Leitartikel

Gerechte Lastenverteilung?

Glaubt man den Steuerschätzern, so dürfen sich die Kommunen wieder auf ein gutes Steuerjahr freuen. Dank konjunktureller Erholung sollten ihnen 2012 insgesamt 79,1 Milliarden Euro (ohne Stadtstaaten) in die Kassen fließen - 7,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings waren die kommunalen Steuereinnahmen seit dem Krisenjahr 2008 alles andere als üppig. Den Kommunen fehlten 2009 mit 68,4 Milliarden Euro im Vorjahresvergleich mal eben 8,6 Milliarden Euro. Von diesem Einbruch werden sich die öffentlichen Haushalte - wenn die Steuerschätzer recht behalten - erst 2012 erholt haben. Tatsächlich summieren sich die zwischenzeitlichen Steuerverluste der Städte, Gemeinden und Landkreise auf 18,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig steigen die Ausgaben vor allem für soziale Leistungen. Auf 42 Milliarden Euro beliefen sich die kommunalen Sozialausgaben allein im Jahr 2010. Und wie der jüngst vorgelegte Armutsbericht sowie OECD-Studien belegen, geht die soziale Schere hierzulande noch weiter, vor allem aber schnell auseinander. Und die Demografie tut ein Übriges: Die sinkende Zahl der Erwerbspersonen bedeutet weniger Steuereinnahmen, während die wachsende Zahl älterer Menschen mit zusätzlichen Sozialausgaben und Investitionen in die Infrastruktur einhergehen wird.

In Anbetracht dieser Zahlen und Entwicklungen müssen die Kämmerer auf die Barrikaden steigen, wenn Bundespolitiker die Mehreinnahmen regelmäßig zum Anlass nehmen, um Steuersenkungen zu fordern. So werden die Einnahmeverluste der Städte, Gemeinden und Landkreise, die nur aufgrund der Steuerrechtsänderungen in den Jahren 2009 und 2010 entstanden sind, auf 6,5 Milliarden Euro beziffert. Jetzt wollten einige Bundespolitiker die Klinge direkt an der fiskalischen Aorta der Kommunen ansetzen und die Gewerbesteuer komplett abschaffen. Vorerst konnte das verhindert werden. Es scheint inzwischen geübte Praxis zu sein, den Kommunen immer mehr Aufgaben aufzubürden, ihnen aber gleichzeitig die Finanzierungsinstrumente zu entziehen. Zusätzlich verschärft wird die Finanzlage der Kommunen, weil Kredite knapper und teurer werden. Das liegt unter anderem an den neuen Regeln für Banken. So privilegiert zwar Basel III die Kommunalfinanzierungen aufgrund ihrer geringen Risiken, doch lässt die Einführung einer Verschuldungsquote die Banken höhermargiges, risikoreicheres Geschäft bevorzugen. Das ist gewiss nicht das Ende des Kommunalkredits, aber für die Städte und Gemeinden wird die Finanzierung über Geschäftsbanken schwieriger. Andererseits stellen die hohen Schulden auf allen Ebenen der öffentlichen Hand ein Problem dar. Zwar sind deutsche Kommunen per Gesetz nicht insolvenzfähig, tatsächlich unterscheiden die Banken - und erst recht Ratingagenturen - aber sehr wohl auch öffentliche Schuldner hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dass sich die deutschen Gebietskörperschaften mittels Haftungsverbund und Finanzausgleich gegenseitig absichern, war bislang ein Vorteil, könnte aber künftig auch zum Bumerang werden. Wenn wie angedroht das Rating des Bundes herabgestuft wird, müsste das auch auf die Bonitätswerte der Kommunen durchschlagen - mit Konsequenzen für die Kreditkonditionen.

Schon heute wenden sich die Kommunen immer öfter an die öffentlichen Banken. Um abschätzen zu können, welcher Finanzierungsbedarf besteht und welche Instrumente gebraucht werden, befragt die KfW Bankengruppe seit November 2011 regelmäßig die Kommunen zu Investitionen und Kreditnachfrage. Die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen hat die öffentlichen Investitionen von rund 30 Milliarden Euro beziehungsweise 1,8 Prozent des BIP der Kommunen im Jahr 1992 auf nur noch 22 Milliarden Euro respektive 0,9 Prozent im Jahr 2010 zurückgehen lassen. Seit 2002 sind die Nettoinvestitionen sogar negativ, sodass öffentliches Vermögen substanziell vernichtet wird. Selbst das Ende 2011 ausgelaufene Konjunkturprogramm brachte keine Trendwende. Auf 75 Milliarden Euro schätzt die KfW inzwischen den Investitionsrückstand. Beunruhigen muss die Zunahme kurzfristiger Kassenkredite zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte. Während die Gesamtverschuldung der Städte und Gemeinden von Ende 2010 bis Mitte 2011 um 3,4 Prozent auf rund 122 Milliarden Euro stieg, nahm der Bestand an Kassenkrediten um 7,6 Prozent auf etwa 44 Milliarden Euro zu - ein

Anteil von 36 Prozent. Noch schätzen die Kommunen die Bedingungen zur Kreditaufnahme als gut ein, doch sind sie für die Zukunft weniger optimistisch.

Deutschland braucht starke Kommunen. Hier leben, wohnen und arbeiten die Menschen. Für sie braucht es Kultur-, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen, Verkehrsinfrastruktur sowie Energie- und Wasserversorgung. Zu erbringen haben das die Städte, Gemeinden und Landkreise. Doch leisten können sie dies nur mit ausreichend finanzieller Ausstattung. Hierfür gilt es, wieder eine nachhaltige Grundlage der Lastenverteilung zu schaffen.

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