Empfehlungsmarketing als Instrument zur Neukundengewinnung

Interview mit Dirk Kreuter

Dirk Kreuter

Beim Empfehlungsmarketing, früher Mundpropaganda genannt, handelt es sich nicht um eine Erfindung des 21. Jahrhunderts, aber es macht Sinn, die Methode aktiv der heutigen Zeit anzupassen. Diese Auffassung teilt unser Interviewpartner.

FLF Herr Kreuter, Sie dürfen sich Experte nennen, wenn es um Neukundengewinnung geht.

Unter anderem haben Sie das Hörbuch "Neukunden mit System - Das Ende der Kaltakquise" verfasst. Darin setzen Sie auf das sogenannte Empfehlungsmarketing. Was zeichnet diese Methode aus?

Bei aller Systematik, beginnt die Methode noch immer mit dem ersten Schritt: Aktiv den bestehenden Kunden auf eine Empfehlung anzusprechen. Zum Beispiel so: "Herr Kunde, wir arbeiten nun schon seit fast zwei Jahren sehr erfolgreich zusammen, und Sie erwähnen immer wieder die Vorteile unserer Kooperation. Ich weiß, dass Sie den zeitsparenden Service und die günstigen Konditionen besonders schätzen." Geben Sie Ihrem Kunden eine aktive Kaufbestätigung, eine Art Nachmotivation.

FLF Das heißt, die Vorteile der Geschäftsbeziehung für den Kunden nochmals besonders herausstellen?

Ja, zwei bis drei Sätze sollten das schon sein. Etwa so: "Sie verfügen über ein großes Netzwerk, Herr Kunde, und Sie kennen wirklich sehr viele andere Geschäftsleute, für die wir möglicherweise ein interessanter Partner wären; Kollegen aus dem Studium oder aus Arbeitskreisen, Sie arbeiten in mehreren Beiräten und sind politisch aktiv, doch nicht nur geschäftlich, sondern privat ebenfalls - im Golfclub und auf der Jagd. Sagen Sie, wer fällt Ihnen ein, für den unser Angebot interessant sein könnte, dem es auch um einen hervorragenden Service und günstige Einkaufskonditionen geht oder jemand, der einfach nur einen festen und kompetenten Ansprechpartner sucht? Das kann ein Kontakt hier aus Wien sein, aus Salzburg, Linz, Klagenfurt oder München, wo er über entsprechende Niederlassungen verfügen kann. Wer fällt Ihnen spontan ein?"

Achten Sie auf offene oder alternative Fragearten bei der Formulierung Ihrer Empfehlungsfrage. Gleichzeitig steigern Sie Ihre Erfolgschance deutlich, wenn Sie möglichst viele Beispiele aufzählen. Getreu dem Motto: "Ein guter Verkäufer bestimmt die Bilder im Kopf seines Kunden." Die Beispiele können Sie in drei Richtungen formulieren: Das menschliche Umfeld Ihres Kunden, Produkt- und Dienstleistungsvorteile für Ihren Geschäftspartner und zum Schluss das räumliche beziehungsweise regionale Umfeld. Je mehr "Bilder", desto höher die Trefferquote bei der Empfehlungsfrage.

FLF Diese Beispiele kommen mir ehrlich gesagt etwas übertrieben vor.

Ja, das mag sein, aber Ihrem Gesprächspartner nicht, denn der ist damit beschäftigt, in seinem Kopfkino alle möglichen Übereinstimmungen abzugleichen. Hier gilt: "Viel hilft viel." Warten Sie nach der Empfehlungsfrage die Antwort Ihres Gegenübers ab: Eine Empfehlung wird erschwiegen oder zerredet. Bringen Sie den Mut und die Geduld auf, Ihrem Kunden den nächsten Schritt zu überlassen. Passt Ihr Timing, also die richtige Situation; ist Ihr Kunde wirklich begeistert von Ihrer Leistung und vertraut Ihnen; stimmt Ihr "Wording", also die richtig formulierte Empfehlungsfrage, dann ist der branchenübergreifende Erfahrungswert, dass Sie auf eine gestellte Frage dieser Art einen passenden Empfehlungskontakt erhalten.

