Mipim Special

Mittel- und Osteuropa - Perspektiven und Potenziale aus Sicht einer Immobilienbank

Der europäische Gedanke hat in den letzten Jahren für die Staaten in Mittel- und Osteuropa zu neuen Entwicklungsmöglichkeiten und interessanten Perspektiven geführt. Die bis Ende der achtziger Jahre durchaus abschätzig als "Ostblock" benannten Länder haben seither eine dynamische ökonomische Entwicklung genommen, deren Verlauf zwar je nach Land unterschiedlich, in der Gesamtbetrachtung jedoch beachtlich ist. Die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat das Wachstum dieser Länder zwar ebenfalls gebremst, doch bereits für 2011 wird erwartet, dass es zwei Prozentpunkte über dem Wachstum Westeuropas liegen wird. Immobilieninvestoren zeigen wieder ein so starkes Interesse an diesen Märkten, dass sich das Transaktionsvolumen für Gewerbeimmobilien im Jahr 2010 auf etwa fünf Milliarden Euro steigerte und damit im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelte. Etwa drei Viertel des Transaktionsvolumens wurden in Polen und Russland generiert. Die Westdeutsche Immobilienbank hat ihre Geschäftstätigkeit im Wesentlichen auf die Visegrád-Gruppe fokussiert, das heißt auf die Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei, die sich insbesondere durch Kooperation untereinander und Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den westeuropäischen Staaten und den USA auszeichnen. Polen: wirtschaftliche Sonderstellung Polen nimmt unter den Staaten Mittel- und Osteuropas eine wirtschaftliche Sonderstellung ein, die vor allem der starken Binnennachfrage und dem Export geschuldet ist. Die polnische Wirtschaft gehörte zu den wenigen Volkswirtschaften weltweit, die die globale Finanz- und Wirtschaftskrise ohne Rezession und mit positiven Wachstumszahlen überstehen konnten. Das Wachstum verringerte sich zwar im Jahr 2009 auf 1,7 Prozent, aber bereits 2010 wurden wieder stattliche 3,6 Prozent erreicht. Für 2011 wird mit 4,0 Prozent Wirtschaftswachstum gerechnet. Durch den Erhalt vieler Arbeitsplätze blieb auch das Konsumklima auf hohem Niveau. Die starke Binnennachfrage unterstützt vor allem den Einzelhandel, während die Exportnachfrage aus Westeuropa sowie zunehmend auch aus Osteuropa, vor allem aus Russland, die Logistikbranche fördert. Diese positive wirtschaftliche Entwicklung darf beim Immobilienmarkt allerdings nicht den Blick auf die Risiken verstellen, die vor allem im Einzelhandel beispielsweise durch die Abwertung des Zloty entstanden sind. Da die meisten Mieter ihre Miete in Euro oder US-Dollar zahlen, aber ihre Geschäftsumsätze in lokaler Währung tätigen, war die Abwertung des Zloty im Jahr 2009 Ursache für Umsatzeinbußen und Insolvenz einiger Einzelhändler. Derzeitige Prognosen gehen jedoch wieder von einer Normalisierung des Wechselkurses aus. Das Risiko von Wechselkursschwankungen besteht aber auch weiterhin, solange Polen nicht der Eurozone beitritt. Neuer Liebling der Investoren Durch die positive Entwicklung der polnischen Wirtschaft während der globalen Wirtschaftskrise wurden viele internationale Investoren auf Polen aufmerksam. Vor allem in Warschau stieg das Transaktionsvolumen durch Ankäufe von Investoren aus dem Ausland. Lokale Investoren sind bisher eher zurückhaltend, weil noch keine Erholung der Vermietungsmärkte eingesetzt hat. In Warschau stiegen die Nettoanfangsrenditen für Spitzenbüroobjekte zwischen 2007 und 2009 um 175 Basispunkte, bevor sie im Jahr 2010 durch den Wettbewerb vieler Investoren bei gleichzeitig knappem Angebot um 40 Basispunkte sanken. Seit Mitte 2010 haben sich Büromieten in Warschau stabilisiert. Bisher ist jedoch noch kein Mietwachstum absehbar, obwohl die Spitzenrenditen durch den hohen Investitionsdruck sinken. Das Ergebnis sind steigende Kapitalwerte, die aber noch nicht durch den Vermietungsmarkt gerechtfertigt werden. Vielmehr antizipieren Investoren die Erholung und sind bereit, höhere Preise zu zahlen. Charakteristisch für den Einzelhandelsmarkt in Polen ist, dass sich moderne Einkaufsflächen nicht in Einkaufsstraßen, sondern in Shoppingcentern befinden. 