Schwerpunkt Einzelhandelsimmobilie

Zielgruppen des Handels - Gestaltungsanforderungen an Shoppingcenter

In den letzten Jahren hat sich das Einkaufsverhalten stark gewandelt. Das Internet und demzufolge die täglich zunehmenden Online-Shopping-Angebote ebenso wie die Allgegenwart von mobilen digitalen Medien, wie Smartphones und Tablets, bilden dabei sicherlich den Hauptgrund, wenn auch nicht den einzigen. Konsequenz: Die Kunden werden zunehmend anspruchsvoller, weil sie aus einer Vielzahl an attraktiven Angeboten wählen können. Der eine liebt dabei die Schnelligkeit und sucht den niedrigsten Preis, der andere mag es gern "entschleunigt", setzt auf Genuss und Qualität.

Architektur als Teil der Positionierung

Shoppingcenter von heute brauchen eine klare Positionierung, die die Umgebung, das Einzugsgebiet, die Einzelhandelssituation sowie demografische Aspekte mit einbezieht. Der Schlüssel zum Erfolg einer so großen Handelsimmobilie liegt in einer von Anfang an zielgruppenorientierten Differenzierung, die auf einer Vielzahl von Standort- und Marktforschungsdaten basiert. Das Center "von der Stange" hat keine Chance mehr. Individuelles Design von architektonisch hoher Qualität ist keine Kür, sondern längst Pflicht. Doch muss das Center auch heute noch so gebaut sein, dass Anpassungen schnell gelingen. Funktionalität und Flexibilität sind zwei der Königsanforderungen mit Blick auf ein ökonomisch nachhaltiges Shoppingcenter.

Wie eine Differenzierung im Bereich der Architektur aussehen kann, zeigt das Beispiel der Höfe am Brühl inmitten der Leipziger Altstadt. Bei dieser 2012 eröffneten Handelsimmobilie handelt es sich um ein Konglomerat aus Gassen und Höfen, Glas und edlem Stein. Shop-Fassaden gehen hier über mehrere Etagen, die Deckenhöhe beträgt fast 25 Meter. Unterschiedliche Hofsituationen fokussieren hier auf spezifische Zielgruppen. Diese werden dabei nicht nach den herkömmlichen Attributen Alter und Einkommen segmentiert, sondern nach dem Selbstverständnis, der Mentalität und der Shopping-Kultur des Kunden - und besitzen Namen mit historischen Bezügen.

Ein anderes Beispiel sind die Pasing Arcaden in München, die im Frühjahr 2013 vollendet wurden. Hier haben die Planer einen innovativen Weg der Shop-Fassadengestaltung und -anordnung gewählt und sind ihn im Rahmen der Realisierung gemeinsam mit den Shopbetreibern gegangen. Durch die Öffnung der Laden-Entrees, frei stehende Markenelemente und Vor- und Rücksprünge bietet die Mall mehr Spielraum, Spannung und Vielfalt, sodass Mieter und Besucher davon profitieren.

Neben der Architektur ist ein weiterer wichtiger Differenzierungsbaustein die Aufenthaltsqualität. Sie steht und fällt mit einer attraktiven Gastronomie, denn sie trägt massiv zur Aufenthaltsdauer der Besucher bei. Das Center wird mehr und mehr zum sozialen Treffpunkt und zu einer Erlebnis- und Genusswelt. Die Gastronomie bietet den Ort, wo man sich trifft, schlemmt, sich etwas gönnt, sich ausruht und dann auch gemeinsam Shoppen erleben kann.

Der Bedarf der modernen Gesellschaft an halböffentlichen Kommunikationsorten ist aufgrund des enormen Wandels in Arbeits- und Lebensumfeld gestiegen. Konzepte, die Lifestyle und Kommunikation verkörpern, entsprechen dem Lebensstil von Young Professionals, die immer mehr in Singlehaushalten leben und gerade deswegen gerne direkt vor ihrer Haustür kommunikative Plätze und Einrichtung aufsuchen. Große Gemeinschaftstische, wie man sie bei Food Courts kennt, fördern den sozialen Kontakt und den kommunikativen Austausch.

Wachsende Bedeutung der Gastronomie

Aber auch die Nachfrage der älteren Bevölkerung an den sogenannten "Dritten Orten" steigt. Neben dem "Ersten Ort", dem zu Hause, ist der "Zweite Ort", also die Arbeitsumgebung, für die meisten Menschen dieser Generation bereits weggefallen. Die Senioren von heute wollen ihren Lebensabend nicht ausschließlich in den eigenen vier Wänden verbringen, sondern suchen Orte auf, wo sie sich gut aufgehoben fühlen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Bedingt durch verlängerte Öffnungszeiten steigt der Gastronomieanteil in einem Einkaufszentrum stetig an. Zehn Prozent und mehr werden bald keine Seltenheit mehr sein. Nach wir vor ist ein Center sehr durch lokale Konsumbedürfnisse und lokale Anbieter geprägt, sodass zum Beispiel die Konzeption eines Food Courts eine deutlich höhere individuelle und wertigere Ausrichtung haben muss.

