Leitartikel

Risiko Immobilie

Keiner will sich vorwerfen lassen, nicht gewarnt zu haben. Die Bundesbank warnt. Der Bundesfinanzminister warnt. Die EZB warnt. Der Internationale Währungsfonds IWF warnt. Und auch die Zentralbank der Zentralbanken, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ in Basel warnt. Alle haben Angst, dass sich die gegenwärtig enorme Nachfrage nach Immobilien über unrealistische Preise zu einer saftigen Immobilienblase anheizt. Diese Sorge ist nicht ganz von der Hand zu weisen, immerhin hatten wir das alles schon mal so oder in ähnlicher Form: Menschen, die durch politische und/oder geldpolitische Maßnahmen dazu verführt wurden, sich mehr zu leisten, als sie sich leisten konnten und die unter der Schuldenlast irgendwann zusammengebrochen sind. Subprime hieß das damals in den USA und die Folgen davon sind bis heute als Erschütterungen im Finanzsystem zu spüren.

Zwar alternativlos aber trotzdem schuld ist die Geldpolitik der EZB. "Natürlich haben wir in Deutschland als Folge des niedrigen Zinsniveaus und einer sehr niedrigen Inflationsrate Anzeichen für eine Preisentwicklung, die gefährlich sind und die wir sehr ernst nehmen müssen. Auf Dauer ist das Maß an Liquidität zu groß und das Zinsniveau zu niedrig", stellte der Bundesfinanzminister fest. Erst kurz zuvor hatte der Ausschuss für Finanzstabilität, dem die Spitzen des Finanzministeriums, der Bundesbank und der BaFin angehören, erklärt, es gäbe keinerlei Anzeichen für eine Immobilienpreisblase. Sinneswandel? Das ist natürlich Ansichts- beziehungsweise Auslegungssache. Wer derzeit in den Großstädten der Bundesrepublik nach Wohneigentum sucht, wird angesichts der heftigen Preisanstiege in den vergangenen Jahren nur zu gerne von Blasenentwicklungen sprechen. Trotzdem ist die Nachfrage hoch, und die Banken bieten mit historisch niedrigen Baufinanzierungskonditionen überzeugende Investitionsanreize. Das sind Risiken. Denn was passiert in zehn Jahren bei der Prolongation, wenn die Zinsen für die neuerliche Refinanzierung höher (das ist wahrscheinlich), die Immobilienpreise dagegen gesunken sind (das ist immerhin zu erwarten)? Menschen, Investoren und Banken werden dann Probleme bekommen, weil das Risiko offensichtlich doch nicht immer ausreichend eingepreist wird.

Allerdings langt es auch nicht, lediglich die Preise als Maßstab für eine mögliche, schädliche Entwicklung zu nehmen. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht gibt der Preisanstieg bei Immobilien jedenfalls noch keinen Anlass zur Sorge, denn das Volumen der Immobilienkredite nimmt nur moderat zu. Auch eine Untersuchung des IWF, die den Preisauftrieb in Relation zum Einkommen setzt, gibt Entwarnung: Deutschland rangiert hier am unteren Ende der Skala. Und die BIZ sieht die demografische Entwicklung hierzulande zudem als natürlichen Bremsklotz für die Entwicklung von Wohnungs- und Häuserpreisen, gehen die Ökonomen der Zentralbank doch davon aus, dass die Verschiebung der Alterstruktur die Entwicklung der Immobilienpreise um bis zu 1,5 Prozent pro Jahr belasten werde. Und zu guter Letzt noch ein ganz einfacher Grund, warum es besser kommen wird, als befürchtet. Deutschland ist immer noch überwiegend ein Mietermarkt - amerikanische Verhältnisse wie 2007 drohen also sicherlich nicht.

Und doch können sich Banken, Sparkassen, Hypothekenbanken und Bausparkassen keineswegs entspannt zurücklehnen: Denn der politische Aktionismus ist nicht zu unterschätzen. Was auf der einen Seite zugunsten der Refinanzierung der Staaten angerichtet wurde (die niedrigen Zinsen), soll nun auf der anderen Seite durch ebenfalls unkonventionelle Maßnahmen bekämpft werden. Staatliche Markteingriffe sind die Folge, doch an den Erfolg dessen zu glauben, ist all zu großen Optimisten vorbehalten. Die Erfahrungen aus Jahrzehnten lehren anderes. Nichtsdestotrotz: Die Bank of England beispielsweise will die Vergabe von Hypothekendarlehen dadurch begrenzen, dass derartige Finanzierungen nur noch dann bewilligt werden dürfen, wenn sich der Kreditnehmer auch einen um drei Prozentpunkte höheren Zinssatz leisten könnte. Klingt wie ein Dauerstresstest. Außerdem wird der Anteil der hochriskanten Darlehen (Definition nicht ganz einfach) auf 15 Prozent des gesamten Kreditvolumens begrenzt. Die Mietpreisbremse in Deutschland ist aus Verbrauchersicht natürlich begrüßenswert, doch werden damit Investoren verunsichert, was sicherlich nicht zu einer üppig steigenden Neubautätigkeit und damit über mehr Angebot zu sinkenden Preisen führen wird. Aktuell schon steigen die Baugenehmigungen zwar rasant, die Neubautätigkeit hinkt dem allerdings noch hinterher, was in den begehrten Großstadtlagen natürlich auch ein Platzproblem ist. Und auch der deutsche Pfandbrief, ein Garant der Stabilität, dem dieses Heft traditionell gewidmet ist, muss sich zunehmend allzu forscher Regulierungsvorhaben erwehren, beispielsweise was Deckungsmassen, Eigenkapitalunterlegung oder die Behandlung im Rahmen der Großkreditrichtlinie angeht. Dieser Aktionismus ist auch ein Risiko. Aber bislang ist es noch immer gut gegangen.

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