73 Prozent des Bestands an Einzelhandelsflächen sind in Einkaufszentren, die restlichen 27 Prozent des Flächenbestands beziehen sich auf Fachmärkte, Supermärkte und Outlet Center. In den letzten Jahren wurden viele neue Flächen in sekundären und sogar tertiären Lagen entwickelt, wodurch die Einzelhandelsdichte pro Einwohner stark gestiegen ist. In einigen Fällen, insbesondere im Warschauer Raum, existiert bereits ein Überangebot. Zukünftige Einzelhandelsentwicklungen werden nur Erfolg haben, wenn die lokale Einzelhandelsdichte in Relation zum verfügbaren Einkommen vertretbar ist. Entwickler werden sich auf die Sanierung oder Erweiterung von Centern mit guter Performance diversifizieren und auf Neubau-Entwicklungen in dezentralen Lagen eher verzichten. Der Logistikmarkt kann aufgrund des immer noch rückständigen Straßennetzwerkes mit dem Wachstum der polnischen Wirtschaft nicht Schritt halten. Zur Vorbereitung auf die Fußball-Europameisterschaft 2012 werden zurzeit in Polen drei neue Autobahnen gebaut und eine Zugstrecke erneuert. Das verbesserte Straßennetz wird langfristig einen deutlichen Einfluss auf die Logistikbranche haben und die Standorte entlang des neuen Straßennetzes werden an Bedeutung gewinnen. Tschechische Republik: weiterhin positiver Trend erwartet Die tschechische Wirtschaft wuchs im Jahr 2010 nach einem 4-prozentigen Rückgang im Jahr 2009 unerwartet stark. Dieses Wachstum war investitionsgetrieben und staatliche Fördermaßnahmen hatten daran einen erheblichen Anteil. Aufgrund des Auslaufens dieser Förderung und Einsparungen im Staatshaushalt wird das Wachstum voraussichtlich schwächer sein, die zyklische Erholung scheint jedoch nicht gefährdet. Analysten sehen ein Wachstum von knapp über zwei Prozent für 2011 als realistisch an. Das Währungsrisiko ist als berechenbar einzustufen. Der tschechische Immobilienmarkt wurde nicht so hart von der Rezession im Jahr 2009 getroffen. Im Büroflächensektor dominiert der Standort Prag. Der Büroflächenumsatz konnte sich dort im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr nicht erheblich verbessern, trotzdem wurden verschiedene neue spekulative Büroprojekte wie im Stadtteil Karlin oder in Prag 4 gestartet, die 2012 auf den Markt kommen werden. Des Weiteren bleibt der Einfluss der Offenen Immobilienfonds abzuwarten, von denen einige auf der Käuferseite aktiv waren. Da weitere Mietrückgänge im Spitzensegment nicht zu erwarten sind, scheint der Tiefpunkt im Mietzyklus erreicht zu sein. Der Einzelhandel ist dagegen weiter auf Expansionskurs, allerdings auf regionale Standorte konzentriert. Während bisher vor allem die Shoppingcenter profitierten, wird in Zukunft in den Regionen im Osten des Landes eine Ausweitung von Fachmarktzentren erwartet, weil sie dem lokalen Kaufkraftgefüge dort eher entsprechen. An etablierten Standorten werden sowohl von Mietern als auch von Investoren Core-Produkte nachgefragt. Hier sanken zwar die Mieten leicht, die Nachfrage nach gut gelegenen Centern durch expansive Einzelhändler ist aber hoch. Unsicherheitsfaktor bleibt die moderate Erwartung an das Konsumklima und die wachsende Diskrepanz zwischen guten und schwächeren Shoppingcentern. Im Logistikbereich ist anzumerken, dass das Autobahnnetz durch Infrastrukturprojekte verbessert wurde. Die Nachfrage nach modernen Logistikflächen war auch im letzten Jahr hoch. An einigen Standorten ist es schwer, adäquate Flächen zu mieten, was ein Zeichen für die Attraktivität und die positive Stimmung in der Export- und Transportbranche ist. Für das Jahr 2011 erwarten wir einen positiven Trend bei den effektiven Mieten. Ungarn: positive Signale trotz schwacher Konjunktur Ungarn befand sich bereits in einer schwierigen Lage, bevor sich die globale Finanz- und Wirtschaftskrise entfaltete. Während das Land in zehn Jahren bis 2006 Wachstumszahlen von über zehn Prozent per annum erreicht hatte, mussten schließlich ab dem Jahr 2006 deutliche Sparmaßnahmen eingeführt werden, um die Verschuldungsvorgabe der Europäischen Union einzuhalten. Das Haushaltsdefizit wurde von über neun Prozent auf 3,8 Prozent im Jahr 2010 reduziert. Allerdings konnte Ungarn dadurch kurzfristige Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen und war auf Hilfe des Internationalen Währungsfonds angewiesen, von dem das Land während der Krise Unterstützung in Höhe von 20 Milliarden Euro erhielt. Im Gegenzug verhinderten die strengen Auflagen des IWF eine