Leitartikel

Her mit dem Best(s)eller-Prinzip

Wer verteidigt Deutschlands Verfassung? Die Bundesverfassungsrichter, die Medien, die mündigen Bürger? Kann sein oder auch nicht. Jedenfalls sind die wahren Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit die Makler. Ja, ja, ganz richtig gehört. Die "Immobilienberater" sind davon überzeugt, die Republik vor den Plänen eines Bundesjustizministers schützen zu müssen, die in ihren Augen im krassen Widerspruch zum Grundgesetz stehen. Es gehe um nicht weniger als die (Vertrags-)Freiheit. Doch was hat die Bundesregierung Ungeheuerliches vor? Sie will, dass auch im Wohnungsmarkt gilt, was in allen anderen Wirtschaftsbereichen schon gang und gäbe ist, nämlich dass derjenige, der bestellt, auch zahlt. Da liegt es doch wohl auf der Hand, dass die Makler gegen ein solches Ansinnen zum Widerstand aufrufen. Mit einer Online-Petition soll jetzt aufbegehrt und der breite Bürgerwillen artikuliert werden. Denn hat nicht die deutsche Geschichte gezeigt, dass die Macht der Straße durchaus Regierungen und ganze politische Systeme hinwegfegen kann. Da sollte ein Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium doch kein Problem sein? 6 500 Unterzeichner hat die Petition, das sind etwa so viele wie der Immobilienverband Deutschland (IVD), die bundesweite Interessenvertretung der Makler und Organisator der Protestaktion, an Mitgliedsunternehmen hat. Ein überwältigender Plebiszit sieht anders aus.

Damit nicht genug, schwingt der IVD zugleich die juristische Keule. Dazu wird extra ein Staatsrechtler um Argumentationshilfe bemüht. Wenig überraschend äußert der beauftragte Mainzer Prof. Dr. Friedhelm Hufen in seinem Gutachten "verfassungsrechtliche Bedenken" gegen das "Bestellerprinzips" im Referentenentwurf. Demnach würden Vermieter und Vermittler einseitig für die Unterlassungen und Fehlsteuerungen der deutschen Wohnungspolitik bestraft. Zudem drohe der Gleichheitsgrundsatz verletzt zu werden, weil das Gesetz nicht zwischen bedürftigen und betuchten Mietern unterscheide. Für Letztere, so den Annahme, sei die Courtage doch eine zumutbare Belastung. Vor allem aber schürt das Gutachten Angst - vor "grauen Märkten", "mehr oder weniger seriösen Internet-Börsen", dem "Weiterreichen von Wohnungen' unter der Hand'" et cetera. Tatsächlich können Immobilienportale und Social-Media-Plattformen Wohnungsanbieter und -nachfrager schneller zusammenbringen und zugleich ein höheres Maß an Markttransparenz bieten, als es den Vermittlern recht ist. Und so bangen die Makler wohl zu Recht, dass künftig Vermieter auf ihre Dienste verzichten, wenn sie dafür zahlen müssen.

Leider fällt dem IVD auf die neuen Herausforderungen nur die Verteidigung des Status quo ein. Tatsächlich gilt auf dem deutschen Wohnungsmarkt noch immer das Recht des Stärkeren. Denn der Makler fordert seine Courtage von der Vertragspartei, die in der schwächeren Verhandlungsposition ist. In den Lagen mit Angebotsmangel müssen deshalb bislang die Wohnungssuchenden den Vermittler bezahlen, obwohl der im Auftrag des Vermieters das Objekt inseriert, die Vertragsgestaltung übernimmt und die Interessenten vorschlägt. Besser wäre es, auf ein gesetzlich festgeschriebenes "echtes" Bestellerprinzip zu drängen. Denn bislang orientiert sich der Referentenentwurf daran, dass der Vermieter, wenn er einen Makler beauftragt, diesen auch zu bezahlen hat und die Kosten nicht auf den Mieter abwälzen darf. Doch wie verhält es sich, wenn der Wohnungssuchende einen Makler einschaltet? Dazu findet sich in der Vorlage zu wenig. An dieser Stelle muss nachgearbeitet werden. Ziel des Gesetzes sollte es sein, Vermieter und Mieter gleich zu behandeln. "Wer bestellt, der zahlt." Dieser Grundsatz muss endlich auch im deutschen Wohnungsmarkt gelten.

Mit dem neuen Gesetz bietet sich die Möglichkeit, den Wohnungsmarkt transparenter und damit auch gerechter zu gestalten. Denn es ist mitnichten so, dass durch die neuen Regeln ein ganzer Berufsstand überflüssig wird. Im Gegenteil, die Makler könnten künftig gefragter denn je sein - als kundige Berater ohne Interessenkonflikte. Vorbild ist der gewerbliche Immobilienmarkt: Hier betraut der Mieter einen Berater mit der Flächensuche, während der Immobilieneigentümer sein Objekt von einem eigenen Makler vermarkten lässt. In der Folge verhandeln die beiden Makler fach- und sachkundig im Interesse ihres jeweiligen Mandanten die Transaktion. Natürlich kann dieses Verfahren im kleinteiligen Mietwohnungsbereich nur dann funktionieren, wenn es als Mengengeschäft betrieben wird. Dazu braucht es zwei Voraussetzungen: Erstens werden sich die Makler spezialisieren müssen - auf Mietinteressenten oder Vermieter. Zweitens wird man die Höhe und Berechnung der Courtage an die jeweilige Kundschaft anpassen müssen. Es sind also neue Geschäftsmodelle gefragt. Darin sollten die Makler und ihre Interessenvertretung IVD eine Chance sehen und konstruktiv auf die gesetzliche Neuregelung einwirken. So kann aus einem Bestellerprinzip ein Bestseller-Prinzip werden - zum Vorteil auch der Makler.

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