Schwerpunkt: Finanzierung der Kommunen

Sanierung kommunaler Haushalte eine bundespolitische Aufgabe?

Die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise hat Deutschland in die stärkste Rezession seit Bestehen der Bundesrepublik gestürzt. Mit minus fünf Prozent war das Bruttoinlandsprodukt in 2009 so stark rückläufig wie noch nie in der Nachkriegszeit. Im Zuge dieser Entwicklung stieg das öffentliche Finanzierungsdefizit im Jahr 2009 auf über 100 Milliarden Euro. Dies war das bislang höchste Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte in Deutschland.

Überraschend schnell ist die deutsche Wirtschaft bereits im Jahr 2010 wieder auf Wachstumskurs umgeschwenkt, der sich auch im Verlauf des Jahres 2011 weiter fortsetzt. Dennoch belastet der wirtschaftliche Einbruch des Jahres 2009 die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen nach wie vor enorm.

Ausgangslage in den Kommunen

Besonders deutlich spürbar waren die Auswirkungen in den Kommunen. Innerhalb nur eines Jahres stürzte der kommunale Finanzierungssaldo um fast 15 Milliarden Euro auf minus 7,2 Milliarden Euro im Jahr 2009 ab, gefolgt von einem Rekorddefizit im Jahr 2010 von minus 7,7 Milliarden Euro.

Tatsächlich ist die Schieflage der kommunalen Finanzen nicht allein der Krise geschuldet, sondern Ergebnis einer sich seit Jahren vollziehenden Entwicklung. Betrachtet man einmal die Finanzierungssalden der Kommunen über einen längeren Zeitraum (1992 bis 2010) zeigt sich, dass die Kommunen lediglich in den kurzen Drei-Jahres-Zeiträumen von 1998 bis 2000 und 2006 bis 2008 Finanzierungsüberschüsse erzielen konnten.

Verbesserung der Einnahmen

In den anderen dreizehn Jahren verzeichneten die Städte und Gemeinden Finanzierungsdefizite von durchschnittlich minus 5,5 Milliarden Euro jährlich. Tatsache ist also: Die Kommunen in Deutschland sind strukturell unterfinanziert! Dies ist einerseits ein Einnahmen-, andererseits ein Ausgabenproblem.

In den Beratungen der Gemeindefinanzkommission 2010 und 2011 ist es der kommunalen Seite gelungen, die von einigen politischen Kräften angestrebte Abschaffung der Gewerbesteuer als der wichtigsten kommunalen Einnahmequelle der Städte und Gemeinden abzuwehren. Dies ist als eindeutiger Erfolg der Kommunen zu werten.

Allerdings ist es umgekehrt den Kommunen nicht gelungen, die eigentlich erforderliche Stärkung, Stabilisierung und Verstetigung der Gewerbesteuer zu erreichen.

Hier bleibt also noch einiges zu tun. Gefordert ist der Herr über die entscheidende Steuergesetzgebung, also der Bund. Steuersenkungen und die dadurch bedingten Steuerausfälle sind für die Städte und Gemeinden nicht zu verkraften. Insofern sind Versprechungen von Steuerermäßigungen das völlig falsche Signal!

Nach der Steuerschätzung vom November 2011 können auch die Kommunen mit Steuermehreinnahmen rechnen. Das ist eine gute Nachricht. Dennoch kann für die kommunalen Haushalte keine Entwarnung gegeben werden. Die Haushaltslage der Kommunen ist nach wie vor äußerst angespannt.

Auch im Jahr 2011 driften kommunale Einnahmen und Ausgaben auseinander. Für das Jahr 2011 rechnen wir mit einem kommunalen Finanzierungsdefizit von minus drei Milliarden Euro. Erst Ende 2012 könnte sich im bundesweiten Saldo eine "schwarze Null" ergeben, allerdings ohne Abbau der Altschulden.