Unterstützung der Konjunktur durch Fiskal- oder geldpolitische Maßnahmen. Die globale Wirtschaftskrise, sinkende Exportnachfrage und schwacher Konsum führten schließlich 2009 zu einem Rückgang der Wirtschaft um 6,3 Prozent. Zwar erholte sich das Wirtschaftswachstum wieder auf 1,1 Prozent im Jahr 2010, doch auch für 2011 wird nur ein schwaches Wachstum erwartet. Die unsichere wirtschaftliche Lage spiegelt sich an den Immobilienmärkten wider. Spitzenbüroimmobilien nähern sich zwar dem Tiefpunkt im Mietzyklus, aber selbst der dominierende Markt Budapest erholt sich deutlich langsamer als andere mittel- und osteuropäische Immobilienmärkte. Der Vermietungsumsatz ist größtenteils von Mietern geprägt, die ihre Unternehmen verkleinern und neue, kleinere Flächen anmieten. Für eine Expansion ist die wirtschaftliche Lage in Ungarn noch zu unsicher. Daher ist mit einer langwierigen und nur langsamen Erholung zu rechnen, die außerhalb des Spitzensegments noch deutlich träger ausfallen wird. Der Einzelhandel leidet unter der gestiegenen Arbeitslosigkeit und sinkenden Konsumausgaben. Der Tiefpunkt der Einzelhandelsmieten ist noch nicht absehbar, denn bei steigendem Leerstand haben Mieter ein großes Angebot an alternativen Flächen. Die großen Labels nutzen die Gelegenheit, bessere Einzelhandelsflächen in erstklassigen Lagen anzumieten. Auf der Kehrseite entsteht dadurch ein Überangebot an veralteten oder Flächen in Nebenlagen. Ungarn besitzt die beste Infrastruktur in Mittel- und Osteuropa. Dies in Kombination mit niedrigen Löhnen und gut ausgebildeten Arbeitskräften macht Ungarn zu einem attraktiven Produktionsstandort, wovon auch die Logistikbranche profitiert. Slowakei: attraktiver, stark konzentrierter Markt In der Slowakei wurde bereits 2009 der Euro eingeführt. Um ausländische Investoren anzulocken, verabschiedete die Regierung eine unternehmerfreundliche Einheitssteuer (Flat Tax) von 19 Prozent. Neben dem einfachen Steuersystem schätzen Unternehmen auch das niedrige Lohnniveau, die politische Stabilität und die geografische Nähe zu Österreich, die den Gütertransport Richtung Westeuropa erleichtert. Der wichtigste Handelspartner ist Deutschland mit 20 Prozent des slowakischen Ex-portvolumens. Die Wirtschaft in der Slowakei ist stark geprägt von der Automobilbranche und Automobilzulieferern. Zwischen 2001 und 2008 erzielte die Slowakei ein sehr starkes Wirtschaftswachstum, das aber durch einen Rückgang um fünf Prozent im Jahr 2009 gebremst wurde. Die Abwrackprämie in Deutschland sorgte auch in der Slowakei für eine Wiederbelebung der Automobilindustrie und die Wirtschaft erholte sich 2010 auf plus 4,0 Prozent Wachstum. Die Slowakei ist stark abhängig von der westlichen Konjunktur, was sich auch in der Kaufkraft des Landes bemerkbar macht. In Bratislava im Westen ist sie am höchsten, Richtung Osten wird sie schwächer. Der Büroimmobilienmarkt in der Slowakei begrenzt sich für institutionelle Investoren auf Bratislava und das direkte Umland der Hauptstadt. Seit Mitte 2008 ist dort ein Rückgang der Spitzenmieten zu verzeichnen. Durch die sehr restriktive Neubau-Pipeline stieg der Leerstand weniger stark an als in anderen osteuropäischen Metropolen. Eine Rückkehr zu positivem Mietpreiswachstum ist aber noch nicht erkennbar. Seit 2005 wurde der Flächenbestand im Einzelhandel verdoppelt. Dies ist auf die steigende Kaufkraft zurückzuführen, wobei sich 40 Prozent der Flächen auf Bratislava konzentrieren. Einige regionale Zentren sind unterversorgt, sodass hier noch Potenzial für die Entwicklung besteht. Die Entwicklung neuer Einkaufsflächen sollte aber immer vor dem Hintergrund des West-Ost-Gefälles der Kaufkraft geschehen. Auch der Logistikmarkt konzentriert sich auf Bratislava, denn hier finden sich 90 Prozent aller Logistikflächen. Zwar wurde die Logistikbranche durch die Exportnachfrage aus Westeuropa belebt, aber die Nachfrage konnte sich noch nicht von der Krise erholen. Investoren sind derzeit sehr vorsichtig und es werden keine spekulativen Neubauten initiiert. Allerdings besteht darin auch das größte Potenzial, denn der Leerstand wird bei ansteigender Nachfrage relativ schnell abgebaut, sodass sich Mieten und Renditen schnell erholen dürften.

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