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Nahversorgungsimmobilien - Wohnortnähe und Aufenthaltsqualität als Erfolgsfaktor

Handelsimmobilien sind in der Vielfalt ihrer Betriebsformen komplexer als beispielsweise Büro-, Hotel- oder Logistikimmobilien, weisen im Gegenzug aber - abhängig von den gehandelten Waren und des Standortes - ebenfalls bedeutende Vorteile gegenüber anderen Immobiliensegmenten auf. Als Ergebnis der Studie "Nahversorgungsimmobilien in Deutschland 2014 - Markttrends und Investmentchancen", welche Bulwiengesa im Auftrag der TLG Immobilien durchgeführt hat, lässt sich die Attraktivität von Nahversorgungsimmobilien dabei im Wesentlichen auf drei Aspekte zurückführen:

Steigende Ausgaben für Lebensmittel sprechen für die Zukunftsfähigkeit und Stabilität von Nahversorgungsimmobilien. Während die Nachfrage nach Angeboten des kurzfristigen Bedarfs, insbesondere Lebensmittel und Drogerieartikel, im Zeitraum zwischen 2001 und 2011 mit einem Plus von 13,4 Prozent deutlich angestiegen ist, haben sich die Ausgaben für mittel- und langfristige Bedarfsgüter verringert. Vor allem die Ausgaben für Bekleidungsbedarf (- 11,3 Prozent), Einrichtungsgegenstände (- 9,5 Prozent) und Haushaltswaren (- 6,9 Prozent) waren während dieses Zeitraums durch einen Rückgang gekennzeichnet.

Darüber hinaus kann die zu erwartende Pro-Kopf-Ausgabensteigerung im Bereich der Nahversorgung den erwarteten Einwohnerverlust in Deutschland von etwa - 0,25 Prozent pro Jahr bis 2030 ausgleichen. Grund für steigende Pro-Kopf-Ausgaben ist im Wesentlichen das wachsende Qualitätsbewusstsein der jüngeren Bevölkerung, die auch im Lebensmittelsegment bereit sind, höhere Preise zu bezahlen. Auch werden höhere Preise akzeptiert, wenn sich diese über einen besseren Service begründen lassen.

Hinzu kommt das restriktive deutsche Planungsrecht. Dieses sorgt bei vielen ausgewiesenen Nahversorgungsflächen de facto für einen Bestands- beziehungsweise Wettbewerbsschutz, da neue Standorte außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche meist schwer zu realisieren sind. Ebenfalls auf das restriktive deutsche Baurecht ist das verstärkte Interesse der Mieter zurückzuführen, sich die Standorte möglichst langfristig zu sichern. So haben neu abgeschlossene Mietverträge für Nahversorgungsimmobilien häufig lange Laufzeiten und verfügen oft über weitere Verlängerungsoptionen. Zusammen mit der guten Bonität vieler Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel bedeutet dies entsprechend langfristig gesicherte Mieterträge für den Immobilieneigentümer.

Schließlich liegt der dritte Vorteil dieser Assetklasse in den gehandelten Waren selbst. Denn Ausgaben für Lebensmittel sind prinzipiell wenig flexibel. Einschränkungen bei der Qualität der Lebensmittel können zwar akzeptiert werden, auf deren Konsum kann jedoch nicht verzichtet werden.

Die Analyse der immobilienwirtschaftlichen Kennzahlen zeigt eine positive Dynamik bei den Mieten. Sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland haben sich die durchschnittlichen Mieten für Lebensmittelanbieter seit dem Jahr 2000 stabil entwickelt (siehe Abbildung 1). Mit Blick auf die Lebensmitteldiscounter (diese machen in Deutschland den größten Anteil unter den Betriebsformen aus) wird sogar deutlich, dass ostdeutsche Märkte die Mieten im Vergleich der Zeiträume 2010 bis 2014 und 2005 bis 2009 durchschnittlich um 7,4 Prozent auf rund 10,20 Euro pro Quadratmeter und Monat anheben konnten, während die Mieten entsprechender Märkte in Westdeutschland um 3,3 Prozent auf zirka 11,60 Euro pro Quadratmeter und Monat zurückgingen. Das zum Teil stärkere Mietpreiswachstum in Ostdeutschland liegt unter anderem in der Kaufkraftentwicklung begründet. Historisch bedingt ist die Kaufkraft in Ostdeutschland im Vergleich zu den westlichen Bundesländern niedriger, stieg aber im Zeitverlauf teilweise stärker an als in den westlichen Bundesländern.