Natürlich gibt es verschiedene Varianten der Formulierungsfrage. Das ist meist eine Philosophiefrage. Im deutschsprachigen Raum haben Kollegen wie Klaus Fink und Roger Rankel erfolgreiche Formulierungen mit dem Schwerpunkt auf Konsumenten entwickelt.

Eine alternative Empfehlungsfrage wäre: "Herr Kunde, Sie glänzen immer durch sehr innovative Lösungen für Ihren Betrieb. Sie sind Ihrem Wettbewerb immer einen Schritt voraus ..." Sie loben Ihren Kunden unterschwellig, was die gleiche psychologische Wirkung erzielt, wie die oben beschriebene Nachmotivation. "... wie machen Sie das? Woher nehmen Sie immer Ihre Ideen? Welche Quellen nutzen Sie? Gehen Sie auf Messen und Kongresse? Oder mit welchen Kollegen aus der Branche tauschen Sie sich aus?"

FLF Also sehr wertschätzende Fragen?

Ja, damit motivieren Sie Ihr Gegenüber, mit Stolz über sein Umfeld zu berichten. Wichtig hierbei: Stellen Sie die Frage nach den Kollegen und seinem Umfeld zum Schluss; denn das zuletzt genannte bleibt am stärksten in Erinnerung und wird zuerst beantwortet.

Nun berichtet Ihr Kunde meist, mit wem er sich austauscht, wer zu seinem beruflichen "inner circle" gehört. Sie brauchen nur gut hinhören und sich die Namen der genannten Personen merken. Sie können so direkt potenzielle Neukunden identifizieren und uninteressante Kandidaten ignorieren. Im nächsten Schritt folgt die gezielte Empfehlungsfrage nach den genannten Kollegen. Eine sogenannte Zielempfehlung. "Herr Kunde, wenn Sie die Kollegen so gut kennen und mit ihnen in ständigem Austausch stehen, wie schätzen Sie dann den Bedarf oder die Situation ein, für den Einsatz unserer Produkte beziehungsweise Dienstleistungen in deren Tagesgeschäft?" Schweigen Sie in diesem Moment, und warten Sie seine Antwort ab. Dass er niemanden kennt, den das interessiert, kann er an dieser Stelle nicht mehr antworten.

Hierbei handelt es sich um nur zwei Varianten einer erfolgversprechenden Empfehlungsfrage. Für gewöhnlich erhalten Sie jetzt den Namen und die Telefonnummer eines potenziellen Neukunden. Das ist der erste von sechs Schritten. Der zweite Schritt dient der Qualifizierung des Kontaktes.

FLF Und weshalb kommt diesem zweiten Schritt so hohe Bedeutung zu?

Weil Ihr Kunde meist viel mehr über den Empfohlenen weiß, als Sie jemals im Internet irgendwo recherchieren können. Nutzen Sie seinen Wissensvorsprung und sein Knowhow. "Ein Mann, der sich auf seine Chance nicht vorbereitet, der kann sich nur blamieren." Dieses Pablo Picasso zugeschriebene Zitat gilt meiner Meinung nicht nur in Bezug auf Frauen, sondern ganz besonders für Verkäufer.

"Weshalb kommen Sie so spontan auf Herrn Muster?" Dies ist die wichtigste und ergiebigste Frage: Ihr Gesprächspartner wird Ihnen ausführlich erklären, warum ihm gerade dieser Kontakt einfällt und in welchem Verhältnis die beiden zueinander stehen. Danach gehen Sie in die übliche Bedarfs- oder Situationsanalyse: Sie erfragen die für Sie relevanten Daten: Mitarbeiterzahl, Branche, Abläufe oder was Sie sonst für wichtig halten. Im Idealfall beenden Sie diese zweite Stufe der Systematik mit hypothetischen Fragen wie: "Herr Kunde, einmal angenommen, Sie wären an meiner Stelle ... Wie würden Sie jetzt vorgehen, wie würden Sie argumentieren? Welches Produkt würden Sie bei Herrn Muster in den Vordergrund stellen?" Nun erfahren Sie taktische Schritte in der direkten Kommunikation mit Ihrem Zielkunden. Es wird Sie beeindrucken, was Ihr Kunde alles über den Kollegen weiß und was er alles erzählt.

