Gender Management

Neue Formen der Bürgerbeteiligung in der Stadtentwicklung

Jüngst wurde vom Bundestag eine En-quete-Kommission zum Thema Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität eingesetzt. Die im Parlament vertretenen Parteien haben dafür 17 Kommissionsmitglieder aus der Wissenschaft benannt - keine einzige Frau ist dabei. Damit werden wichtige Potenziale verschenkt. Denn ein Aspekt von Lebensqualität ist die Gestalt und Gestaltung der deutschen Städte und Gebäude.

Mehr weibliche Kompetenz einbinden

Hier mehr weibliche Kompetenz einzubinden würde bedeuten, die weiblichen Lebens- und Arbeitsformen oder -bedürfnisse besser analysieren und integrieren zu können - mit positiven Folgen für Stadtplanung und Städtebau. Gleiches gilt für das Management von Immobilienunternehmen. Auch hier sind Frauen momentan noch deutlich unterrepräsentiert. Zwar gibt es mittlerweile gute erste Ansätze. Insgesamt kommt die weibliche Sicht auf Stadt- und Immobilienprojekte allerdings noch zu kurz.

Aussagen zu geschlechtsspezifischen Präferenz-Unterschieden beim Thema "Stadt und Immobilie" drohen schnell in holzschnittartige Klischees zu münden. Auch muss vorausgeschickt werden, dass etwaige geschlechtsspezifische Unterschiede nicht zwangsläufig auf biologischen Gegebenheiten, sondern oft auf tradiertem Verhalten basieren. Nichtsdestotrotz gilt: Der unterschiedliche Blickwinkel auf Stadt- und Immobilienplanung betrifft wichtige Punkte wie Erreichbarkeit und Anbindung, Sicherheit und beispielsweise die öffentliche Mitbestimmung in der Stadtentwicklung.

Höhere Bedeutung der Sicherheit

Die Erreichbarkeit von Immobilien ist Frauen oft wichtiger als Männern. Konkret heißt dies, dass sie mehr Wert auf gut ausgebaute und sichere Fuß- und Radwege sowie eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr legen - hierzu zählen auch Wartehäuser an den Haltestellen. Beim Thema Sicherheit zeigen sich ebenfalls andere Auffassungen. Schlecht beleuchtete Parkplätze, die von der Wohnung oder dem Büro weit entfernt sind, rufen bei Frauen ein größeres Unbehagen hervor als bei Männern.

Eine frauendominierte Arbeitsgruppe des Deutschen Olympischen Sportbunds zum mädchen- und frauengerechten Sportstättenbau arbeitete zudem heraus, dass Frauen Wert auf angemessenen Sichtschutz, überschaubare Raumzuordnungen, größere Garderoben und barrierefreie Zuwegungen legen. Die meisten dieser Punkte dürften nicht nur für Sportstätten, sondern jeden Baukomplex gelten.

Das Thema Mitbestimmung und Bürgerpartizipation bei großen Bauprojekten hat spätestens seit der Diskussion um Stuttgart 21 an Bedeutung gewonnen. Interessant in diesem Zusammenhang: Eine Diskussionsrunde über frauenfreundliche Sportstätten in Kassel kam bereits vor zwei Jahren zu dem Ergebnis, dass bei großen Projekten beispielsweise die häufig übliche Bürgerversammlung nicht die dominierende Form der Bürgerpartizipation bleiben sollte.

Bürgerversammlung nur ein Weg

Die Mitbestimmung sollte vielmehr dahingehend erweitert werden, auch Menschen volle Mitwirkungsmöglichkeiten zu geben, die sich nicht öffentlich äußern wollen. Damit dürften explizit nicht nur Frauen gemeint sein - wobei es sicherlich auch bei der Frage, ob und wie sich Personen in der Öffentlichkeit darstellen, geschlechterspezifische Unterschiede gibt. Neben der klassischen Bürgerversammlung könnten zusätzliche Beteiligungselemente wie Straßeninterviews oder Fragebogenaktionen etabliert werden, hieß es auf der Veranstaltung.

Die weibliche Sicht auf Stadtentwicklung und Immobilienprojekte bietet Chancen auf wertvolle Impulse und kann dazu beitragen, Städte, Baukomplexe und Immobilien für die Bevölkerung besser zu machen. In der Immobilienwirtschaft selbst sind Frauen immer noch unterrepräsentiert.

Allerdings gibt es gute Ansätze und Unternehmen mit Vorbildcharakter - ein Beispiel ist die Dr. Sasse AG, ein Facility-Management-Unternehmen in München, das nach eigenen Angaben einen Frauenanteil von 56 Prozent im unteren, mittleren und Top-Management aufweist und sich im Branchenverband GEFMA German Facility Management Association für eine stärkere Position von Frauen einsetzt.

Frauenquote - Freiwilligkeit versus Pflicht

Im übergeordneten Branchenverband ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss ist die Initiative "Frauen in der Immobilienwirtschaft" angedockt. Zudem wird der noch geringe Frauenanteil zumindest zum Teil durch den demografischen Wandel mehr oder weniger automatisch gelöst. Aufgrund der demografischen Veränderungen entsteht in Deutschland eine Lücke auf dem Arbeitsmarkt, die nur gedeckt werden kann, wenn mehr Frauen erwerbstätig werden. Und letztlich wird auch die Drohung der EU-Kommissarin Viviane Reding Wirkung zeigen, eine verbindliche Frauenquote einzuführen, wenn der Frauenanteil in den Führungspositionen der Wirtschaft nicht kurzfristig steigt.

Die Immobilienbranche hat die Chance, in einer wichtigen gesellschaftlichen Entwicklung eine Vorreiterrolle einzunehmen, wenn sie in ihren Unternehmen die erforderlichen Strukturen schafft, um für Frauen attraktiver zu werden. Hierzu finden sich unter den Stichpunkten "Vereinbarkeit Familie und Beruf" und "Anpassung der Firmenkultur und Aufstiegsmechanismen" hinreichend Beispiele in anderen Sektoren, die mindestens dem gleichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind.

Bessere "Produkte" für die Zielkunden

Durch solche Firmenpolitik in den deutschen Immobilienunternehmen könnten die Arbeitsbedingungen für Frauen verbessert werden. In der Folge würden die "Produkte" der Unternehmen - also Sportstätten, Wohnhäuser, Büroimmobilien und beispielsweise auch die professionellen Dienstleistungen rund um die Gebäude wie deren Reinigung - mittelfristig verbessert. Und hiervon wiederum profitieren nicht nur die Frauen, sondern sicherlich auch die Männer.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X