Sicherer Hafen?

Realkredite: Konditionen Anfang Juli 2015 Quelle: Dr. Klein & Co. AG

Nach dem massiven Zinsanstieg der vergangenen Wochen, der die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe vom historischen Tief von 0,07 auf 1,01 Prozent steigen ließ, ist am Markt nur wenig Ruhe eingekehrt. Die deutschen Titel profitierten derzeit wieder einmal von ihrem traditionellen Status als sicherer Hafen in unruhigen Zeiten. Für die größte Unsicherheit sorgen die ständig wechselnden "Hiobsbotschaften" von den "Verhandlungen" Griechenlands mit seinen Gläubigern. Jede Veränderung der Nachrichtenlage sorgte unmittelbar für spürbare Zinsänderungen, wenn auch nicht so direkt wie an den internationalen Aktienmärkten. Das "Scheitern" der Verhandlungen führte auch gleich zu einem merklichen Anstieg des Bund-Futures. In den Keller gerauscht sind dafür griechische Anleihen. Die relativen Bewegungen sind durchaus als erratisch zu bezeichnen. Renditeänderungen von 75 auf 82 oder von 82 auf 75 Basispunkte in ein oder zwei Tagen können nicht anders als massiv bezeichnet werden. Es handelt sich immerhin um Zinsschwankungen von gut und gerne 10 Prozent, aber an diese Bewegungen müssen sich Händler und Investoren wohl gewöhnen. Auch EZB-Chef Mario Draghi betonte, dass Marktteilnehmer mit höheren Volatilitäten am Anleihemarkt leben müssen, ob sie wollen oder nicht. Dass die EZB daran nicht ganz unschuldig ist, erwähnte er nicht noch einmal.

An der Schwankungsanfälligkeit würde auch ein aus dem heiteren Himmel kommendes "positives" Ende des griechischen Dramas nichts ändern. Der wieder stärkere Fokus der Anleger auf Sicherheit führte bei der zehnjährigen Bundesanleihe zu einem zwischenzeitlichen Renditerückgang - wenn auch unter Schwankungen - auf 77 Basispunkte. Dies wird auch unterstützt durch die EZB, die in diesem Umfeld ihre Anleihekäufe unverändert fortsetzt und vor der Sommerpause noch etwas kräftiger aus dem Vollen schöpfen will. Was der EZB-Chef derzeit gerne vernimmt, sind Nachrichten über die wieder leicht anziehenden Teuerungsraten in Europa. Allerdings ist das sicherlich nur zum Teil den EZB-Programmen geschuldet, denn die sich mit Zeitverzögerung niederschlagenden Entwicklungen beim Euro-Kurs und den Ölpreisen spielen sicherlich ebenfalls eine gewichtige Rolle.

Spannend wird sein, wie Draghi im Herbst nächsten Jahres den Ausstieg aus dem Quantitative Easing verkaufen und auch durchführen will. Der erhoffte Anschauungsunterricht aus Übersee lässt noch auf sich warten, denn damit tut sich auch die US-Notenbank erkennbar schwer. Trotz sich bessernder Konjunkturdaten und einer sehr geringen Arbeitslosigkeit scheut die Fed bisher, die von ihr immer wieder angedrohte Zinserhöhung auch wirklich durchzuführen. Gründe gibt es verschiedene: Zum einen dürften die US-Zentralbanker noch ein wenig an der Nachhaltigkeit des wirtschaftlichen Aufschwungs zweifeln, zum anderen gibt es Sorgen über die Marktauswirkungen einer Zinserhöhung und das damit verbundene Ende des billigen und "unbegrenzt" fließenden Notenbankgeldes. Ob die Märkte überhaupt noch liquide und stabil genug sind, um den Ausstieg zu verdauen, wird in den Vereinigten Staaten leidenschaftlich diskutiert.

Aber nach steigenden Zinsen sieht es derzeit nicht aus. Es dürfte genug Investoren geben, die sich freuen, dass es für Bundestitel oder Covered Bonds wenigstens ein paar Basispunkte gibt und in den kurzen Laufzeitenbereichen die Minus-Zinsen vielleicht wieder vorbei sind.

Der Anstieg der Kapitalmarktzinsen wirkte sich auch bei den Immobilienkrediten aus. Nach Analysen von Dr. Klein & Co. AG hat sich der Bestzins für 10-jährige Hypothekendarlehen bereits im Mai über einem Prozent stabilisiert und erreichte in den ersten beiden Juniwochen 1,3 Prozent. "Trotz des Sprungs der Baufinanzierungszinsen um knapp 0,4 Prozentpunkte innerhalb weniger Wochen sollten Häuslebauer und Wohnungsbesitzer in spe nicht vergessen, dass das Zinsniveau weiterhin extrem niedrig ist. Noch Ende Dezember lag der Bestzins bei knapp 1,4 Prozent, die Werte aus dem Vorjahr wurden also noch gar nicht erreicht", so Stephan Gawarecki, Vorstandssprecher der Dr. Klein & Co. AG. ber

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