Schwerpunkt: Fonds im Umbruch

Sind die Bewertungen bei den Offenen Immobilienfonds marktgerecht?

Die Frage nach der Marktgerechtigkeit der Verkehrswerte von Offenen Immobilienfonds ist in dem aktuellen Marktumfeld besonders relevant. Die Branche steht derzeit vor erheblichen Herausforderungen und neben vielen anderen Themen wird oft auch die Frage nach der Qualität der Bewertungen gestellt. Die Forderung nach der Überprüfung der Bewertungsgenauigkeit trifft jedoch bei der praktischen Durchführung auf erhebliche Herausforderungen, sobald sie nicht mit einer kompletten Neubewertung des gesamten Bestandes gleichgesetzt werden soll.

Das Thema wurde in Bezug auf die Offenen Publikumsfonds bereits mehrfach in der Literatur sowohl von Akademikern als auch von Praktikern untersucht.1) In diesem Beitrag soll der Datenfundus der Rebase-Datenbank von BIIS genutzt werden, um das Titelthema näher zu beleuchten. Teilweise handelt es sich dabei um eine Aktualisierung und Erweiterung der Studie von 2011, veröffentlicht in I&F 7/2011.

Methodik und Datenmaterial

Im Folgenden werden zwei Ansätze präsentiert, die zwar nicht problemfrei sind, aber die besten verfügbaren darstellen. Zuerst wird ein Vergleich der Entwicklung von Verkehrswerten mit dem Trend bei der Transaktionsaktivität auf dem entsprechenden Markt vorgenommen. Dabei werden zwar nicht dieselben Immobilien verglichen, bei einer ausreichend großen Stichprobe dürften sich aber die objektspezifischen Besonderheiten weitgehend ausgleichen. Auf diesem Wege sollte es möglich sein, Indizien für ein eventuelles Bewertungsproblem auf der Ebene des gesamten Portfolios zu identifizieren, nicht aber in Bezug auf einzelne Objekte.

Im zweiten Teil wird eine Gegenüberstellung der Verkaufspreise mit den letzten verfügbaren Bewertungen dargestellt. Auch wenn dies die bevorzugte Methode zu sein scheint, da sie objektspezifische Aussagen erlaubt und "Äpfel mit Äpfeln" vergleicht, ist sie nicht immer unproblematisch. Insbesondere wenn Bewertung und Verkauf zeitlich auseinander liegen, ist eine wesentliche Veränderung der Marktlage und/oder der Objektcharakteristika nicht ausgeschlossen. Des Weiteren beziehen sich die getroffenen Aussagen auf die Immobilien, die aus dem Portfolio veräußert wurden, und müssen nicht zwingend auch für die im Fonds verbliebenen Objekte repräsentativ sein. Auch in diesem Fall sind daher die Ergebnisse als Indikationen und nicht als abschließende Beweise zu interpretieren.

Als Datengrundlage wurden drei Quellen verwendet: Die erste ist die Datenbank Rebase vom Bundesverband der Immo-bilien-Investment-Sachverständigen (BIIS), die umfassende Bewertungsinformationen über die Objekte der deutschen Immobilienfondsindustrie enthält. Bis 2009 sind es über 3500 Objekte von 25 Kapitalanlagegesellschaften, die jedoch teilweise unvollständig sind; ab 2009 sind vollständige, monatlich aktualisierte Datensätze für rund 850 Objekte von 15 Kapitalanlagegesellschaften verfügbar.

Die zweite Quelle sind die Datenbanken von RCA. Diese enthalten Informationen zu Immobilientransaktionen in Europa seit 2007. In vielen Fällen sind auch die Objektgröße, Preis und Cap Rate verfügbar, die genaue Abdeckung schwankt aber vom Markt zu Markt. Als dritte Quelle wurden bei der Analyse auch die Angaben zu Verkaufspreisen von konkreten Objekten verwendet, die in Rechenschaftsberichten der Fonds und Pressemeldungen veröffentlicht wurden. Insgesamt konnten 279 Verkaufsfälle in unterschiedlichen Märkten ausgewertet werden.

Trends bei Bewertungen und Transaktionen

Die in I&F 07/2011 vorgestellte Analyse beschäftigte sich mit dem Vergleich zwischen den Bewertungen der Büroobjekte von Offenen Immobilienfonds mit den Transaktionen von RCA in zwei ausgewählten Märkten: London und Paris. Das Ergebnis dieser Auswertung war erstaunlich eindeutig. Die Entwicklung der Verkehrswerte verlief weitgehend parallel zu den beobachteten Transaktionswerten. Eine wichtige Erkenntnis war die Tatsache, dass die Übereinstimmung recht hoch war, obwohl die wichtigsten Parameter - Cap Rates und Mieten - doch deutliche Unterschiede aufwiesen.

