Leitartikel

Double, Triple, ... Dip?

1,11 Milliarden Euro. Genau so hoch sind laut aktueller BVI-Statistik die Abflüsse aus den 46 erfassten Offenen Immobilienfonds im zweiten Quartal 2010. Es ist zum wiederholten Mal ein Nackenschlag. Dabei hatte die Branche sich doch schon so gefreut: Auf die Katastrophenjahre 2005 und 2006 folgten 2007 die Beruhigung und 2008 das erhoffte erfolgreiche Comeback, bevor es Ende 2008 zum erneuten Rückschlag kam. Investoren entzogen dem Offenen Immobilienfonds milliardenschwer das Vertrauen, es kam zu Fondsschließungen, die teils bis heute anhalten. Doch spätestens nach dem ersten Quartal 2010 mit einem Nettomittelaufkommen von stolzen 3,2 Milliarden Euro dachten viele, der Spuk sei endgültig vorbei. Dann folgte - bedauerlicherweise - die Zeit der turnusmäßigen Neubewertungen durch die Sachverständigen. Und es kam, was kommen musste: Abwertungen. Vielleicht weil manche Werte dem Umgarnen der Anleger geschuldet zu optimistisch angesetzt waren, vielleicht weil manche Fonds zu spät zu teuer einkaufen mussten, um die eingesammelte Liquidität unterzubringen. Es allein auf die Vorstöße der Politik zu schieben, die mit einer angekündigten Neuregelung hinsichtlich Haltedauern und einer pauschalen Abwertung über alle Fonds hinweg für Verunsicherung gesorgt hat, ist zu einfach.

Denn egal warum, dem privaten Investor ist so gut wie gar nicht vermittelbar, dass er Anteilscheine nicht zurückgeben kann, diese aber aufgrund von Neubewertungen entwertet werden. Jüngstes Beispiel: Der Anteilwert des Morgan Stanley P2 Value ist Ende Juli um 4,43 Euro oder satte 10,9 Prozent auf nunmehr noch 36,32 Euro gefallen. Man stelle sich den Aufschrei vor, wenn dies mit einer Aktie passieren würde, Anleger diese aber nicht mehr über die Börse verkaufen könnten. Nun sollte ein kluger Mann Aktien oder andere Wertpapiere nicht mit Offenen Immobilienfonds vergleichen. Genau das ist aber doch von der gesamten Branche der Real Estate Investment Spezialisten samt ihrer Heerscharen an Vertrieblern jahrelang gemacht worden. Kein Zweifel: Offene Immobilienfonds sind ein ausgesprochen nützliches Produkt zur Asset Allocation. Aber sie sind keineswegs so risikolos und so fungibel, wie es den Anlegern so gerne glauben gemacht wurde. Die Kongruenz zwischen täglicher Rücknahme und langfristiger Bindung ist eine Gleichung, die schon länger nicht mehr aufgeht. Davon hat man wenig gehört in den Beratungsgesprächen.

Das Beispiel Offene Immobilienfonds zeigt relativ schonungslos, was für alle furchtbar euphorischen Innovateure des kapitalmarktorientierten Immobiliengeschäfts schrecklich ernüchternd, für steinalte Bedenkenträger dagegen wunderbare Bestätigung ist: Über kurz oder lang schlägt der Wert der in Stein und Beton gegossenen Immobilien zu guter Letzt doch auf den Wert der verbrieften, gestückelten oder gebündelten Assets durch. Damit stehen die Kapitalsammelstellen nicht alleine da, Gleiches gilt für nahezu alle Arten von indirekten Immobilienanlagen, seien es Immobilien-Aktiengesellschaften oder REITs. Sie alle scheitern mehr oder weniger an dem Versuch, Immobiles mobil und damit börsentauglich zu machen. Offene Immobilienfonds setzen ja gerade die Rücknahme von Anteilscheinen aus, um nicht unter Verkaufsdruck zu geraten und Verluste realisieren zu müssen. Denn wer verkaufen muss, ist im knallharten Spiel der Märkte immer der Verlierer.

Ist also das Ende der Offenen Immobilienfonds gekommen? Um Himmels willen nein, schreien die Verfechter der echten alten Investmentidee, also der nahezu grenzenlosen Möglichkeit für Privatanleger, in fast alles mit kleinen Beträgen, beherrschbarem Aufwand und überschaubarem Risiko zu investieren. "Offene Immobilienfonds: Das Anlageinstrument der Zukunft", heißt es auch im aktuellen Jahrbuch des BVI. Offene Immobilienfonds leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Diversifikation der Portfolios, sie lieferten stabile Renditen im langjährigen Mittel zwischen 3,5 und 4,5 Prozent, kurzum sie seien eine langfristig attraktive Investmentklasse, liest man weiter.

Schön, schön. Aber passt all das, was sich die klugen Leute vor 51 Jahren ausgedacht haben, noch in die moderne Welt?

Die Immobilienmärkte haben sich ebenfalls der Globalisierung angepasst, sind vernetzter. In der Finanzkrise korrelierten die Einbrüche, Ausweichmöglichkeiten gab es kaum noch. Lässt der Gleichlauf mit zunehmender Normalisierung wieder nach?

Solche Immobilienmärkte stellen das Fondsmanagement natürlich vor besondere Herausforderungen. Der Verantwortliche hat mit sinkenden Mieten, schwacher Nachfrage, steigenden Mietausfallrisiken und steigenden Renditen zu kämpfen. Die Zeiten hoher Fremdfinanzierungsquoten sind vorbei, die Liquiditätsbeschaffung wird schwieriger. Anleger werden gieriger und damit sprunghafter. Der Vertrieb hat sich gewandelt, zunehmend bekommen es die KAG nicht mehr mit einzelnen Privatanlegern, sondern mit Vermögensverwaltern und Dachfondsmanagern zu tun, die mit ihren großen Volumina unter Risikogesichtspunkten besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Klammer auf - es gab einmal Zeiten, da nutzten Sparkassen und Volksbanken Offenen Immobilienfonds ihrer Verbundgesellschaften Deka und Union als kurzfristige Parkmöglichkeiten für die eigenen Depot A-Anlagen. Wohin das geführt hat, ist bekannt - Klammer zu.

Die Branche versucht, auf all das zu reagieren. Doch reichen die Maßnahmen zur Liquiditätssteuerung, zur Unabhängigkeit der Bewertung und zur Transparenz noch nicht aus. Es muss eine stärkere Kongruenz zwischen Anlageobjekt und Anteilschein hergestellt werden. Die in Notzeiten mögliche Kündigungsfrist von bis zu 90 Tagen sollte immer möglich sein, nicht nur, wenn innerhalb eines Monats fünf Prozent des Fondsvermögens abfließen. Kapitalsammelstellen wie Dachfonds und Vermögensverwalter sind unbedingt auch vor dem Gesetz anders zu behandeln als "normale" Privatanleger - vor allem hinsichtlich der Rückgabe. Der von der Bundesregierung ins Gespräch gebrachte Puffer zwischen Verkehrswert und möglichem Realisierungswert würde der Volatilität der Märkte Rechnung tragen. Und schließlich müssen Offene Immobilienfonds nicht nur als langfristige Investments mit einer konstanten Wertentwicklung dargestellt werden. Sie müssen vor allem auch so verkauft werden. Aber dafür bedarf es der Selbstbeschränkung der Branche. Nur dann haben Offene Immobilienfonds wirklich eine Zukunft. Denn Anleger suchen stabile Anlagen. P. O.

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