Schwerpunkt: Immobilien an der Börse

Niederländische REITs - Vorbild für Deutschland?

Anders als in Deutschland haben sich Real Estate Investment Trusts (REITs) in den Niederlanden als Anlagevehikel etabliert. Ein großer Vorteil niederländischer REITs ist die Möglichkeit, in Bestandswohnungen investieren zu dürfen. Die Niederlande waren das erste europäische Land, das unter der Bezeichnung "fiscale beleggingsinstelling" (FBI) eine REIT-Struktur für Immobilienunternehmen etablierte. Bereits seit 1969 ist es in den Niederlanden möglich, Anteile an dieser speziellen Form der Immobilienanlage zu erwerben. In den letzten 40 Jahren haben sich FBIs als feste Größe im Immobiliensektor etabliert. Im Jahr 2008 gab es nach Angaben von Ernst & Young in den Niederlanden insgesamt acht börsennotierte REITs mit einer Marktkapitalisierung von insgesamt 12,2 Milliarden US-Dollar. Hinzu kommt eine Vielzahl nicht notierter Gesellschaften.

Tradition und Vielfalt

Der REIT-Status ist in den Niederlanden anders als in Deutschland mit verschiedenen Gesellschaftsformen vereinbar. In der Regel handelt es sich bei der niederländischen Version des REITs um einen Fonds in Form einer Kapitalgesellschaft. Dies kann entweder eine Aktiengesellschaft (Naamloze Vennootschap/N. V.) oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Besloten Vennootschap/B. V.) sein. Eine Börsennotierung ist möglich, anders als in Deutschland aber nicht zwingend erforderlich. Zusätzlich können in den Niederlanden auch Offene Immobilienfonds den REIT-Status erhalten.

Grundsätzlich weisen die deutsche und die niederländische Version des REIT in den Anforderungen und Anlagebeschränkungen viele Gemeinsamkeiten auf. Für beide gelten klare Vorgaben zum Streubesitz der Anteile sowie zu Ausschüttungs- und Finanzierungsquoten. Im Detail jedoch gibt es zahlreiche Unterschiede. So ist zum Beispiel die Fremdkapitalaufnahme für einen deutschen REIT auf 55 Prozent des Immobilienvermögens beschränkt. In den Niederlanden dürfen REITs bis zu 60 Prozent des Buchwertes der Immobilien fremd finanzieren. Nur am Rande sei hier angemerkt, dass die 60-Prozentgrenze derzeit keine echte Einschränkung darstellt, da Banken in der jetzigen Marktsituation ohnehin zurückhaltend sind, einen höheren Leverage zuzulassen. Ein anderer Unterschied zwischen deutschen und niederländischen REITs besteht im Umfang der Gewinnausschüttungen. Während in Deutschland die Ausschüttungsquote 90 Prozent beträgt, müssen niederländische REITs 100 Prozent des ausschüttungsfähigen Gewinns an die Anleger weiterreichen, wobei aber eine Wiederanlagereserve geschaffen werden kann.

Ein formeller Unterschied besteht in der Besteuerung. In Deutschland sind REITs steuertransparent, da sie auf Unternehmensebene weder der Körperschaftsnoch der Gewerbesteuer unterliegen. Die Besteuerung findet in Deutschland ausschließlich auf Anlegerebene statt. Niederländische REITs hingegen sind prinzipiell auf Unternehmensebene steuerpflichtig, allerdings gilt dabei ein auf Null reduzierter Körperschaftssteuersatz. Das Resultat ist daher für den Anleger gleich: Während der REIT keine Steuern zahlt, muss der Anleger den ausgeschütteten Ertrag versteuern.

