerem Aufwand verproben. Sie greifen auf viel mehr Datenpunkte zu und können Ergebnisse so besser validieren.

Knackpunkt Expertenwissen

Die wenigsten Institute verfügen über ein breites Expertenwissen. Deshalb wurden im Bewertungstool Informationen ausgewählter Datenlieferanten hinterlegt. Die Datenqualität und -fülle werden über den Nutzen des Tools für die gesamte Branche entscheiden. Daher ist PS Team mit weiteren Bewertungspartnern in Kontakt und prüft deren Bestand und Methodik, um sukzessive weitere, qualitativ hochwertige Informationsquellen anzubinden.

Von Beginn an waren die Maschinendatenspezialisten von der Netbid AG integriert. Kurze Zeit später, auch im Jahr 2021, konnten zwei weitere Datenschwergewichte gewonnen werden: Der Geschäftsbereich Valuplex des Industrieauktionshauses Surplex verfügt über eine sehr umfangreiche Datenbank im Bereich Metall- und Holzbearbeitung. MBKvaluations ist auf Nutzfahrzeuge aller Art, Anhänger und Auflieger spezialisiert. Wenn die Informationen unserer Datenpartner nicht ausreichen, können Anwender über die Lösung individuelle Bewertungen erstellen lassen sowie Gutachten mit Vor-Ort-Besichtigungen beauftragen.

Mobilienbewertung: Tipps für die Praxis

Sind die Mitarbeitenden für die EBA-Richtlinien sowie etwaige neue Risiken sensibilisiert und ist ein entsprechendes Bewertungswerkzeug implementiert, sind die Grundlagen für eine adäquate Bewertung von Mobilien geschaffen. Doch wie sieht diese in der Praxis aus?

Für eine Verlaufsprognose im Vorfeld eines Engagements sollte der Worst-Case-Ansatz gewählt werden. Er orientiert sich an dem Wert, der sich im Insolvenzfall realisieren lässt. Banken und Leasing-Geber wären in dieser Situation gefordert, unter Zeitdruck zu verhandeln. Denn die Aufsicht verlangt eine schnelle Vermarktung und verbietet eine Hold-Strategie. In die Prognose fließen die technologische Entwicklung, die geplante Nutzungsart und -intensität sowie andere bewertungsrelevante Faktoren wie Einsatzgebiet, Service und Instandhaltung ein. Außerdem müssen theoretisch an fallende Kosten für die Sicherstellung und Verwertung berücksichtigt werden (Gone Concern). Ein Vergleich der Worst-Case-Kurve mit der Amortisation aus dem Kredit- oder Leasing-Vertrag ergibt das Nettorisiko, das die Bonität des Kunden abdecken muss.

Für das Massengeschäft - also Objekte, die häufig finanziert werden - können Banken und Leasing-Gesellschaften eine Bewertungsmatrix verwenden, die sich nach bestimmten Parametern heben oder senken lässt. Wird das Objekt überdurchschnittlich genutzt, sinkt die Wertekurve. Eine unterdurchschnittliche Nutzung hebt sie an. Für dieses Verfahren ist gefordert, dass die Matrizen sowie sämtliche Wertekurven mindestens einmal jährlich mit eigenen Verwertungsdaten und mit Daten Dritter zu überprüfen sind (Backtesting).

Damit keine neuen Risiken entstehen, muss das Institut definieren, bis zu welchen Grenzen die Standards gelten sollen. In der Regel liegen die Schwellenwerte beim standardisierten Breitengeschäft je nach Objektsegment bei zwischen 100 000 und 250 000 Euro Kaufpreis. Da höhere Anschaffungskosten häufig durch Zubehör, eine höhere technische Komplexität, Customizing und weitere Faktoren entstehen, ist auch in diesem Bereich eine genaue Kenntnis der Objekte und Märkte unerlässlich.

Risikoadjustierte Bewertung

Es empfiehlt sich, die mobilen Sicherheiten innerhalb von Objektsparten entsprechend den Anschaffungswerten verschiedenen Risikoklassen zuzuordnen. Dann lassen sich für jede Klasse geeignete Bewertungsmethoden definieren:

- eine automatisierte Bewertung über ein digitales Tool

- eine Kombination von digitaler Anwendung und einer Validierung durch Mitarbeitende oder externe Dritte

- eine Bewertung durch einen externen Gutachter als aufwendigste und kostenintensivste Variante

Gehen Banken und Leasing-Gesellschaften die Wertermittlung mobiler Sicherheiten systematisch und pragmatisch an, verlieren die EBA-Richtlinien in dieser Hinsicht ihren Schrecken. Die Institute können mit größerem Erfolg als Finanzierungspartner großer Unternehmen, vor allem aber auch des Mittelstands dazu beitragen, dass sich die Wirtschaft rasch von den Verwerfungen der letzten zwei Jahre erholt. Dabei schöpfen sie die Umsatzpotenziale im Kreditgeschäft voll aus, ohne aus Angst vor Forderungsausfällen permanent auf die Bremse treten zu müssen.

Fußnoten

1) ASF: Achter Bericht an den Deutschen Bundestag zur Finanzstabilität in Deutschland - Juni 2021, S. 10.

2) Ebd. S. 13.

3) Ebd. S. 14.

4) Ebd.

5) Deutsche Bundesbank, IFRS 9 aus Perspektive der Bankenaufsicht, Monatsbericht Januar 2019, S. 81.

Frank Schottenheim , Director Financial Institutions bei PS Team GmbH, Walluf
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