Schwerpunkt Bewertungsfragen

Plausibilisierung von Gutachten - worauf kommt es an?

Die Qualitätskontrolle von Immobiliengutachten gehört zum Alltag in der Immobilienfinanzierungs-Branche. Doch ist eine Plausibilisierung überhaupt erforderlich? Diese Tätigkeit kostet wertvolle Zeit und bindet zusätzliche Kapazitäten. Sind Gutachter denn nicht ausreichend qualifiziert? Nur fundiertes Fachwissen und Berufserfahrung lassen den Gutachter die Zusammenhänge des sich ständig verändernden Immobilienmarktes und die daraus resultierenden wertrelevanten Ansätze erkennen. Dies ist die Grundlage einer markt- und risikogerechten Bewertung von Immobilien in ihren Märkten. Hierfür ist nicht nur eine fundierte Ausbildung, sondern auch eine konsequente strukturierte Weiterbildung erforderlich.

Detaillierte gesetzliche Anforderungen

Bei der notwendigen Bewertung von Immobilien sind in jedem Fall verschiedene Gesetze, Anweisungen, Richtlinien und Vorschriften zu berücksichtigen. Die Beleihung von Immobilien basiert dabei auf zwei Werten:

- Verkehrs-/Marktwert nach § 194 Baugesetzbuch (BauGB) in Verbindung mit der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) und

- Beleihungswert nach § 16 des Pfandbriefgesetzes (PfandBG) unter Berücksichtigung der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV).

Für sämtliche Kreditinstitute, die bebaute und unbebaute Grundstücke beleihen und Pfandbriefe emittieren, ist die Bel-WertV verbindlich vorgeschrieben und entsprechend zwingend einzuhalten. Die Einhaltung der Vorgaben der BelWertV ist Voraussetzung für die Aufnahme in den Hypothekendeckungsstock. Darüber hinaus fordert das PfandBG unter anderem eine regelmäßige Prüfung der Gutachten auf Deckungsstockfähigkeit durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Generell müssen Gutachten immer nachvollziehbar, plausibel und begründet sein, damit sie den hohen aufsichtsrechtlichen Anforderungen der BaFin gerecht werden.

Die tägliche Praxis in der Berlin Hyp zeigt, dass eine Qualitätskontrolle, insbesondere bei extern erstellten, nicht durch die Bank selbst beauftragten Gutachten, erforderlich ist. Die Plausibilisierung beschränkt sich dabei auf die wertrelevanten Ansätze und die formalen Vorgaben.

Zu Beginn der Plausibilisierung nehmen die Sachverständigen der Berlin Hyp üblicherweise die Anlagen (Fotodokumentation, Flurkarte, Lageplan, Stadtplan und so weiter) zum Gutachten in Augenschein, um einen ersten Eindruck von der bewerteten Immobilie zu bekommen. Die Fotodokumentation weist auf den allgemeinen Bauzustand, die Bauweise sowie Besonderheiten der Immobilie hin. Gegebenenfalls werden in diesem Zusammenhang Instandhaltungsrückstände ersichtlich. Durch diese Unterlagen wird auch der Besichtigungsumfang dokumentiert.

Besichtigung ist Pflicht

Grundsätzlich ist für die Objektbewertung eine Innen- und Außenbesichtigung durchzuführen. Eine nicht erfolgte Besichtigung von Wohn- oder Gewerbeeinheiten hat bei einer Deckungsprüfung durch die BaFin ein Monitum zur Folge. Dementsprechend müsste die Innenbesichtigung von Einheiten in diesen Fällen nachgeholt werden.

Lediglich bei der Vergabe von Kleindarlehen (Beleihung eines Objektes, bei dem der abzusichernde Darlehensbetrag unter Einbeziehung aller Vorlasten den Betrag von 400 000 Euro nicht übersteigt) für wohnwirtschaftlich genutzte und im Inland gelegene Objekte kann im Einzelfall gemäß § 24 der BelWertV auf eine Innenbesichtigung verzichtet werden, wenn die Immobilie innerhalb der letzten zehn Jahre fertiggestellt worden ist oder ein Abschlag in Höhe von mindestens zehn Prozent auf das Ergebnis der Beleihungswertermittlung vorgenommen wurde.