Steuerliche Besonderheit

An dieser Stelle sei eine Besonderheit des niederländischen Steuerrechts erwähnt. Bei der Ermittlung der Steuer aus Anlageaktivitäten wird nämlich nicht der wirkliche Ertrag des Kapitals herangezogen. Vielmehr dient eine hypothetische vierprozentige Verzinsung des Kapitals als Bemessungsgrundlage. Bei einem individuellen Steuersatz von 30 Prozent ergibt sich so eine effektive Steuerlast in Höhe von 1,2 Prozent auf das investierte Kapital. Diese vom tatsächlichen Ertrag der Anlage unabhängige Berechnung der Steuerlast vereinfacht zwar den Prozess der Steuererhebung, sie bestraft jedoch den Anleger, der ein schlechtes Investment eingeht. Schließlich muss auch er - selbst wenn das Investment keinen Ertrag erzielt - die volle Steuerlast tragen. Auf der anderen Seite profitiert der Investor, der mit seiner Kapitalanlage eine Verzinsung von mehr als vier Prozent erreicht. Er muss den Teil des Ertrages, der die vier Prozent übersteigt, nicht versteuern. Der für Anleger gerade im jetzigen Markt wohl wichtigste Unterschied zwischen einem deutschen und einem niederländischen REIT besteht in der Möglichkeit, in Wohnimmobilien anzulegen. Während deutsche REITs in Wohnungen, die vor dem 1. Januar 2007 gebaut wurden, nicht investieren dürfen, gibt es für REITs in den Niederlanden keine derartige Beschränkung. Damit ist es niederländischen REITs möglich, von den Vorteilen eines Wohnimmobilieninvestments zu profitieren. Diese Investitionsmöglichkeit ist für niederländische REITs besonders wichtig, da gerade der niederländische Wohnimmobilienmarkt für Investoren viele Vorzüge bietet.

Besonderer Mietmarkt

Der Mietmarkt für Wohnimmobilien in den Niederlanden unterscheidet sich in einigen Merkmalen wesentlich vom deutschen: Die Mieten sind in den Niederlanden stark reguliert. Lediglich für sechs Prozent der Mietimmobilien sind die Mieten frei verhandelbar. Bei rund 94 Prozent aller Mietwohnungen ist der Mietpreis durch Vorgaben der niederländischen Regierung nach oben begrenzt.

Die Höhe der Mieten wird über ein Punktbewertungssystem (Woning Waarderingsstelsel, WWS) ermittelt. Dabei wird den jeweiligen Merkmalen der Immobilie (zum Beispiel Größe, Lage, Ausstattung) ein entsprechender Punktwert zugeschrieben. Die Höhe der Miete ist dann vom jeweiligen Punktwert abhängig. Übersteigt der Punktewert einer Wohnung einen bestimmten Schwellenwert, gilt die Mietpreisregulierung nicht. Die Mieten sind dann frei verhandelbar. In diesem Segment sind für Vermieter zum Teil sehr lukrative Mietabschlüsse möglich.

Eine andere Besonderheit des niederländischen Immobilienmarktes erhöht die Attraktivität des nicht regulierten Wohnimmobiliensektors zusätzlich: In den Niederlanden sind auch bei Wohnimmobilien inflationsindexierte Mietverträge der Standard und nicht wie in Deutschland die Ausnahme. Dabei wird die Miete ohne besondere Formalien jährlich in Höhe der Inflationsrate erhöht, zum Teil sogar noch darüber hinaus. Auch im regulierten Bereich des Marktes sind die Mietverträge überwiegend inflationsindexiert. Vermieter dürfen demnach einmal jährlich die Mietpreise um die Inflationsrate des Vorjahres erhöhen. Im Jahr 2008 lag die Inflationsrate in den Niederlanden bei 2,2 Prozent. Die zulässige Mietpreissteigerung für den Zeitraum Juli 2009 bis Juni 2010 beträgt damit ebenfalls 2,2 Prozent. Für viele Regionen in Deutschland hingegen sind Mietpreissteigerungen unterhalb der Inflationsrate der Regelfall. Ein Investment in den niederländischen Wohnimmobilienmarkt dürfte für Anleger daher einen besseren Inflationsschutz bieten.