Die kommunale Verschuldung lag Ende 2010 bei gut 120 Milliarden Euro. Während die langfristige Verschuldung der Kommunen zur Deckung investiver Ausgaben seit Jahren zurückgeht, spielen die Kassenkredite in der kommunalen Wirklichkeit eine immer größere Rolle. Rund ein Drittel - also über 40 Milliarden Euro - der kommunalen Verschuldung entfallen auf Kassenkredite, also auf kreditfinanzierte laufende Ausgaben!

Steigende Sozialausgaben

Der seit Jahren anhaltende rasante Anstieg der Kassenkredite ist ein deutliches Zeichen dafür, dass zwischen kommunalen Einnahmen auf der einen und Aufgaben beziehungsweise Ausgaben auf der anderen Seite eine enorme Lücke klafft.

Zugleich engt die wachsende Zins- und Tilgungslast den Finanzspielraum für notwendige Erhaltungs- und Neubauinvestionen immer weiter ein.

Zentrales Problem der kommunalen Finanzlage ist neben der unzureichenden Einnahmesituation die Entwicklung der Sozialausgaben. Diese haben sich seit der Wiedervereinigung mit über 42 Milliarden Euro im Jahr 2010 fast verdoppelt. Das überfordert die kommunalen Haushalte. Dabei gewinnt die Entwicklung der Sozialausgaben weiter an Dynamik. Während die Sozialausgaben in dem Zehnjahres-Zeitraum von 1992 bis 2002 um rund sechs Milliarden Euro stiegen, wird für die Dekade von 2002 bis 2012 ein Anstieg von über 16 Milliarden Euro auf fast 45 Milliarden Euro erwartet.

So sind die Ausgaben der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen in den vergangenen Jahren um rund fünf Prozent pro Jahr auf inzwischen 13,8 Milliarden Euro angestiegen. Die Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung haben sich seit der Einführung im Jahr 2003 - also in nur acht Jahren - gar verdreifacht. Im Jahr 2010 betrugen die Ausgaben hierfür 4,1 Milliarden Euro.

Übernahme der Grundsicherung

Vor diesem Hintergrund hat sich der Bund im Rahmen der Gemeindefinanzkommission verpflichtet, die Kosten der Grundsicherung über die bisherige Bundesbeteiligung hinaus in drei Stufen ab 2012 vollständig zu übernehmen. Dies ist von den kommunalen Spitzenverbänden ausdrücklich begrüßt worden. Allerdings enttäuscht das Gesetz, mit dem die Entlastung umgesetzt werden soll. So wird zunächst nur die 1. Stufe der Entlastung im Jahr 2012 geregelt. Die schrittweise Erhöhung der Bundesbeteiligung in den Jahren 2013 und 2014 ist einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren vorbehalten.

Planungssicherheit für die kommunalen Haushalte gibt es somit nur bedingt. Zudem wird bei der Höhe der Erstattung auf die Nettoausgaben im Vorvorjahr abgestellt, anstatt sich an den tatsächlichen Nettoausgaben zu orientieren. Damit bleibt das "Gesetz zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen" hinter den Zusagen zurück.

Wer Ausgaben des Staates reduzieren und Verschuldung bremsen möchte, kommt letzten Endes um eine kritische Analyse der Finanzierungssystematik des Sozialbereichs nicht herum. Die Politik hat über Jahrzehnte die Bürger daran gewöhnt, dass es immer mehr und bessere Leistungen vom Staat gibt. In das öffentliche Bewusstsein muss gelangen, dass diese Leistungen auch bezahlt werden müssen.

Umbau der Finanzierung des Sozialstaates

Der weitere Anstieg sozialer Leistungen stellt die Kommunen vor unüberwindbare Finanzprobleme. Für neue Wohltaten fehlt schlichtweg das Geld. Der überwiegende Teil der Leistungen und Angebote im Sozialbereich, aber ebenso auch im Bereich der Kinderbetreuung und der

Jugendhilfe, sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die demgemäß auch von allen drei Ebenen - Bund, Ländern und Gemeinden - gemeinsam zu tragen wären und nicht nur von der kommunalen Ebene alleine. Insbesondere der Bund als der entscheidende Gesetzgeber im Sozial- und Jugendbereich ist hier gefragt!