Nun, ein Jahr später, ist diese Untersuchung mit zusätzlichem Datenmaterial und einem etwas veränderten Ansatz wiederholt worden. Neben London und Paris (jeweils CBD) wurde auch eine Auswertung für Deutschland vorgenommen. Als zentrale Statistik wurde dabei der Median (der häufigste Wert) verwendet, wodurch die Ergebnisse weniger anfällig für Ausreißer sein sollten. Die Analyse bezog sich in allen Fällen auf monatlich gleitende 12-Monats-Medianwerte. Dadurch konnte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Fondsobjekte überwiegend im 12-Monats-Rhythmus bewertet werden.

Auch bei dieser Analyse konnten einerseits erhebliche Glättungseffekte bei den "Bewertungs-Cap Rates" (Verhältnis zwischen der Bewertungsmiete und dem Verkehrswert) und andererseits stärkere Anpassungen der Bewertungsmieten im Vergleich zu den Transaktionsdaten festgestellt werden. Die Effekte waren besonders auffällig in London. Die gegenläufigen Abweichungen bei den Cap Rates und bei den Mieten glichen sich aber im Endeffekt aus, sodass bei den Preisen beziehungsweise Werten pro Quadratmeter (in Euro) eine weitgehende Übereinstimmung festgestellt werden konnte.

In London waren die Mediane zwischen Mitte 2007 und Ende 2009 sowohl bei den Verkehrswerten als auch bei den Transaktionen rückläufig, gefolgt von einer Phase der Stabilität in 2010 und einem Anstieg in 2011. Auffällig war dabei, dass die Bewertungen stets auf einem höheren Niveau waren, die Differenz aber über die Zeit relativ konstant blieb. Dies ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Qualitätsunterschiede bei den Immobilien zurückzuführen. Die Offenen Immobilienfonds gehören zu den klassischen Core-Investoren, das heißt, sie kaufen tendenziell Objekte von überdurchschnittlicher Qualität, die dann selbstverständlich auch höhere Preise/Werte erzielen. Zieht man diese Differenz ab, so sind die beiden Zeitreihen beinahe deckungsgleich und statistisch nicht zu unterscheiden.2)

Paris und deutsche "Top 5"

Ähnliche Analysen wurden auch für Paris und die fünf größten deutschen Büromärkte durchgeführt. In der französischen Hauptstadt zeichneten sich ein Rückgang der Median-Transaktionspreise zwischen 2008 und 2010 sowie ein nachfolgender Anstieg ab, die so im stabilen Verlauf der Bewertungen nicht erkennbar waren. Statistische Tests zeigten jedoch, dass sobald qualitätsbedingte Niveauunterschiede berücksichtigt wurden, die Abweichungen nur in wenigen Subperioden Ende 2007 und Anfang 2008 sowie teilweise in der ersten Hälfte 2010 als schwach signifikant gelten können.3) Angesichts der großen Streuung der Datenpunkte besteht auch in diesem Fall kein Anlass, an der Marktgerechtigkeit der Bewertungen zu zweifeln.

Eine noch genauere Übereinstimmung wurde bei der Analyse der deutschen "Big 5"-Standorte festgestellt. Sowohl bei den Bewertungsdaten als auch bei den Transaktionsdaten war eine besonders stabile Entwicklung über den untersuchten Zeitraum auffällig. Die rollierenden Mediane der beiden Datenquellen verliefen sehr flach und deckten sich weitestgehend. Dies lässt auf eine hohe Stabilität des deutschen Marktes im Verlauf der letzten Krise sowie auf die besondere Marktnähe der Bewertungen bei den Offenen Fonds schließen.

Letzte Bewertung versus Verkaufspreis

Im zweiten Teil der Analyse sollten die letzten verfügbaren Bewertungen den tatsächlichen Verkaufserlösen gegenübergestellt werden. In der verfügbaren Stichprobe von insgesamt 279 Verkaufsfällen lagen rund zwei Drittel der Abweichungen innerhalb einer Spanne von plus/minus zehn Prozent. Der Median der Abweichungen betrug im gesamten Betrachtungszeitraum 3,4 Prozent. Hierbei handelt es sich um saldierte Werte. Betrachtet man die Abweichungen ohne Berücksichtigung des Vorzeichens - das heißt Verkaufsverluste werden nicht mit Verkaufsgewinnen verrechnet -, so ergibt sich ein Median von 5,7 Prozent.

Eine weiterführende Untersuchung, inwieweit sich die Abweichungen im Zeitraum 2004 bis 2011 verändert haben, ist auf Basis der vorliegenden Datenmenge nicht gesichert möglich. Es scheint jedoch wahrscheinlich, dass in Erholungsphasen mit zunehmender Investitionsnachfrage die Abweichungen zunehmen. So stiegen die saldierten Abweichungen von Anfang 2010 bis Mitte 2010 deutlich auf bis zu zehn Prozent an, haben sich danach jedoch wieder reduziert. Ein ähnlicher Trend ist für den Zeitraum Mitte 2005 bis 2006 feststellbar.

