Leitartikel

Subprime-Krise: kein deutsches Problem

Es sind (wieder) die amerikanischen Verhältnisse, die beunruhigen - und diesmal zu Recht. Denn die aktuelle Krise auf dem US-Hypothekenmarkt zeigt längst globale Auswirkungen und sie wirft eine Menge Fragen auf. Dabei geht es einerseits darum, wie anfällig andere Märkte für Ausfälle von ungenügend besicherten Eigenheimfinanzierungen sind, andererseits muss hinterfragt werden, wie geeignet monetäre Instrumente des Zentralbanken noch zur volkswirtschaftlichen Steuerung sind. Dass die Federal Reserve (Fed) nach dem abrupten Ende der New-Economy-Hype im Jahr 2001 der einsetzenden Rezession mit drastischen Zinssenkungen entgegentrat, hat der US- und der Weltwirtschaft zweifellos zu neuem Schwung verholfen. Als Nebenwirkung hat sie aber auch die US-Konsumenten und sogar weite Teile der internationalen Finanzwelt dazu verführt, ihre finanzielle Belastbarkeit zu überschätzen. Dass die Währungshüter davor nicht warnten, sondern amerikanische Eigenheimerwerber zur Abkehr von festverzinslichen Hypotheken und zur Aufnahme variabel verzinster Darlehen ermunterten, weist ihnen eine nicht unerhebliche Mitschuld an der heutigen Krise zu.

Denn seit Juli 2003 stieg nach Erkenntnissen von Feri Research der Absatz von Adjustable Rate Mortgages (ARM) massiv an. Dabei werden statt der klassischen 30-jährigen Festzinsbindung variable, an den Geldmarktzins gekoppelte Kreditzinsen vereinbart. Dass vor allem Optional ARM vermittelt wurden, hätte bereits zur Vorsicht mahnen sollen. Bei dieser Variante wird zunächst mit einem sehr niedrigen Zinssatz gelockt, dessen Differenz zum aktuellen Geldmarktzins aber auf die Kreditsumme angerechnet wird und wo nach üblicherweise ein bis zwei Jahren die Zinsen deutlich angehoben werden. Wenn sich dann die Erwartungen hinsichtlich höheren Einkommens und steigender Hauspreise nicht erfüllen, platzt ein beträchtlicher Teil der Kredite, vor allem wenn generös auf Bonitätsprüfungen verzichtet wurde. Auf etwa fünf Prozent werden die Ausfälle regelhaft kalkuliert. Doch diesmal dürfte der Anteil bei geschätzten 20 Prozent liegen, denn die riskanten Finanzierungsprodukte wurden in den vergangenen Jahren verstärkt an bonitätsschwache Kunden vertrieben, die ohnehin eine höhere Ausfallwahrscheinlichkeit haben. Seit 2004 machen diese Subprime-Hypotheken laut Feri etwa ein Drittel aller neu vermittelten privaten Eigenheimfinanzierungen aus. Ihr Bestand wird inzwischen auf 14 Prozent des gesamten Baufinanzierungsbestandes in den USA geschätzt. In den Jahren zuvor war lediglich ein Anteil von fünf Prozent marktüblich.

Angesichts dieses Volumens darf auch die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Krise getrost begraben werden. Denn den meisten Darlehen steht entsprechend den Feri-Analysen die Konditionenanpassung noch bevor. Erst Ende 2007 ist die Spitze erreicht, dann werden die Zinsen für Subprime-Kredite im Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro angehoben. Doch auch danach sind noch bis zur Jahresmitte 2009 in großem Umfang die vertraglich vereinbarten Zinssteigerungen fällig. Weitere Liquiditätsprobleme für die finanzierenden Immobilienbanken und erhöhte Wertberichtigungen wegen Zahlungsausfällen werden den Markt also noch eine Weile begleiten. Dass dabei die Auswirkungen auf die US-Volkswirtschaft nur marginal sein dürften, liegt nicht allein an der robusten Konjunktur. Vielmehr haben es die Spezialfinanzierer verstanden, ihre Ausfallrisiken zu minimieren, indem sie die Forderungen über Mortgage Backed Securities (MBS) oder Collateralised Debt Obligations (CDO) verbrieften und an internationale Anleger verkauften.

Das System bietet grundsätzlich den Vorteil, dass die Risikotragfähigkeit des eingesetzten Kapitals durch die Diversifikation der Forderungen und die Streuung auf sehr viele Investoren insgesamt steigt. Doch gerade diese weitgehende Verflechtung kann sich in unterentwickelten Märkten und für unerfahrene Investoren schnell als Bumerang erweisen, denn in dem Vertragsdickicht fällt es schwer, die Übersicht zu behalten, wer am Ende welche Risiken trägt. Risikomanager verlassen sich daher zu gerne auf die Urteile der Ratingagenturen, die jedoch nichts anderes machen, als die Transaktionen nach Ausfallwahrscheinlichkeiten zu tranchieren. Folglich finden sich auch bei Verbriefungen von riskanten Krediten Abschnitte, die mit AAA bewertet und trotzdem hochgradig risikobehaftet sind. Wird dies ignoriert und die Anlage noch in großem Umfang fremdfinanziert, werden die Risiken zusätzlich gehebelt. IKB und andere haben sich so verzockt.

Inzwischen gilt laut Professor Dr. Stefan Kofner (Hochschule Zittau/Görlitz) mehr als ein Zehntel der Hypothekenkredite in Subprime-Verbriefungen als notleidend - doppelt so viel wie noch vor ein paar Jahren üblich - und es dürften noch mehr werden. In der Folge könnten schätzungsweise zwei Millionen amerikanische Haushalte von Zwangsvollstreckungen betroffen sein. Angesichts dieser Entwicklung sind die hierzulande üblichen und zuweilen als unflexibel und verbraucherfeindlich gegeißelten Konditionen der Eigenheimfinanzierung geradezu ein Segen für Kreditnehmer und Banken. Das strenge Risikomanagement hiesiger Banken bei der Vergabe von Baudarlehen funktioniert, und so sollte es auch bleiben - vor allem vor dem Hintergrund, dass zunehmend Finanzierungen mit Beleihungsausläufen von 100 Prozent oder mehr angeboten werden. Diese haben im Markt zwar ihre Berechtigung, allerdings taugen sie nicht als Massenware.

Dass sie es noch nicht sind, mag zudem an der deutschen Mentalität liegen, demnach Verschuldung stets als etwas Unangenehmes empfunden wird. Es hat aber auch etwas mit der Ausgewogenheit des deutschen Wohnungsmarktes zu tun. Denn aufgrund des großen Angebots an Mietwohnungen, deren Qualität hoch und deren Mietpreise trotz aller gesetzlichen Einschränkungen marktgerecht sind, haben die deutschen Haushalte die Wahl, Eigentum zu erwerben. Diese Entscheidungsfreiheit mag es privaten Baufinanzierern schwerer machen, ihre Produkte zu verkaufen und dabei auch noch risikoadäquate Margen durchzusetzen - zumal ausländische Anbieter und Online-Broker den Preiswettbewerb verstärken. Dennoch sollte der Verlockung, mit laxen Bonitätsansprüchen und höheren Beleihungsausläufen ein Quäntchen mehr Marge zu erzielen, widerstanden werden - auch wenn es schwer fällt. L. H.

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