FLF Und wie geht man dann nach Ihrer Erfahrung weiter vor?

Der nächste Schritt ist die telefonische Kontaktaufnahme mit Herrn Muster. Bitte: Wenn Sie einen sofortigen und unmittelbaren Anruf planen, dann spricht das für Ihre persönliche verkäuferische Einstellung: Ihr "Akquiseherz" sitzt am rechten Platz. Sie nutzen Ihre Chancen. Doch eine direkte Kontaktaufnahme wäre in dieser Systematik eher nachteilig. Warten Sie besser drei Werktage, aber nicht länger als eine Woche, mit Ihrem Anruf.

FLF Weshalb grenzen Sie das zeitlich so ein?

Weil Sie Ihrem Kunden so die Möglichkeit geben, sich selbst bei Herrn Muster zu profilieren und er Sie bei ihm zudem "vorverkauft". Er leistet die Überzeugungsarbeit, wenn er den Zielkunden vorab kontaktiert. Inzwischen ist die Terminvereinbarung bei Ihrem potenziellen Neukunden fast ein Kinderspiel, weil Ihr Kunde schon Vertrauen aufgebaut hat.

"Grüß Gott Herr Muster, ich bin ... von der Firma ... Ihr Beiratskollege, Herr Peter Kunde, erwähnte in unserem letzten Gespräch, dass Sie auch immer auf der Suche nach besseren Einkaufskonditionen und hervorragendem Service sind. Herr Kunde meinte, dass Sie sich hier über ein Angebot freuen. Sagen Sie Herr Muster, inwieweit schätzt Herr Kunde Ihre Situation da richtig ein?"

Bitte verzichten Sie hier auf alle Formulierungen, die nur annähernd Druck beim Gegenüber aufbauen könnten, und fragen Sie nicht direkt im Eingangstext nach einem Termin. Die Tonlage in diesem ersten Textbaustein muss wirken wie: Sie würden den ja nie anrufen. So etwas machen Sie nicht. Sie tun es nur, weil Sie Ihrem Kunden einen Gefallen tun möchten.

FLF Das magische Wort in diesem Erstkontakt ist also der Name des Empfehlungsgebers?

Genau, denn der Name stellt sofort Vertrauen her. Erwähnen Sie den Namen des Referenzkunden deshalb mehrmals. Nach dieser ersten Kontaktaufnahme, erfahren Sie sofort, ob der Empfehlungsgeber Sie schon vorverkauft hat. Sie haben eine unmittelbare Feedback-Schleife. Im Normalfall vereinbaren Sie jetzt einen persönlichen Termin mit Ihrem Zielkunden. Diesen Ersttermin bestätigen Sie im vierten Schritt dann noch am gleichen Tag schriftlich per Fax bei Ihrem neuen Gesprächspartner, zum Beispiel so:

"Sehr geehrter Herr Muster, vielen Dank, für das informative und freundliche Telefongespräch. Hiermit bestätige ich unseren gemeinsamen Ersttermin am 11. November um 10:00 Uhr bei Ihnen im Haus. Es geht um folgende drei Themen: Erstens: Wie Sie hohe Einsparungspotenziale nutzen können, durch günstigere Einkaufskonditionen. Zweitens: Wie Sie wertvolle Stunden sparen können, weil Sie einen Partner haben, der Ihnen einen kompletten Service bietet. Und drittens: Wie Sie weiteres Einsparpotenzial innerhalb Ihrer Prozesse nutzen können. Nähere Informationen finden Sie schon vorab auf unserer Homepage www... Bei weiteren Fragen erreichen Sie mich jederzeit mobil unter ... Auf unser persönliches Kennenlernen freue ich mich sehr. Mit freundlichen Grüßen ..."

FLF Worin sehen Sie die Vorteile dieser Vorgehensweise?

