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Wie marktgerecht sind Bewertungen bei Immobilienfonds? - Versuch eines Direktvergleichs

Die Frage, wie marktgerecht die Bewertungen bei Immobilienfonds sind, hat schon immer viel Aufmerksamkeit erregt, sowohl in der Immobilienbranche als auch in der breiteren Öffentlichkeit. Insbesondere in der aktuellen Marktlage, nachdem zahlreiche Fonds die Rücknahme von Anteilscheinen ausgesetzt haben und manche einer Abwicklung entgegensehen, stellt sich die Frage, ob die auf den Verkehrswerten basierenden Anteilscheinwerte tatsächlich realisierbar sind. Die Daten in "ReBase", der neuen Datenbank des BIIS, ermöglichen einen frischen Blick auf diese Thematik. Der folgende Beitrag stellt einen Versuch dar, die Bewertungsdaten von Rebase den Transaktionsdaten aus der Datenbank von Real Capital Analytics gegenüberzustellen und so der Antwort einen Schritt näherzukommen. Rebase und das BVI-/BIIS-Bewertungstransparenz-Projekt Im Zuge des fortschreitenden Wunsches nach verstärkter Transparenz auf dem Gebiet der Immobilienbewertung hat der BIIS e. V. eine Bewertungsdatenbank für Sachverständige gegründet. In der Datenbank Rebase werden systematisch die Wertermittlungsergebnisse der nach § 77-79 InvG durchgeführten Bewertungen gesammelt. Aktuell sind etwa 7400 Datensätze (Erst- und Folgebewertungen) von rund 3500 Objekten in Rebase enthalten, die von 25 Kapitalanlagegesellschaften verwaltet werden. Die Sachverständigen liefern über 160 Einzeldaten aus einem Wertgutachten in die Datenbank. Nach einer zweistufigen Plausibilitätskontrolle werden die Daten in der Datenbank zur Nutzung für alle Anwender freigegeben. Ein entscheidender Schritt zur Weiterentwicklung der Datenbank wurde im Jahr 2009 mit dem Start des BVI-/BIIS-Bewertungstransparenz-Projektes erzielt. Seit dieser Zeit tauschen die 13 am Projekt teilnehmenden Kapitalanlagegesellschaften monatlich sämtliche Datensätze der von ihnen verwalteten Objekte im Rahmen des BVI-/BIIS-Bewertungstrans-parenz-Projektes untereinander aus. Die monatliche Lieferung der aktuellen Daten der Projektteilnehmern gewährleistet einen zeitnahen und vollständigen Überblick über alle erfolgten Bewertungen für die von den Projektteilnehmern verwalteten Objekte mit Stichtagen im jeweils abgelaufenen Monat. Das von den Projektteilnehmern verwaltete Verkehrswertvolumen (90 Milliarden Euro) repräsentiert etwa 65 Prozent des gesamten Branchenvolumens (Publikums- und Spezialfonds). Der geografische und sektorale Schwerpunkt entfällt auf den europäischen Büromarkt. Die Objektdatensätze enthalten alle wesentlichen Bewertungsparameter einschließlich Bewertungs- und Vertragsmieten sowie Diskontierungszinssätzen, wobei die Vertrags- und Bewertungsmieten im Fall von Single-Tenant-Objekten aus Gründen des Datenschutzes nicht übermittelt werden. Die monatlich aktualisierte Datenbank erlaubt allen Projektteilnehmern eine zeitnahe Bewertungsanalyse ihrer Portfolios und ein stets aktuelles objekt-, cluster- und portfoliobezogenes Bewer-tungs-Benchmarking. Das BVI-/BIIS-Bewertungstransparenz-Projekt trägt auf diese Weise dazu bei, die Bewertungstransparenz innerhalb der Immobilienfondsbranche erheblich zu verbessern. Die Daten von Rebase bieten Potenzial für eine Reihe von Studien, von der Untersuchung der Bestimmungsfaktoren bei der Entwicklung von Verkehrswerten bis hin zu den Treibern der Fondsperformance. Dank dem schnell wachsenden Datenbestand ist auch die künftige Anwendung im Bereich Risikomessung und -management vorstellbar, wie sie im Rahmen von Solvency II oder InvMaRisk notwendig sein wird. Rebase bietet in Verbindung mit der Datenbank von Real Capital Analytics (RCA) eine Möglichkeit, Verkehrswerte von Immobilien der Immobilienfonds mit den tatsächlich