Schwerpunkt Immobilien an der Börse

Strategien gegen Marktanomalien

Die Immofinanz Group ist seit dem Jahr 1996 an der Wiener Börse gelistet und seit März 2011 im Leitindex ATX vertreten. Seit Mai 2013 sind die Aktien zudem an der Börse Warschau notiert. Das Unternehmen verfügt über ein Portfolio von mehr als 1 810 Immobilien und einem Buchwert von rund 10,49 Milliarden Euro. Die heutige Stärke verdankt der Konzern einem Sanierungsund Restrukturierungskurs, der Ende 2008 eingeschlagen und 2010 beendet wurde. Damit einher ging auch die Einführung einer nachhaltigen Dividendenpolitik. Das war ein Novum für die bis dahin auf Thesaurierung ausgerichteten österreichischen Immobilienaktiengesellschaften, die dem Beispiel folgten und mittlerweile ebenfalls Ausschüttungen vornehmen.

Abgestraft für Osteuropa

Diese Entwicklung des Unternehmens, das nunmehr einen Optimierungs- und Wachstumskurs eingeschlagen hat, spiegelt sich allerdings nur teilweise in der Bewertung durch den Finanzmarkt wider. Zwar konnte sich der Aktienkurs vom Tief bei 0,28 Euro (Ende 2009) wieder auf bis zu 3,416 Euro (Dezember 2012) erholen, der Abschlag zum Net Asset Value (NAV) liegt aber nach wie vor deutlich im zweistelligen Bereich (Aktienkurs per 10. Juni 2013: 3,163 Euro, NAV per 31. Jänner 2013: 5,62 Euro). Eine ähnlich hohe Lücke zwischen Aktienkurs und NAV ist auch bei der österreichischen Peergroup zu beobachten, die ebenfalls - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - in Osteuropa investiert.

Für diesen Abschlag sind vor allem zwei Komponenten ausschlaggebend: Zum einen ist die Konjunktur in Europa momentan zu schwach, um für die Immobilienbranche Impulse zu liefern. Die osteuropäischen Volkswirtschaften wachsen zwar schneller und sind weniger verschuldet als die westeuropäischen Staaten - es reicht aber derzeit nicht aus, um eine Wachstumsstory darzustellen.

Zum anderen werden österreichische Unternehmen, die in Osteuropa tätig sind, für dieses Engagement zusätzlich "abgestraft" beziehungsweise "ignoriert" - dies gilt vor allem für Investoren im angloamerikanischen Raum. Hier wirken noch immer diverse Aussagen von Nobelpreisträgern aus den USA nach, die unter anderem prophezeiten, dass die österreichischen Banken und die osteuropäischen Staaten bankrott gehen - was bekanntlich nicht passiert ist.

Das Portfolio der Immofinanz Group befindet sich rund zur Hälfte in Ostund Westeuropa. Der Konzern verdient allerdings in Osteuropa deutlich mehr Geld als im Westen (gemessen am EBITDA). Für die Gesamtrendite ihrer Immobilien in Mittel- und Osteuropa (CEE) von 2010 bis 2012 wurde das Unter nehmen vor kurzem mit dem "IPD Property Investment Award in Central & Eastern Europe for balanced funds" prämiert. Das Portfolio weist im Dreijahreszeitraum eine durchschnittliche Rendite von 10,9 Prozent auf. Damit werden die realistisch-konservative Bewertung in der Krise sowie die Erfolge aktiven Asset Managements und intensiver Kundenbetreuung vor Ort dokumentiert.

Zahlreiche Investoren schenken diesen Faktoren derzeit allerdings wenig oder keine Beachtung. Das Unternehmen versucht, dieser Marktanomalie mit verschiedenen Maßnahmen entgegen zu wirken.

Schritt nach Warschau

Das Zweitlisting an der Warsaw Stock Exchange (WSE) ist einer dieser Schritte, mit dem Ziel, die Visibilität und die Liquidität in der Aktie zu erhöhen. Es sollen vor allem polnische Pensionsfonds angesprochen werden, die bislang nicht oder nur begrenzt in Immofinanz investieren konnten. So dürfen diese Pensionsfonds maximal fünf Prozent ihrer verwalteten Assets in Wertpapieren anlegen, die in ausländischer Währung denominiert sind.

Diese Limitierung der Auslandsinvestments ist laut Experten ein Grund für das starke Wachstum des polnischen Kapitalmarkts in den zurückliegenden Jahren seit 1999 (als das Pensionssystem einer Reform unterzogen wurde). Die Investments der Pensionsfonds stiegen laut OECD-Daten von 4,6 Milliarden US-Dollar im Jahr 2001 auf 74 Milliar-den US-Dollar im Jahr 2010. Diese starke Investorenbasis zog auch vermehrt ausländische Emittenten nach Warschau, sodass der Börsenplatz in puncto Marktkapitalisierung zur Nummer 1 in der CEE-Region aufgestiegen ist.

