Zinskommentar

Vage statt wagen

Dass der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) seine geldpolitischen Entscheidungen gründlich abwägt, darf als selbstverständlich angenommen werden. Anfang Februar dieses Jahres waren die Diskussionen innerhalb des Gremiums aber wohl doch intensiver als gewöhnlich. Das legten zumindest die Ausführungen des EZB-Präsidenten Mario Draghi nahe. Demnach sahen die Ratsmitglieder die Situation der Volkswirtschaften im Euroraum als so komplex und vielschichtig an, dass sie sich am Ende auf die Beibehaltung des aktuellen Leitzinses einigten. Folglich blieb der Tendersatz bei 0,25 Prozent. Und auch die Zinssätze der Einlagefazilität und der Spitzenrefinanzierungsfazilität wurden bei 0,0 beziehungsweise 0,75 Prozent belassen.

Das Problem der Notenbank war, dass ihr zu wenige beziehungsweise uneindeutige Informationen vorlagen, aus denen sich der weitere Verlauf des konjunkturellen Aufschwungs schlussfolgern ließe. Das betraf sowohl die Binnennachfrage als auch den Export. Die EZB befürchtet, dass sich die zuletzt unstetige wirtschaftliche Entwicklung in den für den Außenhandel der Union wichtigen Schwellenländern bremsend auf die Konjunktur im Euroraum auswirken könnte. Hinzu kam, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung zu große Unsicherheiten hinsichtlich der Preisentwicklung in Europa bestanden. Fakt ist, dass die Inflationsrate weiterhin unterhalb des langfristigen Ziels von zwei Prozent verharrt. Dass die Eurozone aber in eine Deflationsspirale geraten könnte, sah Draghi nicht.

Zwar werde die Teuerungsrate nach Einschätzungen der EZB auch in den kommenden Monaten auf niedrigem Niveau bleiben, doch zeichne sich mittelfristig wieder ein allmählicher Anstieg der Preise ab. Für den Fall aber, dass sich die Erwartungen nicht erfüllen sollten, also der Preisindex doch sinkt, kündigte der EZB-Präsident bereits an, vom geldpolitischen Instrumentenkasten im notwendigen Umfang Gebrauch zu machen. Vorerst wartet die EZB ab. Mehr Klarheit dürfte im März die Veröffentlichung der neue Inflationsprognose liefern.

Auch die US-Notenbank übt sich in Zurückhaltung. Das wurde bei der ersten öffentlichen Rede Janet Yellens als neue Chefin der Federal Reserve vor dem Ausschuss für Finanzdienstleistungen im Repräsentantenhaus deutlich. Hinsichtlich der Ausrichtung der amerikanischen Geldpolitik unter ihrer Regie blieb sie vage. Viele Aussagen und Ankündigungen stehen unter Vorbehalt. Dabei liegen der US-Notenbank im Gegensatz zur EZB ziemlich eindeutige Zahlen vor, die den weiteren Kurs der Fed bestimmen sollten. So sank die Arbeitslosenquote im Januar auf 6,6 Prozent. Dass sie nicht noch weiter zurückging ist nach Einschätzung von Experten nur dem ungewöhnlich strengen Winter geschuldet. Bislang hieß es von der US-Notenbank stets, der expansive Kurs werden solange fortgesetzt bis die Arbeitslosenquote weniger als 6,5 Prozent beträgt. Es wäre jetzt also an der Zeit, wieder über Zinsanhebungen nachzudenken.

Doch offensichtlich hält die Fed die amerikanische Konjunktur für zu fragil, um sie bereits jetzt mit Zinsanhebungen zu bremsen. Zinsanhebungen erteilte Yellen mit Hinblick auf den Preisanstieg eine Absage. Aktuell liegt die Teuerung in den USA deutlich unter der Zielmarke von zwei Prozent. Folglich werden die Inflationsgefahren einer expansiven Geldpolitik als gering eingeschätzt und den Gefahren einer Deflation klar vorgezogen.

Wie erwartet beschlossen die Mitglieder des Federal Open Market Commitee (FOMC) die noch unter dem inzwischen abgetretenen Chef der Federal Reserve, Ben Bernanke, begonnene Reduzierung des Anleiheankaufs fortzusetzen. Ob unter Yellens Führung das Tapering im bisherigen Umfang und Tempo weitergeht, ließ sie jedoch offen. Unter Bernanke wurden das Ankaufprogramm in zwei aufeinanderfolgenden Monaten um jeweils zehn Milliarden US-Dollar auf aktuell 65 Milliarden US-Dollar monatlich zurückgefahren. Da die Fed im Rahmen dieses Programms nicht nur Staatsanleihen, sondern auch Hypotheken in beträchtlichem Umfang ankauft, kann sie beträchtlichen Einfluss auf die langfristigen Zinsen nehmen. Eine Fortsetzung des Tapering würde demnach ceterus paribus Baufinanzierungen verteuern. L.H.

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