Die BelWertV weist ausdrücklich darauf hin, dass die Gründe für das Unterbleiben der Besichtigung bei Kleindarlehen nachvollziehbar zu beschreiben sind. Der Person, die die Wertermittlung durchführt, müssen die wesentlichen Bewertungsparameter hinreichend bekannt sein. Wenn keine aussagefähigen Unterlagen (zum Beispiel Bau-, Ausstattungs- und Zustandsbeschreibung, Grundrisse, Lage im Objekt) vorliegen, negative Objekteigenschaften bekannt sind oder bei der Außenbesichtigung erkenntlich wurden, ist eine Innenbesichtigung unumgänglich. Nach Ansicht der BaFin stellt der Verzicht auf die Innenbesichtigung bei Kleindarlehen eine Ausnahmesituation dar und darf nicht als Regelfall verstanden werden. Eine fallbezogene Einzelprüfung ist unabdingbar.

Ferner ist bei der Plausibilisierung auch zu prüfen, ob dem Gutachter ein Mindestmaß an Unterlagen zur Verfügung gestanden hat. In Abhängigkeit von der Objektart und den rechtlichen Gegebenheiten sind Mindestunterlagen erforderlich. So müssen zur Prüfung der Pfandidentität eines Objektes die Flurkarte und/oder ein amtlicher Lageplan vorliegen. Zudem sind nachvollziehbare Kostenaufstellungen für Projekte oder Sanierungsmaßnahmen unabdingbar, damit der Gutachter eine Aussage über deren Angemessenheit treffen kann.

Wie können bei Nichtvorlage eines vollständigen und aktuellen Grundbuchauszuges beispielsweise die unter Umständen wertmindernden Lasten in Abteilung II Berücksichtigung finden? Sofern keine schriftliche Auskunft aus dem Baulastenverzeichnis vorliegt, kann hierzu nicht Stellung genommen werden.

Ohne eine nachvollziehbare und aktuelle Mietertragsaufstellung kann keine qualifizierte Bewertung der Immobilie erfolgen. Im Gutachten sind die der Bewertung zugrunde gelegten Unterlagen aufzuführen und das Erstellungsdatum ist zu vermerken.

Gutachten, die als Basis für die Beleihung von Objekten dienen, sind ausschließlich von der finanzierenden Bank zu beauftragen beziehungsweise von den internen Gutachtern zu erstellen. Ein vom Kreditnehmer eingereichtes Gutachten ist als Parteigutachten abzulehnen. In § 5 Bel-WertV wird unter anderem darauf hingewiesen, dass in besonderen Fällen (meist im Rahmen von Kooperationen oder bei Portfoliokäufen) für andere Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen erstellte Gutachten zugrunde gelegt werden können. Voraussetzung ist allerdings, dass ein nicht mit der Kreditentscheidung befasster, fachkundiger Mitarbeiter der Bank die Plausibilitätsprüfung durchführt und zwar auch im Hinblick auf die einzelnen angesetzten Bewertungsparameter. Das Ergebnis dieser Plausibilitätsprüfung muss dokumentiert werden.

Die Plausibilitätsprüfung in der Praxis

Im Wesentlichen beschränkt sich die Überprüfung der Gutachten auf die Risikofaktoren, die den Wert einer Immobilie beeinflussen und bestimmen. Im Einzelnen sind dies die Pfandidentität, die Nachhaltigkeit der Mietansätze, die Restnutzungsdauer, der Liegenschaftsbeziehungsweise Kapitalisierungszinssatz, die Bewirtschaftungskosten als Einzelansätze, das Modernisierungsrisiko im Beleihungswert, der Bodenwert, die Herstellungskosten und die Marktanpassung.

Die folgenden aus der täglichen Praxis stammenden Beispiele stellen häufig auftretende Mängel im Gutachten dar.

-> In der Objektbeschreibung für ein zu bewertendes Mehrfamilienhaus werden 20 Wohneinheiten und zwei Ladeneinheiten in zentraler Innenstadtlage mit guter ÖPNV-Anbindung beschrieben.