Beispiel Paunsdorf Center: Die zu den größten deutschen Einkaufszentren zählende Handelsimmobilie im gleichnamigen Leipziger Stadtteil war lange Zeit mit einem Gastronomieanteil von 2,5 Prozent klar unterrepräsentiert. Nach einer großen Umstrukturierung ist hier ein neuartiges Konzept umgesetzt worden, das Marktstände, Feinkost- und Lebensmittelanbieter mit der Systemgastronomie verbindet.

Beispiel Pasing Arcaden: In diesem neuen Münchener Center wurde ein moderner Food Court mit anspruchsvoller Architektur eingerichtet, der inmitten des gastronomischen Angebots lounchige Sitzmöglichkeiten bietet, die von anderen abgetrennt sind. Diese "Insellösung" sorgt für ein Gemütlichkeitsplus, das die Besucher sehr schätzen, ebenso wie eine Reihe von nicht selbstverständlichen Serviceangeboten, zum Beispiel für Mütter mit kleinen Kindern.

Differenzierungsfaktor Service

Ein anderer entscheidender Differenzierungsfaktor ist der Service. Hier haben vor allem in jüngster Zeit die digitalen Angebote deutlich zugenommen. "Multi-Channel-Shopping" heißt das Stichwort. Die Einkaufszentren avancieren mehr und mehr zu interaktiven Marktplätzen, die ihre Follower über alle relevanten Kanäle - online und offline - zum Familienshopping einladen.

Es ist wichtig, überall präsent zu sein und die Menschen dort abzuholen, wo sie sich gerade aufhalten (Website, Smartphone, soziale Netzwerke). Deshalb werden reale Marktplätze mit Ambiente und Atmosphäre, die haptische Erlebnisse liefert, die das Internet nie bieten kann, um eine digitale Plattform erweitert, um neue Kundenkreise zu erschließen.

Kostenfreies Wlan, Gratis-Apps, eigene Internetseiten oder Präsentationen auf Facebook und Co., Multitouch-Infostellen mit vielfältigem Info-, Aktions- und Spielangebot oder ein Kundenclub mit einer Kundenkarte, die gleichzeitig Kreditkarte ist, sind nur einige Beispiele.

Zukünftig dürfte auch ein neues Schlagwort - "Gamification" - größere Beachtung finden. Sich auf spielerische Art und Weise dem Center und seinen Shops zu nähern und bei erfolgreicher Anwendung von zahlreichen Vorteilen zu profitieren, bietet interessante Perspektiven.

Doch auch der "Offline"-Service sollte stetig erweitert werden. Ware im Internet zu bestellen, um sie später an einer Paketstation im Center ausliefern zu lassen und beim Abholen noch einen Happen im Food Court zu essen, begeistert viele Menschen, die tagsüber arbeiten und zuhause keine Post empfangen können. Das zeigt, wie die ursprünglichen Gegner - Online- und Offline-Handel - sich ergänzen und gewissermaßen zu Partnern werden können.

Internet - Partner statt Gegner

Der Erfolg eines Shoppingcenters ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis guter Planung. Die beginnt mit einer zielgruppenfokussierten Positionierung, aus der sich das Potenzial zur späteren Differenzierung ableitet, die wiederum wichtig ist, damit die besonderen Leistungen und Qualitäten des Centers optimal zur Geltung gebracht und von gezielten Maßnahmen und Services unterstützt werden können. Auf diese Weise und durch die permanente Weiterentwicklung des Warenmixes können Eigentümer mit einer dauerhaft hohen Rendite rechnen.

Für die Differenzierung relevante Faktoren sind Architektur, Aufenthaltsqualität - vor allem eine attraktive Gastronomie - und eine Vielzahl an Serviceleistungen, die das Internet nicht als Gegner, sondern als Partner sehen. Richtig dosiert und ergänzt von regelmäßig stattfindenden Events und Aktionen machen sie dann das aus, was man "Einkaufserlebnis" nennt. Die Besucher sollen nach einem möglichst langen Aufenthalt im Center mit einem Lächeln nach Hause gehen. Dann kommen sie später auch gut gelaunt wieder und die Centermanager haben alles richtig gemacht.

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