auf dem Markt realisierten Preisen direkt zu vergleichen. RCA, in Europa seit 2007 präsent, bietet als zentrale Dienstleistung eine umfassende Datenbank von Immobilientransaktionen. Neben anderen Angaben enthält sie Preise und Anfangsrenditen beziehungsweise Cap Rates von den erfassten Verkaufsfällen. Die Daten werden dabei so aufgenommen, wie sie veröffentlicht wurden, ohne auf irgendeine Weise umgerechnet oder bearbeitet zu werden. Aufgrund geringer Datendichte ist nicht in allen Märkten eine aussagekräftige Analyse möglich; diejenigen mit den höchsten Transaktionsvolumina besitzen aber auch in den Investitionsportfolios der Fonds meist eine hohe Gewichtung. In diesem Beitrag wurde der Fokus auf Investitionen in Büroimmobilien in London und Paris gelegt. Für diese Märkte liegen sowohl in ReBase als auch in der Datenbank von RCA Daten seit 2005 vor, sodass die Zeitspanne 2005-2010 betrachtet wurde. Versuch eines Direktvergleichs Der Frage nach der Genauigkeit von Immobilienbewertungen bei Immobilienfonds widmeten sich bereits mehrere Studien, die Antworten waren aber meist partiell und nicht immer eindeutig. Die Studie von RICS und IPD führte zur Schlussfolgerung, dass die Abweichungen der Verkaufswerte von den letzten verfügbaren Bewertungen bei deutschen Objekten vergleichsweise gering waren. Sie liefert aber auch Hinweise auf eine Überbewertung in Jahren 2000 bis 2005, jedoch nicht danach.1) Für ausländische Objekte, die mittlerweile in vielen Portfolios dominieren, fehlt noch eine fundierte empirische Evidenz. Die üblichen Vergleiche der "deutschen Bewertungen" mit den lokal verfügbaren Immobilienindizes von IPD deuten auf eine unterschiedliche Dynamik der Wertentwicklungen hin.2) Das Problem bei derartigen Analysen liegt aber darin, dass die Indizes ebenfalls überwiegend auf Bewertungen basieren. Damit werden die Ergebnisse der Wertermittlung nach WertV mit den Ergebnissen anderer Verfahren verglichen, was die Diskussion auf eine völlig andere Ebene bringt. Die eigentliche Frage, der Vergleich der Verkehrswerte mit den realisierbaren Marktwerten, ist höchstens im Hintergrund präsent. Der erste Schritt bei dem Direktvergleich galt der Betrachtung von Cap Rates, die in der Branche üblicherweise als Preisindikator verwendet werden. Die Auswertung der realisierten Cap Rates in London und Paris basierte auf rollierenden 12-Monats-Durchschnitten, um der jährlichen Bewertungsfrequenz von Fondsobjekten Rechnung zu tragen. Neben dem Durchschnitt wurde auch die Bandbreite zwischen dem 1. und 3. Quartil betrachtet. Als Vergleich dienten die "Bewertungs-Cap Rates", die innerhalb von Rebase als das Verhältnis vom Reinertrag zum Verkehrswert [P1] berechnet wurden. Die Ergebnisse für London und Paris werden in der Abbildung 1 dargestellt. Auch ohne statistische Tests ist es offensichtlich, dass in den beiden Märkten der Verlauf der "Bewertungs-Cap-Rates" deutlich flacher war als der Verlauf der in Transaktionen beobachteten Kennzahlen. Dies würde zuerst auf eine Unterbewertung der Fondsimmobilien bis etwa Ende 2008 und eine Überbewertung ab diesem Zeitpunkt hindeuten. Die dargestellte Form des Vergleiches entspricht dem in der Branche üblichen Ansatz, bei dem die Preise von Anlageimmobilien in Relation zur erzielbaren Miete gesetzt werden. Dies entspricht der Logik von Investitionsanalysen, beantwortet aber nicht die Frage, ob die Bewertung marktgerecht ist. Unterschiede in den Cap Rates können auch aus unterschiedlichen Annahmen über die Kapitalisierungsfaktoren und/oder Bewertungsmieten resultieren. Es ist daher zweckmäßig und notwendig, nicht Faktoren, sondern Werte direkt zu vergleichen. Aus diesem Grund wurden im zweiten Schritt der Analyse die Kaufpreise pro Quadratmeter in der RCA-Datenbank mit den