Die Berechnungstabelle, in dem der Wert der Immobilien ermittelt wird, fußt allerdings auf 21 Wohneinheiten und einer

Ladeneinheit. Der Kartenausschnitt in der Anlage zum Gutachten weist eindeutig eine Randlage zur Innenstadt ohne erkennbare öffentliche Verkehrsanbindung aus.

-> Für eine große Wohnanlage mit insgesamt 1450 Einheiten wird mit Hilfe von Quellenangaben und Recherchen eine nachhaltig erzielbare Miete in Höhe von 5,50 Euro pro Quadratmeter erachtet. Die Berechnung für den Verkehrs-/ Marktwert und Beleihungswert erfolgt jedoch nur mit 5,20 Euro. Darüber hinaus wird der Ansatz von mindestens fünf Prozent für den Kapitalisierungszinssatz nach der BelWertV nicht eingehalten, da 4,5 Prozent angesetzt werden.

-> Bei der Besichtigung eines Bürogebäudes stellt der Gutachter einen Instandhaltungsrückstau fest. Im Gutachten wird deshalb pauschal ein Betrag in Höhe von 50 000 Euro bei der Ermittlung des Verkehrs-/Marktwertes und des Beleihungswertes berücksichtigt. Die Nachvollziehbarkeit des Abzuges ist nicht gegeben, da keine Beschreibung der betroffenen Gewerke erfolgt ist und anteilige Kostenangaben fehlen. Auch die Fotodokumentation lässt keinen Rückstau erkennen.

-> Ein um 1920 errichtetes und nicht laufend instandgehaltenes Mehrfamilienhaus weist keine zeitgemäße Ausstattung auf. Der Gutachter schätzt die wirtschaftliche Restnutzungsdauer auf 25 Jahre. Nach § 13 BelWertV muss bei einer Restnutzungsdauer unter 30 Jahren der Beleihungswert jedoch nach dem vereinfachten Verfahren (keine Bodenwertverzinsung und keine Berücksichtigung des Bodenwertes) ermittelt werden. Im beschriebenen Beispiel wurde dies versäumt.

Die hohe Anzahl von zum Teil wertrelevanten und formalen Fehlern in den vorgelegten Gutachten erstaunt fast täglich neu und zeigt immer wieder deutlich, wie wichtig eine gute Aus- sowie Weiterbildung der Gutachter ist. Die Berlin Hyp hat sich selbst einen sehr hohen Qualitätsstandard auferlegt. Im Bereich Wertermittlung des Kreditinstituts werden ohne Ausnahme Gutachten nach dem Vieraugenprinzip erstellt und durch eine zweite fachkundige und erfahrene Person des Bereiches Wertermittlung zusätzlich auf Plausibilität und Nachvollziehbarkeit geprüft. Die Prüfung wird durch einen entsprechenden Stempel mit Datum und Unterschrift dokumentiert.

Alle Gutachter der Bank sind nach Hypzert zertifiziert und unter anderem in den Fachgruppen der Hypzert GmbH vertreten. Sie sind nach Objektarten und Regionen in Deutschland spezialisiert und arbeiten schwerpunktmäßig dementsprechend. Durch die Mitarbeit in den Bewertungsausschüssen des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), des Verbandes Deutscher Pfandbriefbanken (vdp) und des Zentralen Immobilien Ausschusses e.V. (ZIA) findet ein ständiger Informations- und Erfahrungsaustausch statt.

Dienstleister der Sparkassen

Im Rahmen der Umstrukturierungen im Konzern LBB wird die Berlin Hyp derzeit verselbstständigt und als Verbundpartner der Sparkassen am Markt positioniert. In diesem Zusammenhang ist es für die Bank wichtig, den Sparkassen ihr Immobilien-Know-how zur Verfügung zu stellen und entsprechende Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Vor dem Hintergrund der weitreichenden Erfahrung und Kompetenz bei der Erstellung und Plausibilisierung von Gutachten für die Immobilienfinanzierung ist vor einiger Zeit die Idee entstanden, allen Sparkassen die Erstellung von Wertgutachten für Immobilien, die außerhalb des Geschäftsgebiets der jeweiligen Sparkasse liegen, aktiv anzubieten.

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