Frage an Stefan Seip

"Sind Offene Immobilienfonds ein Risikoprodukt?"

Nein, und das gilt auch weiterhin. Offene Immobilienfonds sind zwar nicht risikolos, aber ein vergleichsweise risikoarmes und schwankungsarmes Anlageprodukt. Durch die Vielzahl von Immobilien, die breit gestreut in unterschiedlichen Regionen mit verschiedenen Nutzungsarten, Mietern und Mietvertragslaufzeiten eine diversifizierte Mischung bieten, gleichen sich Wertschwankungen einzelner Objekte in der Regel aus. Im Vergleich beispielsweise zu anderen indirekten Immobilienanlagen wie etwa Geschlossenen Fonds, die häufig nur auf ein einzelnes Objekt setzen, oder Immobilienaktien, die der Volatilität des Aktienmarktes unterliegen, ist das Risiko eines Offenen Immobilienfonds weitaus geringer. Auch mit Blick auf andere Anlageklassen wie Renten, Rohstoffe oder Aktien ist die gemessene Standardabweichung bei Offenen Immobilienfonds stets niedriger.

Allerdings sind Offene Immobilienfonds - wie inzwischen jede Anlageform - aber auch kein risikoloses Produkt. Wer diese Story in der Vergangenheit erzählt hat - und dafür sprach immerhin eine 50-jährige Erfahrung -, muss sich davon im Zuge der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise mit weltweiten Stützungsaktionen für Banken und Versicherungen verabschieden. Auch wenn wir uns das anders gewünscht hätten.

Offene Immobilienfonds brauchen allerdings keine staatliche Unterstützung im Krisenfall, denn als Sondervermögen sind sie konkursgeschützt. Die einzelnen Immobilien gehören anteilig den Anlegern. Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass die Fondsgesellschaft oder die Depotbank Insolvenz anmelden müsste, fällt das Sondervermögen eines Investmentfonds nicht an die Gläubiger dieser Gesellschaften, sondern bleibt davon im Wert völlig unberührt.

Trotz der Diversifikation des Immobilienrisikos auf eine Vielzahl von Objekten unterschiedlicher Größenklassen, an unterschiedlichen Standorten, mit unterschiedlichen Nutzungsarten, Mietvertragslaufzeiten und unterschiedlicher Altersstruktur, können sich Offene Immobilienfonds konjunkturellen Entwicklungen nicht entziehen. Kaum spürbar werden diese gesamtwirtschaftlichen Bremsspuren bei Offene Immobilienfonds, die schon lange am Markt sind und während einer Reihe von Immobilienzyklen schrittweise und meist über Jahrzehnte ihre Portfolios aufgebaut haben.

Wenn jedoch ein Offener Immobilienfonds zu einem Zeitpunkt aufgelegt wurde, in dem sich weltweit die Immobilienzyklen nahe ihrer höchsten Phase befanden und der Großteil der Objekte in diesem teuren Zeitraum erworben wurde, noch dazu auf tendenziell vergleichsweise volatilen Immobilienmärkten außerhalb Kerneuropas, dann schlagen solch erheblich größere Risiken in der aktuellen Phase durch.

Sparbücher und Bausparverträge weisen zwar keine solchen Schwankungen auf. Aber - abgesehen vom Bonitätsrisiko - der Sparer geht hier ein entsprechendes Inflationsrisiko ein. Denn nach Steuern und Inflation tritt bei diesen Sparformen real ein Kaufkraftverlust ein. Offene Immobilienfonds hingegen investieren überwiegend in gewerbliche Objekte, deren Mietverträge indexiert sind und der Entwicklung der Verbraucherpreise folgen. So bietet die Investition in Offene Immobilienfonds einen eingebauten Inflationsschutz.

Mehrere Untersuchungen belegen eine positive Wirkung von Offenen Immobilienfonds auf die Portfolios privater und institutioneller Investoren. Verglichen mit dem Aktienmarkt konnten sie während aller Krisen an den globalen Finanzmärkten positive Erträge erzielen. Offene Immobilienfonds reduzieren das Risiko eines Gesamtportfolios und verbessern damit das Chance-Risikoverhältnis der Vermögensanlage. Privatinvestoren mit einer geringen Risikobereitschaft können gemäß den jüngsten Berechnungen das Risiko ihres ohnehin bereits defensiv ausgerichteten Portfolios durch die Beimischung von Offenen Immobilienfonds um 18 Prozent senken bei gleichem Renditeziel. Ein Privatinvestor mit einer höheren Risikoneigung kann das Risiko seines Gesamtinvestments sogar um 21 Prozent reduzieren, ebenfalls bei gleicher Renditeerwartung.

Jüngst mussten verschiedene Offene Immobilienfonds die Anteilscheinrücknahme aussetzen (Liquiditätsrisiko). Durch die jüngst von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Neuregelungen der Offene Immobilienfonds wird auch das Liquiditätsrisiko weiter reduziert, sodass Offene Immobilienfonds künftig noch attraktiver für die Anleger sein werden. Im Übrigen scheinen sie es insgesamt ja auch in diesem turbulenten Jahr zu sein, sonst hätte dieses Anlagesegment bis einschließlich August keine Nettozuflüsse von 2,6 Milliarden Euro verzeichnet. Von einer Krise der gesamten Anlageklasse kann daher sicher nicht gesprochen werden.

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