Wundertüte Commerzbank-App?

Die Commerzbank steckt sich ehrgeizige Ziele: Bis 2020 soll der Bestand an Baufinanzierungen von derzeit rund 58 Milliarden Euro um 30 Prozent auf gut 75 Milliarden Euro anwachsen. Dafür muss das Neugeschäft kräftig intensiviert werden. Es soll laut Privatkundenvorstand Michael Mandel von derzeit knapp 12 Milliarden auf rund 17 Milliarden Euro im Jahr 2020 anwachsen. Hoffnung gibt Mandel die anhaltend hohe Nachfrage der Bürgerinnen und Bürger nach Wohneigentum. Er gehe davon aus, dass der Markt für Immobilienfinanzierung kontinuierlich weiter wachsen werde, so Mandel in Frankfurt. Und fügte hinzu: "Das ist ein nachhaltigerer und langfristigerer Prozess als viele glauben." Der Banker stützt seine Annahme auf die dank niedrigster Zinsen anhaltend guten Finanzierungsbedingungen, die unterdurchschnittliche Wohneigentumsquote in Deutschland ("45 Prozent versus 70 Prozent im EU-Durchschnitt"), das 16-Jahreshoch bei den Baugenehmigungen ("375 000 genehmigte Wohnungen im Jahr 2016") sowie die Auftragseingänge im deutschen Bauhauptgewerbe ("68 Milliarden Euro sind der höchste Stand seit 20 Jahren"). IVD-Präsident Jürgen Michael Schick fordert im Redaktionsgespräch mehr politische Unterstützung, um bis 2020 auf eine Wohneigentumsquote von 50 Prozent zu kommen (siehe Seite 8).

Als limitierende Faktoren kommen aber zumindest in den Metropolregionen die knappen Flächen und ein damit zu geringes Angebot zum Tragen. Um den gesamten Wohnungsbedarf zu decken, ist laut Bundesbauministerin Barbara Hendricks eine Neubautätigkeit von etwa 400 000 Wohnungen pro Jahr nötig. Doch davon ist Deutschland weit entfernt - 2016 waren es nach einer Schätzung des Münchner ifo-Instituts noch nicht einmal 300 000 Neubauwohnungen. In der Rhein-Mai-Region beispielsweise fehlen Schätzungen zufolge bis 2030 rund 90 000 Wohnungen. Und die Konkurrenz schläft auch nicht. Auch andere Banken - ob spezialisierte Institute wie die (Landes-)Bausparkassen oder Universalbanken wie Sparkassen und Volksbanken - haben die Baufinanzierung als Wachstumsfeld ausgemacht und wollen ihre Aktivitäten forcieren. Neben den klassischen Vertriebskanälen Filialen, Vertriebspartnern wie die Interhyp und den sogenannten Filialvermittlern setzt die Commerzbank nun als erste Bank in Deutschland auf Baufinanzierung per Banking-App. Mittels der neuen "Baufi-App" können die Kunden Immobilien suchen und bewerten, prüfen, was sie sich leisten können und einen Kreditantrag stellen. Am Ende gibt es ein verbindliches Zertifikat zur Vorlage bei Maklern und Verkäufern. Damit, so Mandel, sei die Commerzbank-App die erste Baufinanzierungs-App am Markt, mit der ein Interessent von der Immobiliensuche bis zur Finanzierung alles mobil erledigen kann. Ziel sei es, die potenzielle Kundenbasis zu vergrößern und für digitalaffine Kunden attraktiver zu werden. Theoretisch ließe sich damit der Immobilienkredit komplett per Smartphone abwickeln. "Wenn es zum Abschluss kommt, gehen die meisten aber doch in die Filiale", glaubt selbst Mandel.

Und das ist auch gut so. Denn die Entscheidung, ein Haus zu bauen oder eine Wohnung zu kaufen ist für die meisten Bürgerinnen und Bürger eine sehr wichtige, die manchmal sogar nur einmal im Leben getroffen wird. Ob da eine stark vereinfachende App das richtige Beratungstool sein kann, darf zumindest angezweifelt werden. Kreditverträge werden immer komplexer und es kommt stark auf eine clevere Kombination aus mehreren Bausteinen an. Das alles selbstständig mittels App zu erreichen, setzt ein gehöriges Maß an Fachwissen voraus. Sonst droht hier schnell ein Bumerang: Denn unzufriedene Kunden, die von Freunden noch von dem ein oder anderen Kniff hören, den sie selbst vergessen haben, werden schnell die App und damit die Commerzbank dafür verantwortlich machen. Auch wenn diese die App nur als ergänzenden Vertriebskanal für digitalaffine Kunden bezeichnet. Red.

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