Vor allem ist ein Investment in niederländische Wohnimmobilien wegen des noch immer großen ungedeckten Bedarfs an geeigneten Wohnimmobilien interessant. Gründe hierfür sind das zu geringe Neubauvolumen und die weiter wachsende Nachfrage. Seit Ende der 1990er Jahre hat die Anzahl neu errichteter Wohneinheiten kontinuierlich abgenommen. 1998 vergrößerte sich der Wohnungs- und Häuserbestand noch um mehr als 100000 Einheiten. Im Jahr 2003 hingegen wurden nur noch 45000 Wohnungen neu errichtet. In den Jahren nach diesem Tiefstand nahm die Anzahl der Neubauten zwar für einige Jahre wieder zu. Allerdings deuten die inzwischen wieder gesunkenen Zahlen von Baugenehmigungen und Baufertigstellungen einen erneuten Trendwechsel an. Das geringe Fertigstellungsvolumen hat inzwischen zu einem erkennbaren Angebotsmangel geführt, der von der niederländischen Regierung auf etwa 2,5Prozent des Wohnungsbestandes von insgesamt 7,1 Millionen Wohneinheiten eingeschätzt wird.

Das zu geringe Neubauvolumen trifft in den Niederlanden auf eine positive demografische Entwicklung. Denn anders als in Deutschland wächst die Bevölkerung in den Niederlanden. Bis zum Jahr 2025 prognostiziert das Statistikamt der Niederlande einen Anstieg um insgesamt rund fünf Prozent. Damit gehören die Niederlande zu den wenigen Ländern Europas, die in den kommenden Jahren steigende Einwohnerzahlen verzeichnen werden. Außerdem steigt ähnlich wie in Deutschland die Zahl der Haushalte zusätzlich an, da immer weniger Menschen in einem Haushalt leben. Die Anzahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte nimmt stetig zu. Bis zum Jahr 2025 soll die Zahl der Haushalte um rund zehn Prozent beziehungsweise etwa 750000 Haushalte zunehmen.

Wachsende Bevölkerung

Die geringe Anzahl an Neubauten und die dynamische Bevölkerungsentwicklung führten bereits in der Vergangenheit zu einem hohen Druck auf die Kaufpreise von Wohnimmobilien. Zur Jahrtausendwende zeigten die Hauspreise in den Niederlanden daher über mehrere Jahre zweistellige Zuwachsraten. In den Jahren nach 2001 verlangsamte sich der Preisaufschwung. Im Zuge der Finanzkrise kam es im ersten Halbjahr 2009 dann auch in den Niederlanden zu einem leichten Rückgang der Hauspreise. Grundlegend ist die Nachfrage nach Wohnraum in den Niederlanden jedoch größer als das Angebot. Dies ist vor allem im bevölkerungsreichen Westen des

Landes, der Randstad, spürbar. Dort sind derzeit nur 1,2 Prozent aller Wohnungen im Bestand der Wohngesellschaften vakant. Dabei sind in den Großstädten bereits etwa zwei Drittel des Leerstands Umbau- und Renovierungsmaßnahmen zuzuschreiben.

Anders als in Deutschland ist der niederländische REIT fest etabliert und er hatte über 40 Jahre Zeit, sich zu entwickeln. Zudem gibt es in den Niederlanden Rahmenbedingungen, die eine gute Entwicklung begünstigten. So brauchen die Gesellschaften nicht börsennotiert zu sein, was es vielen Immobilienunternehmen erleichtert, schnell und unkompliziert den REIT-Status zu erlangen. Hinzu kommt, dass REITs in den Niederlanden in mehreren Rechtsformen möglich sind. Allgemein lässt sich sagen, dass die rechtlichen Vorgaben in den Niederlanden einfacher zu handhaben sind als in Deutschland. Ein entscheidender Vorteil niederländischer REITs ist zudem die Möglichkeit, in Bestandswohnimmobilien zu investieren. Dies ist umso wichtiger, da gerade der niederländische Wohnimmobilienmarkt interessante Investitionsbedingungen bietet und die Niederlande für europäische Verhältnisse ein deutliches Bevölkerungswachstum aufweisen.

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