Verkehrswerten pro Quadratmeter in Rebase verglichen. Auch in diesem Fall wurden rollierende 12-Monatsdurchschnitte sowie der obere und untere Quartil betrachtet. Das Ergebnis, dargestellt in Abbildung 2, zeigt ein völlig anderes Bild als die auf Cap Rates basierte Analyse. Die durchschnittlichen Verkehrswerte der Fondsimmobilien bewegen sich am oberen Rand der Kaufpreisbandbreite. Angesichts der Tatsache, dass die deutschen Immobilienfonds vor allem in dem teuren Prime-Segment des Marktes einkaufen, ist dies nicht überraschend. Überraschen kann dagegen die fast perfekte Übereinstimmung der Entwicklungen in den beiden Datensätzen. Dies ist vor allem in London auffällig; in Paris führt die geringere Datenmenge zu einem weniger glatten Verlauf, insbesondere um den Jahreswechsel 2008/2009. Dennoch sind die Unterschiede zwischen dem durchschnittlichen Transaktionspreis und dem durchschnittlichen Verkehrswert, korrigiert um den als mittlerer Unterschied ausgedrückten "Qualitätseffekt", in beiden Fällen statistisch nicht signifikant.3) Die unterschiedlichen Aussagen, die sich aus der vergleichenden Analyse der Cap Rates und der Werte pro Quadratmeter ergeben, können zuerst überraschend erscheinen. Das fehlende Element bei diesem Dreisatz ist aber die bei der Cap Rate- beziehungsweise Wertermittlung getroffene Mietannahme. Die durchschnittliche Bewertungsmiete bei den untersuchten Objekten in London und Paris wurde im Laufe der Finanzkrise zwischen Oktober 2008 und Oktober 2009 um über 20 Prozent reduziert. Die Datenbank von RCA enthält keine Angaben über die in den verkauften Objekten erzielten Mieten. Die aus Rendite- und Kaufpreisdaten indirekt abgeleiteten Mietansätze deuten aber auf einen milderen Rückgang hin, insbesondere in London. Dies ist auch verständlich wenn man bedenkt, dass bei langfristigen Mietverträgen eine Veränderung der aktuellen Marktmiete beziehungsweise der nachhaltig erzielbaren Miete nicht sofort zur Änderung der Einnahmen aus einem Bestandsobjekt führt. Die unterschiedliche Mietentwicklung, die sich aus einer Bewertungs- und einer Transaktionsdatenbank ergibt, kann daher auf unterschiedliche Definitionen dieses Parameters zurückgeführt werden. Dies führt bei gleichen Wertansätzen zwangsläufig zu abweichenden Cap-Rate-Entwicklungen. Die direkte Betrachtung der Wertniveaus respektive der Wertentwicklung ergab dagegen eine aus statistischer Sicht sehr hohe Übereinstimmung der Verkehrswerte und der beobachteten Transaktionspreise in den zwei betrachteten Märkten. Diese relativ einfache Auswertung liefert ein erstaunlich eindeutiges Ergebnis. Die Verkehrswerte der Fondsimmobilien in der britischen und französischen Hauptstadt scheinen gut "im Markt" zu liegen. Auch ihre Entwicklung entsprach im Verlauf der Finanzkrise der Entwicklung des Transaktionsmarktes. Dieser Vergleich erhebt natürlich keinen Anspruch auf eine rigorose wissenschaftliche Studie. Einerseits sind die Größen der Stichproben teilweise gering, andererseits werden jährlich wiederholte Bewertungen eines weitgehend stabilen Portfolios der Fonds mit Transaktionspreisen unterschiedlicher Objekte verglichen. Auch dürften umfangreichere statistische Tests und Analysen anderer Märkte die Validität der Aussagen erhöhen. Dennoch ist der hohe Grad der Übereinstimmung bei dieser relativ einfachen Gegenüberstellung der beiden Datenbanken von RCA und Rebase bereits ein starkes Indiz dafür, die Titelfrage dieses Beitrags positiv zu beantworten. Literaturhinweis: 1) Dies bestätigt auch die Studie von Weistroffer (2010) 2) Siehe zum Beispiel diverse Auswertungen von IPD oder Gläsner (2009) 3) Auf der Basis eines t-Tests für zwei unabhängige Stichproben bei einem Konfidenzniveau von 99 Prozent.

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