Polen hat zudem in den vergangenen Jahren zahlreiche Privatisierungen über den Kapitalmarkt durchgeführt, darunter auch die WSE selbst. "Die enge Verbindung und die Zusammenarbeit zwischen der polnischen Regierung und der Warsaw Stock Exchange dürfte einer der wichtigsten Antriebsfaktoren für die polnische Erfolgsstory der vergangenen Jahre sein", heißt es diesbezüglich in einer aktuellen Studie der Wirtschaftsuniversität Wien ("The Globalization of Capital Markets and the Competitiveness of the Vienna Stock Exchange", Februar 2013).

Die Immofinanz blickt bereits auf eine mehrjährige Erfahrung mit dem Warschauer Börsenplatz zurück. Denn vor der Verschmelzung von Immoeast und Immofinanz zum heutigen Konzern wurde die Immoeast-Aktie an der WSE gehandelt. Diese Notiz fiel allerdings im Jahr 2010 als Folge der gesellschaftsrechtlichen Änderung weg. Neben der Attraktivität des Börsenplatzes waren vor allem deutlich geringere Listing-Hürden ausschlaggebend für die Entscheidung zur Rückkehr.

So obliegt mittlerweile dem Emittenten die Entscheidung, ob er den Berichtspflichten in polnischer oder englischer Sprache nachkommen will. Das stellt für ein ausländisches Unternehmen eine große Erleichterung dar, da die vormals notwendige Verfassung von Quartalsberichten, Ad-hoc-Meldungen et cetera in polnischer Sprache sehr zeitaufwendig war.

Die ersten fünf Wochen an der Börse Warschau erlauben eine erste positive Zwischenbilanz: Mit Ausnahme von einigen Ausreißern liegt der Stückumsatz in Warschau bei zehn Prozent bis einmal sogar knapp 50 Prozent des Umsatzes in Wien. Und es ist bislang nicht zu erkennen, dass der Handel in Warschau auf der Liquidität in Wien lastet. Die aktuell hohe Anlegernachfrage für deutsche Wohnimmobilienaktien eröffnet zudem eine Opportunität für das westeuropäische Residential-Segment des Unternehmens, das in der Tochtergesellschaft Buwog - Bauen und Wohnen GmbH zusammengefasst ist.

Während das Immobilienportfolio, das auf vier Assetklassen (Büro, Einzelhandel, Wohnimmobilien und Logistik) und acht Kernländern (Österreich, Deutschland, Russland, Polen, Rumänien, Tschechien, Slowakei und Ungarn) beruht, unter dem Gesichtspunkt der Risikodiversifikation als durchaus ausgewogen anzusehen ist, bezeichnen es etliche Investoren als "zu komplex" - wohl dahingehend gemeint, dass sie nicht selbst die Entscheidung zwischen tiefer rentierenden Wohnimmobilien in sogenannten "sicheren" Märkten, wie eben Deutschland und Österreich, und höher rentierenden kommerziellen Immobilieninvestments in Osteuropa treffen können.

Opportunität für Wohnungsbaugesellschaften

Vor diesem Hintergrund wird die Abgabe eines Mehrheitsanteils an der Buwog via Börsengang in Frankfurt am Main geprüft. Investoren sind bekanntlich bereit, für deutsche Wohnimmobilienaktien den NAV beziehungsweise einen Aufschlag darauf zu bezahlen. Das Geschäftsmodell der Buwog basiert nicht nur auf Vermietung, sondern auch auf Wohnungsverkauf und Development und unterscheidet sich vor allem im letzten Punkt von jenem der deutschen Peers.

Die Immobilien der Buwog befinden sich derzeit schwerpunktmäßig in Österreich, das Deutschland-Exposure soll allerdings deutlich ausgebaut werden. Gelingt es, in den nächsten Wochen und Monaten rund 10 000 deutsche Wohnungen zuzukaufen, ist ein Börsengang in Deutschland im Schlussquartal dieses Jahres möglich.

Das angepeilte Ergebnis: Ein Wohnimmobilienportfolio in der Buwog, das vom Markt zumindest mit dem NAV bewertet wird, sowie eine Verbesserung wichtiger Kennzahlen bei der Immofinanz (geringere Loan-to-Value-Ratio, höhere Durchschnittsren dite) und eine Konzentration auf höher rentierende gewerbliche Immobilien in Osteuropa.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X