Erst einmal abwarten

Realkredite: Stand 20. Juli 2016 Quelle: Dr. Klein & Co. AG

Angesichts des inzwischen ziemlich ausgereizten geldpolitischen Spielraums der EZB ist es mitunter verwunderlich, wie viel Aufmerksamkeit den turnusmäßigen Ratssitzungen noch immer entgegengebracht wird. Der Termin am 21. Juli, der erste seit dem Brexit-Votum, bildete da keine Ausnahme. Nachdem sich der erste Schock über das Referendum - insbesondere an den Aktienmärkten - überraschend schnell gelegt hatte, deuteten wichtige wirtschaftliche Indikatoren im Vorfeld der Ratssitzung schließlich doch auf eine merklich Eintrübung der Stimmung hin.

Das setzte wiederum Spekulationen über unmittelbaren Handlungsbedarf seitens der EZB in Gang. Wird der Einlagensatz vielleicht doch noch weiter abgesenkt? Wie steht es mit einer Erhöhung des monatlichen Ankaufvolumens des QE-Programms? Am Ende blieb alles beim Alten: Der Rat um EZB-Präsident Mario Draghi hatte keine neuen Maßnahmen zu verkünden, die Folgen des Brexits gelte es genauer abzuwarten und zu analysieren.

Nicht allzu rosig dürften die Analysen zur Inflation ausfallen: Die kurzzeitig geweckten Hoffnungen einer Kehrtwende bei der Inflationsrate scheinen sich als nicht belastbar herauszustellen. Nachdem die Teuerungsrate im Euroraum im Juni mit 0,1 Prozent nach vier Monaten erstmals den Deflationsbereich verlassen hatte, sind die aktuellen Inflationserwartungen wieder deutlich nach unten korrigiert worden. Diese sich abzeichnende Verstärkung deflationärer Tendenzen im Zuge schwächerer Wachstumsdaten kommt für die EZB denkbar ungelegen.

Ohnehin bestehende Zweifel an der Effektivität der bislang ergriffenen Maßnahmen mit dem Ziel, die Inflation wieder in die Nähe der Zwei-Prozent-Marke zu manövrieren, dürften erneut genährt werden. Im September werden die neuen EZB-Prognosen vorliegen. In Verbindung mit den bis dahin gewonnenen Erkenntnissen aus dem jüngsten Banken-Stresstest könnten dann gegebenenfalls neue expansive Schritte folgen. Bis dahin wird die EZB wohl auch einige Anpassungen bei den Bedingungen für ihre Ankaufprogramme vornehmen.

Insbesondere das PSPP-Programm, das in erster Linie den Ankauf von Staatsanleihen vorsieht, droht angesichts des anhaltenden Renditerückgangs in diesem Wertpapiersegment ins Stocken zu geraten. Die selbst auferlegte Beschränkung auf Ankäufe, die mindestens eine Rendite in Höhe des Einlagenzinses (aktuell minus 0,4 Prozent) bieten, erschwert die Ankäufe erheblich. Das Angebot an Staatsanleihen, die dieses Kriterium erfüllen, ist bereits heute knapp. Die Aufhebung dieser Mindestrenditeanforderung wäre aus EZB-Sicht die naheliegende Maßnahme.

Unterdessen steht die Bank of England unverändert im Fokus der Marktteilnehmer. Die britische Notenbank hatte im Anschluss an den Brexit den Leitzins für viele Beobachter überraschend bei 0,5 Prozent belassen. Eine zeitnahe Zinssenkung stellte der geldpolitische Ausschuss jedoch in Aussicht. Das Hauptaugenmerk liegt neben den allgemeinen Wachstumsaussichten Großbritanniens auf der Entwicklung der heimischen Inflation. Allerdings sind die Vorzeichen dort gänzlich anders als im Euroraum: Ein Verfall des Pfundes könnte die Inflation in Großbritannien über verteuerte Importpreise deutlich nach oben treiben. Behutsamkeit beim geplanten Zinsschritt ist also das oberste Gebot für die Bank of England.

Die infolge des Brexits noch einmal verstärkte Unsicherheit auf den Kapitalmärkten macht sich natürlich auch auf dem Rentenmarkt bemerkbar. Mitte Juli gaben sich Investoren erstmals auch auf dem Primärmarkt für zehnjährige Bundesanleihen mit einer negativen Rendite zufrieden. Eine Verzinsung von minus 0,05 Prozent stand am Ende der Versteigerung, Finanzminister Wolfgang Schäuble wird sich über diese historisch attraktiven Verschuldungskonditionen gefreut haben.

Auch hinsichtlich der Rahmenbedingungen bei der Baufinanzierung gibt es Bemerkenswertes zu vermelden: Der Bestzins für zehnjährige Hypothekendarlehen lag laut der Dr. Klein & Co. AG Anfang Juli mit 0,79 Prozent auf einem neuen Tiefststand. ph

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