Zwar sind die einzelnen Abweichungen in der Stichprobe überwiegend positiv, da Immobilienfonds grundsätzlich nur oberhalb der zuletzt ermittelten Verkehrswerte verkaufen dürfen, dennoch liegen die letzten verfügbaren Bewertungsergebnisse teilweise auch oberhalb des Verkaufspreises. Dies ist in den meisten Fällen sehr wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Verkäufe bei "eingefrorenen" Fonds in angemessenem Rahmen auch unterhalb des Verkehrswertes zulässig sind.4)

Betrachtet man die saldierten Abweichungen von Objekten "offener" und "eingefrorener" Fonds getrennt, so ergibt sich für die "offenen" Fonds eine Medi-an-Abweichung von 3,9 Prozent und für die "eingefroren" Fonds ein Median von 0,0 Prozent. Dies scheint nicht verwunderlich, zumal bei den letzteren ein Verkauf unterhalb des Verkehrswertes überhaupt erst zulässig ist. Allerdings liegen auch die nicht saldierten Abweichungen bei den "offenen" Fonds (Median: 6,6 Prozent) signifikant über den Abweichungen von Objektverkäufen "eingefrorener" Fonds (Median: 3,8 Prozent).

Bewertungshistorie und Vergleichspreis

Nachteilig hinsichtlich des zuvor untersuchten Direktvergleichs ist, dass die Bewertungshistorie der Objekte nicht hinreichend berücksichtigt wird und somit fehlerhafte Bewertungen in Vorjahren nicht feststellbar sind. Nachfolgend wird daher der Versuch unternommen, die Bewertungshistorie einzelner Objekte, deren Verkaufsergebnisse sowie allgemeine Marktindikatoren miteinander über die jeweilige Haltedauer zu vergleichen. Die Auswertung beschränkte sich dabei auf die Objekte der vorstehenden Gesamtstichprobe, die in London verkauft wurden.

In dieser - statistisch nicht gesicherten - Auswertung für den Londoner Markt wird deutlich, dass die betrachteten Objekte der Marktentwicklung adäquat folgend von 2007 bis 2009 fortlaufend abgewertet wurden und sich seitdem wiederum stabilisiert haben. Legt man die Markteinschätzung von Maklern, die in der Praxis oftmals zum Vergleich mit der Genauigkeit von Wertermittlungen herangezogen wird, über die Bewertungsergebnisse und Transaktionsdaten, so kann ergänzend festgestellt werden, dass diese die verschiedenen Marktphasen teils deutlich überzeichnen.

Hohe Marktnähe

Die hier dargestellten Auswertungen von Bewertungs- und Transaktionsdaten belegen augenscheinlich eine recht hohe Marktnähe der Bewertungsergebnisse, wenngleich vereinzelt auch deutlich Abweichungen möglich sind. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sowohl endogene als auch exogene Faktoren kurzfristige Sprünge einzelner Objektwerte verursachen können, die zum Zeitpunkt der vorhergegangenen Bewertung nicht voraussehbar waren beziehungsweise nicht berücksichtigt werdten .konn

Ebenfalls von großer Bedeutung ist der im untersuchten Zeitraum noch vorherrschende einjährige Bewertungsturnus, der insbesondere in stark volatilen Märkten zu deutlichen Abweichungen zwischen den letzten Bewertungsergebnissen und den realisierten Verkaufserlösen führen kann. Insgesamt geben aber die erzielten Ergebnisse keine Indikation, die Titelfrage für die gesamte Branche anders als mit "ja" zu beantworten.

Fußnoten

1) Siehe zum Beispiel Crosby (Working Paper, 2007), Sebastian/Weistroffer (Working Paper, 2011), Gläsner (Return Patterns of German Open-End Real Estate Funds, Peter Lang 2010) oder die jährlichen Valuation and Sale Price Reports by RICS/IPD.

2) Für 53 von 56 12-Monats-Subperioden sind die Unterschiede nicht signifikant auf einem sehr hohen Niveau von größtenteils über 50 Prozent (nach drei Testverfahren: Chi-Quadrat, Wilcoxon/Mann-Whitney und Kruskal-Wallis).

3) In acht von 56 Subperioden waren Unterschiede bei allen drei Tests signifikant auf einem Niveau von zehn Prozent; in 19 Subperioden war es zumindest bei einem Test der Fall.

4) Neben der Möglichkeit, bei "eingefrorenen" Fonds unterhalb des Verkehrswertes verkaufen zu können, kann dies daraus resultieren, dass zwischen den hier herangezogenen Bewertungen vereinzelt nicht veröffentlichte Zwischenbewertungen vorgenommen wurden.

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