Steigende Mieten und vergleichsweise hohe Renditen

Einen Hinweis darauf, dass die stabile Mietentwicklung im Nahversorgungssegment zunehmend auch die Nachfrage der Investoren in Ostdeutschland weckt, gibt die Analyse der Renditen wider. Zwar spiegelt die in den vergangenen Jahren zu beobachtende Renditeentwicklung das stärkere Interesse der Investoren an Berlin und den westdeutschen A- und B-Städten, jedoch ist auffällig, dass ostdeutsche Städte wie Leipzig und Dresden mehr und mehr in den Investmentfokus rücken. Denn im Zehnjahreszeitraum zwischen 2004 und 2013 sanken die Renditen hier um 1,2 Prozentpunkte, während sie in der vergleichbaren Kategorie in Westdeutschland lediglich um 1,0 Prozentpunkte zurückgingen. Gleichzeitig wird im Vergleich zu anderen Immobilienanlageklassen das hohe Renditeniveau in Ost und West von über 6,0 Prozent deutlich. Insbesondere die regionalen Wachstumszentren Erfurt, Magdeburg, Rostock und Potsdam zeichnen sich durch vergleichsweise hohe Renditen aus. Diese bieten bei gleichem oder einem leicht höheren Risiko entsprechend höhere Renditen von bis zu 7,2 Prozent. Der verhältnismäßig starke Renditerückgang in den ostdeutschen Nebenlagen (siehe Abbildung 2) ist im Wesentlichen auch darauf zurückzuführen, dass sich die Käufe bislang vorwiegend auf moderne Neubauten mit bonitätsstarken Mietern wie Rewe oder Aldi und einer langen Mietvertragsdauer beschränken. Dementsprechend hoch waren hier zuletzt die Kaufpreise - und die Nettoanfangsrenditen relativ niedrig.

Erfolgsfaktoren des stationären Handelns

Der vielgepriesene "Wandel im Handel" macht auch vor Lebensmittelhändlern nicht Halt - schließlich drängen Anbieter wie "Allyouneed.com" oder "myTime. de" mit ihrem Service, Lebensmittel online bestellen zu können, auf den Markt. Eine Befragung von Expansionsleitern Deutschlands führender Lebensmittelanbieter verdeutlicht, dass die Erhöhung der Aufenthaltsqualität und die Stärkung der Wohlfühlfunktion in den Märkten derzeit oberste Priorität besitzen. Als wesentliche Erfolgsfaktoren neben der Ladengestaltung kommt es auf kompetentes und freundliches Personal an - gerade auch hinter den Bedienungstheken - wenn es darum geht, die Kundenbindung zu erhöhen. Letztendlich werden die Kommunikation und die persönliche Ansprache sowie die Servicequalität als stärkste Argumente des stationären Handels gesehen. Darüber hinaus spielt der Frischeaspekt bei schnell verderblichen Produkten eine entscheidende Rolle.

Im Hinblick auf die Expansionsstrategie stehen die Wohnortnähe des Marktes im Mittelpunkt sowie eine insgesamt verkehrsgünstige Lage in der Stadt. Standorte auf der "Grünen Wiese" sind inzwischen grundsätzlich wenig gefragt. Der Ausbau des Filialnetzes im ländlichen Raum wird, so wie im Falle Pennys, dann angekurbelt, wenn das Bevölkerungspotenzial - auch perspektivisch - am jeweiligen Standort vorhanden ist.

Bisher wenig Bedarf für Lebensmitteleinkauf online

Eine repräsentative telefonische Befragung der Bulwiengesa AG, durchgeführt im März 2014 unter 1 000 Haushalten, zeigt die geringe Bedeutung, die der Online-Lebensmittelkauf aus Sicht der Konsumenten bislang besitzt. Lediglich elf Prozent der Befragten haben bereits einmal Lebensmittel im Internet eingekauft. Derzeit nimmt E-Commerce im Lebensmittelbereich lediglich für Spezialitätenanbieter eine wichtige Position ein. So haben rund zwei Drittel der Befragten, die bereits einmal Lebensmittel online eingekauft haben, ausschließlich Spezialitäten im Internet erworben, die in den Lebensmittelmärkten ihrer Umgebung nicht erhältlich sind. Dazu gehören in erster Linie Wein, Schokolade oder Feinkost. Auf die Frage, was gewährleistet sein müsste, damit die Befragten zukünftig vermehrt Lebensmittel im Internet einkaufen werden, kristallisierten sich zwei Hauptaspekte heraus: Zum einen eine zuverlässige Lieferung, zum anderen der Faktor Qualität im Zusammenhang mit einer Frischegarantie der Produkte.

Es sind genau diese zwei Stellschrauben, die Frische der Produkte und der Wunsch der Konsumenten nach einer problemlosen Warenzustellung, die der stationäre Lebensmittelhandel künftig verstärkt im Blick haben muss. Mit dem Fokus auf eine noch wohnortnähere Versorgung der Menschen einhergehend mit einer Steigerung der Aufenthaltsund Servicequalität schlagen die Expansionsleiter die richtige Richtung ein. Wer frische Lebensmittel bequem "um die Ecke" einkaufen kann, wird nicht darauf hoffen, dass diese pünktlich und frisch geliefert werden. Von daher stellen Nahversorgungsimmobilien eine attraktive Assetklasse dar, sofern bei der Investitionsentscheidung nicht nur der langfristige Mietvertrag, sondern ebenfalls die nachhaltige Standortqualität im Vordergrund steht.

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