60 Jahre Immobilien& Finanzierung

"Politik und Wirtschaft müssen gut zusammenarbeiten"

Warum muss es immer noch einen "Wohnungsbauminister" geben - wenn auch eingebaut in ein größeres Ressort? Wohnen gehört nach wie vor zu den unverzichtbaren Grundbedürfnissen der Menschen, berührt die individuelle Lebensgestaltung und die Gesellschaft existenziell. Über Gesetzgebung und Förderinstrumentarien gestalten wir die Rahmenbedingungen, die den Bürgerinnen und Bürgern ein gutes und bezahlbares Wohnen ermöglichen. Dieser Aufgabe stelle ich mich als Bundesminister für Bau und Stadtentwicklung. Wir tragen gemeinsam mit den Ländern und der Wirtschaft dazu bei, dass wir einen gut funktionierenden und stabilen Wohnungs- und Immobilienmarkt in Deutschland haben. Was passieren kann, wenn das nicht funktioniert, konnten wir kürzlich an der Immobilienkrise in den USA und anderen Ländern sehen, die zur weltweiten Wirtschaftskrise nicht unerheblich beigetragen hat. Ich halte es übrigens für sehr sinnvoll, Stadtentwicklung mit Mobilität - also Verkehrspolitik - in einem Ressort zu verbinden. Betrachten Sie "Wohnungspolitik" heute mehr als Sozialpolitik oder doch mehr als Strukturpolitik? Wohnungspolitik ist beides, vor allem aber auch Wirtschaftspolitik. Die Immobilienwirtschaft ist eine der tragenden Säulen unserer Volkswirtschaft. Mehr als 460 000 Menschen sind in dieser Branche beschäftigt, die Bruttowertschöpfung liegt bei über 260 Milliarden Euro. Politik und Wirtschaft müssen hier gut zusammenarbeiten. In der Wohnungs- wie auch der Stadtentwicklungspolitik bewegen wir uns in einem Spannungsfeld verschiedenster demografischer, sozialer, ökologischer und ökonomischer Entwicklungen. Ein gutes Beispiel, wie eng Sozial- und Strukturpolitik in der Wohnungspolitik miteinander verknüpft sind, ist das altersgerechte Bauen und Wohnen. Mein Ziel ist es, gute Lebensbedingungen für die mehr als 40 Millionen Haushalte zu gewährleisten. Das schließt angemessenen Wohnraum, attraktive Städte und Dörfer ebenso ein wie eine leistungsfähige Infrastruktur und die soziale Sicherung des Wohnens. Hat es Ihrer Meinung nach deutliche Fehlentwicklungen beziehungsweise Fehlentscheidungen in der deutschen Wohnungspolitik gegeben - und lassen sich diese korrigieren? Eine Aufgabe der Politik ist es, für Ausgewogenheit zwischen den unterschiedlichen Interessenlagen in einer Gesellschaft zu sorgen. Das ist in der Wohnungspolitik gut gelungen. In Deutschland haben wir keine Wohnungsnot. Auch das Wohnungsangebot für Menschen unterschiedlichster Einkommen ist gut. Natürlich gibt es erhebliche regionale Unterschiede, die wir im Auge behalten müssen. Die großen Herausforderungen für die Wohnungspolitik sind gut bewältigt worden: der Wiederaufbau, dann die Wiedervereinigung. Der dramatische Wohnungsleerstand in Ostdeutschland nach der Wende hat viele Gemeinden in ihrer Existenz bedroht. Das in den Griff zu bekommen war eine enorme Leistung. Ein wichtiges Instrument waren dabei die steuerlichen Abschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz. Ob es wirklich eine Überförderung war, lässt sich auch im Nachhinein schwer sagen. In den Folgejahren haben viele Bürger aus den neuen Ländern aufgrund der Arbeitsmarktsituation ihre Heimat verlassen, sodass wir auch heute noch mit Leerstand kämpfen. Wir müssen dafür sorgen, dass der Wohnungsmarkt so entspannt bleibt, wie er derzeit ist. Das ist eine der Aufgaben einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik. Wir unterstützen die Länder und Kommunen mit der Nationalen Stadtentwicklungspolitik. Ich setze dabei einen Schwerpunkt bei der Stärkung ländlicher Räume. Dort besteht dringender Handlungsbedarf. Anhaltende Bevölkerungsverluste in peripheren strukturschwachen Regionen des ländlichen Raums haben zunehmend Auswirkungen auf die Infrastruktur. Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb die künftige Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge in dünn besiedelten Räumen betont. Ich habe dazu die "Initiative ländliche Infrastruktur" gestartet. Das ist ein gutes Beispiel, wie auf anstehende Entwicklungen reagiert werden kann. Welches sind Ihre wichtigsten wohnungspolitischen Anliegen für die laufende Legislaturperiode? Ich habe mir für diese Legislaturperiode viel vorgenommen. Ein Ziel ist die Stärkung des Wohneigentums. Die eigenen vier Wände sind auch bei stabilem und gutem Wohnungsmarkt ein zentraler Pfeiler der Wohnungsversorgung, stärken die regionale Verbundenheit und sind ein Beitrag für die Altersvorsorge. Die Erhöhung der Wohneigentumsquote ist ein wichtiges Anliegen unserer Wohnungspolitik. Ein weiteres wesentliches Politikfeld ist das Wohnen im Alter. Der Anteil älterer Menschen nimmt in Deutschland stetig zu. Gleichzeitig schrumpft die Bevölkerung insgesamt. Deshalb werden weniger Neubauten errichtet. Wir müssen also mehr bestehende Gebäude an die Bedürfnisse älterer Menschen anpassen. Es sind oft ganz schlichte Dinge, die das Leben erleichtern: kleine Rampen, um die drei Stufen zur Haustür zu überbrücken. Die Schwelle zum Balkon überbrücken oder breitere Türöffnungen, damit auch ein Rollstuhl durchpasst. Wir haben dafür das Programm "Altersgerecht Umbauen" aufgelegt. Damit kann die KfW-Bank zinsgünstige Darlehen und Zuschüsse für solche Umbaumaßnahmen anbieten. Als letztes Beispiel will ich noch den Klimaschutz nennen. Wir haben Modellvorhaben gestartet, in denen die urbane Dimension des Klimawandels untersucht wird. Wir begleiten mit wissenschaftlicher Forschung über zwei Jahre die Klimaschutzprojekte der Kommunen in insgesamt neun Regionen. Das unterstützen wir mit 1,3 Millionen Euro. Sie sehen: Es gibt viel zu tun, um die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass 80 Millionen Menschen in unserem Land auch in Zukunft gut wohnen können. Von alleine geht das nicht.

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