Inzwischen haben mehrere Bundesländer erkannt, dass die kommunale Finanznot und die damit verbundene drohende oder bereits eingetretene Handlungsunfähigkeit vieler Städte und Gemeinden nicht länger hingenommen werden kann. Kommunale Stärkungs- und Entschuldungsprogramme sind erste wichtige Hilfestellungen der Länder, um Kommunen mit hoher Verschuldung einen Ausweg aus der Vergeblichkeitsfalle - man spart und spart und trotzdem steigt die Verschuldung - zu zeigen. Sie sind zugleich ein positives Signal dahingehend, dass der Haftungsverbund zwischen Bund, Ländern und Kommunen funktioniert. Die Unterstützungsprogramme der Länder können aber nur dann dauerhaft Wirkung zeigen, wenn gleichzeitig auf Bundesebene Fehler der Vergangenheit korrigiert und in der Zukunft vermieden werden.

Zentrale Rolle der Kommunen

Die Gemeinden und Städte erbringen einen Großteil der öffentlichen Leistungen, die für das tägliche Leben der Menschen in unserem Lande von grundlegender Bedeutung sind. Mit ihren Angeboten vor Ort - von der Kinderbetreuung, den Schulen und Krankenhäusern über die soziale Fürsorge, Wirtschaftsförderung und Leistungen der Daseinsvorsorge bis hin zu Kultur, Freizeit und Verkehrsinfrastruktur - sind die Kommunen Garanten für Zusammenleben, Arbeiten und Wirtschaften in unserem Land. Zugleich sind die Städte und Gemeinden in der Vergangenheit im Investitionsbereich wichtigster öffentlicher Auftraggeber für Hoch- und Tiefbau und für Handwerksbetriebe gewesen.

Die Notwendigkeit verstärkter Investitionstätigkeit der Städte, Landkreise und Gemeinden ist unbestritten: Das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) hat den kommunalen Investitionsbedarf für die Jahre 2006 bis 2020 mit insgesamt 704 Milliarden Euro ermittelt, vom Straßenbau über den Abwasserbereich bis zu Schulen und Sportstätten. Und dies allein, um die vorhandene Infrastruktur in einem gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten. Tatsächlich investieren die deutschen Städte und Gemeinden aber jährlich weniger als die Hälfte der eigentlich erforderlichen Summen. Die Folge ist ein schleichender Verfall kommunaler Straßen und Gebäude und damit eine schrittweise Vernichtung kommunalen Vermögens.

Können die Kommunen ihre notwendigen Leistungen mangels Finanzkraft nicht mehr erbringen, gerät die Stabilität des bundesdeutschen Staats- und Gesellschaftssystems ins Wanken.

Natürlich ist jede Kommune zunächst gefordert, ihren eigenen Spar- und Konsolidierungsbeitrag zu leisten. Dies geschieht auch seit vielen Jahren in der großen Mehrzahl der Städte und Gemeinden. Wobei inzwischen klar geworden ist, dass viele Kommunen aus eigener Kraft keinen Ausweg aus der Finanzmisere finden können. Zu einer grundlegenden Reform der Kommunalfinanzen durch Bund und Länder sowohl auf der Einnahmen als auch insbesondere auf der Ausgabenseite gibt es letztlich keine wirkliche Alternative.

Bund und Länder müssen dafür Sorge tragen, dass die Kommunen ihre Aufgaben angemessen erfüllen können, sei es durch Verbesserung der Einnahmen, sei es durch Entlastung bei den Ausgaben. Aufgrund der bundesrepublikanischen Zuständigkeitsordnung in der Gesetzgebung kommt dabei der Bundesebene die entscheidende Schlüsselstellung zur Sanierung der kommunalen Haushalte zu.

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