Also erstens hinterlassen Sie bei Ihrem Zielkunden einen positiven, verbindlichen und vor allem professionellen Eindruck. Er ist schon vor dem Ersttermin positiv beeindruckt. Zweitens wird er pünktlich sein, und drittens hat er Gelegenheit, sich vorzubereiten, was eine höhere Gesprächsqualität nach sich zieht und gleichzeitig Ihre kurzfristigen Auftragschancen dramatisch erhöht. Kunden, die sich mit einem Thema schon etwas länger beschäftigten, können schneller (Kauf-) Entscheidungen treffen. Viertens benötigen Sie weitere Informationen oder Unterlagen, so können Sie ihn in diesem Fax bitten, diese Unterlagen für den Termin bereitzuhalten. Auch hier sparen Sie wieder viel Zeit und kommen schneller zu einer verbindlichen Vereinbarung.

FLF Weshalb nicht per E-Mail. Ist das Fax nicht schon etwas aus der Mode gekommen?

E-Mails werden erfahrungsgemäß zu schnell gelöscht, und ein Brief kommt zu förmlich daher: Ein Fax wird dagegen meist in Papierform ausgeliefert; der Kunde bekommt es in die Hand, auf seinen Tisch oder in sein Körbchen gelegt. Die Aufmerksamkeitsspanne ist deutlich höher, und oftmals bringt der Kunde das Fax mit handschriftlichen Anmerkungen sogar mit ins Gespräch. Bei einer E-Mail habe ich so etwas noch nie erlebt. Machen Sie es per Fax und erleben Sie den qualitativen Unterschied.

Zeitgleich erhält der Empfehlungsgeber in Schritt fünf auch ein Bestätigungsfax: "Lieber Herr Kunde, herzlichen Dank für Ihren Hinweis auf Herrn Muster. In unserem heutigen Telefongespräch war Herr Muster sehr interessiert und hat für den 11. November einen persönlichen Termin vereinbart. An dieser Stelle: Besten Dank. Herzliche Grüße ..."

FLF Welcher Sinn steckt hinter dieser Rückmeldung?

Nun, der Empfehlungsgeber erhält die Information, dass Sie sich um seine Empfehlung gekümmert und erfolgreich einen Termin vereinbart haben. Sie bedanken sich, sprechen Ihrem Kunden deutliche Anerkennung aus und motivieren ihn dazu, seinen Empfehlungskontakt (noch einmal) anzusprechen, um ihm zu bestätigen, dass er die richtige Entscheidung trifft. Er wird Sie (wieder) vorverkaufen und damit den Weg zu Ihrem Neukunden bereiten. Und dieser Schritt sollte im Idealfall ebenfalls per Fax erfolgen, weil Sie so die höchste Aufmerksamkeit erzielen. Bitte sparen Sie sich hier anerkennende Geschenke oder Ähnliches. Die Faxrückmeldung ist optimal.

Nach dem erfolgreichen Ersttermin mit Ihrem Zielkunden, bestätigen Sie im letzten Schritt Ihrem Empfehlungsgeber noch einmal, dass Sie mit Herrn Muster eine verbindliche Vereinbarung über eine zukünftige Zusammenarbeit getroffen haben. Form, Inhalt und Wirkung stimmen fast mit Schritt fünf überein. Einzige Besonderheit: Sie motivieren Herrn Kunde damit, weitere Empfehlungen auszusprechen; denn, was einmal erfolgreich war, wird meist weiterhin erfolgreich sein.

Wenn Sie die sechs Schritte einhalten, dann brauchen Sie Ihre Kunden nur einmal auf eine Empfehlung ansprechen. Richtig umgesetzt, erhalten Sie nun systematisch weitere Empfehlungen automatisch.

FLF Als Fazit nehme ich mit: Neukundenakquise nicht dem Zufall überlassen, sondern Empfehlungsmarketing aktiv nutzen. Ich danke Ihnen im Namen unserer Leser für Ihre anschaulichen Praxistipps.

Das Interview führte Marianne M. Schmidt.

Dirk Kreuter ist Vertriebsexperte und Autor zahlreicher Publikationen zum Thema Kundenakquisition
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