Stadtentwicklung

Städteplanung der Zukunft: zwischen Verantwortung und Vision

Lothar Schubert, Geschäftsführer, DC DEVELOPMENTS GMBH & Co. KG, Hamburg

Der Frage, was wir von den Städten der Zukunft erwarten können, widmet sich der Autor des vorliegenden Beitrags. Als ersten Treiber der Urbanisierung wird die Industrialisierung gesehen. Diese habe eine unkontrollierte Nachverdichtung zur Folge gehabt. Die zweite Welle der städtischen Entwicklung sei durch die "Charta von Athen" geprägt gewesen. Der Beschluss aus dem Jahr 1933 stehe für die klassische Funktionstrennung der Nutzungen Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Die Folge sei eine massive Ausdehnung nach außen gewesen. Diese Trennung sei nicht mehr zeitgemäß. Eine Lanze bricht der Autor für die Modulbauweise. Diese ermögliche nicht nur, kostengünstig und schnell auf gesellschaftliche und baurechtliche Veränderungen reagieren zu können, sondern eröffne darüber hinaus architektonischen Spielraum. Gelobt wird die neue Möglichkeit der Schaffung von urbanen Gebieten durch die Bundesregierung. Aber gleich vorweg: Eine Patentlösung hat der Autor nicht im Gepäck. Red.

Nutzersynergien, Flächeneffizienz, ökologische und soziale Nachhaltigkeit: Die Städte der Zukunft stehen vor großen Herausforderungen und die Kunst für Projektentwickler, Architekten und Stadtplaner wird darin bestehen, die Bedürfnisse auf allen Ebenen zu vereinen. Und das mit dem Ziel, den dynamischen Prozess der ewigen Weiterentwicklung der Städte aufzugreifen und Visionen für morgen zu definieren. Was können wir also von den Städten der Zukunft erwarten?

Um die Städte von morgen zu planen, müssen wir die Städte von gestern und die gesamte Geschichte der Urbanisierung verstehen. In den vergangenen zwei Jahrhunderten wurden Städte bereits zweimal vollkommen neu strukturiert. Mit der Industrialisierung als Treiber drang die Bevölkerung in die Städte und eine unkontrollierte Nachverdichtung war die Folge. Umstrukturierungen wie in Paris in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch Georges-Eugène Haussmann werden zum Vorbild, um den städtischen Problemen Herr zu werden. Die zweite Welle der städtischen Entwicklung ist durch die "Charta von Athen" geprägt. Der Beschluss von 1933 steht für die klassische Funktionstrennung der Nutzungen Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Um dies räumlich umzusetzen, dehnten sich die Städte ins Umland aus. Rem Kolhaas hat die Entwicklung der Städte folgendermaßen zusammengefasst: "Die kompakte, mittelalterliche Stadt gleicht einem gekochten Ei, die Industriestadt des 19. Jahrhunderts einem Spiegelei und die Stadt der Moderne, des 20. Jahrhunderts, einem Rührei." Ist das Sinnbild des Rühreis nach wie vor als Metapher für das 21. Jahrhundert anwendbar? Ja und nein, denn das optimale Rezept wird noch kreiert.

Auf der Suche nach dem Leitbild

In Deutschland wächst der Wettbewerb zwischen den Metropolen. Die Flächen für Projektentwicklungen werden knapp und die Ansprüche und Bedürfnisse der Bewohner größer. Während die Städte auch hier noch bis in die 1970er Jahre auf die klassische Funktionstrennung setzten, deren Folge homogene Quartiere waren wie die Hamburger City Nord oder auch Niederrad in Frankfurt, ist nun ein Wandel in der Stadtplanung zu spüren. Mischnutzungskonzepte und kurze Wege werden zum neuen Credo. Modernes Wohnen in zentraler Lage, inmitten eines 24 Stunden belebten Quartiers mit einer Vielzahl von Angeboten rund um Einzelhandel, Gastronomie und Kultur - das entspricht dem Wunsch des Städters im 21. Jahrhundert. Deshalb soll vermehrt Mischnutzung in der Projektentwicklung umgesetzt werden.

Neben der funktionsspezifischen Durchmischung rückt der Fokus vermehrt auf die Vielfältigkeit des Wohnungsangebots. Richtlinien wie der Anteil von 30 Prozent geförderten Wohnraums bei Mietwohnungsneubau ist ein erster Schritt und soll bezahlbaren Wohnraum auch in A-Lagen bringen. Allerdings ist dies in Anbetracht der hohen Nachfrage nach innerstädtischen und bezahlbaren Wohnungen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ein weiterer Faktor wird in der architektonischen Umsetzung der Grundrisse liegen: Es mangelt nicht nur an vergleichsweise günstigem, sondern auch an flexiblem Wohnraum, der sich den Bedürfnissen der jeweiligen Lebensabschnitte anpasst. Die Lösung könnte im modularen Bauen liegen.

Urbane Gebiete als Lösungsansatz

Im Hinblick auf die vorherrschenden Entwicklungen auf dem innerstädtischen Immobilienmarkt muss über kurz oder lang eine Auseinandersetzung mit der Modulbauweise stattfinden. Das modulare Bauen ermöglicht nicht nur, kostengünstig und schnell auf gesellschaftliche und baurechtliche Veränderungen reagieren zu können, sondern eröffnet gleichermaßen architektonischen Spielraum. Diversifizierte Grundrisse sind so auch auf kleinem Flächenangebot realisierbar. Zudem hat diese Bauweise den Vorteil, dass sie ein optimiertes Verhältnis von der Oberfläche zum Raumvolumen aufweist, wodurch eine deutlich höhere Energieeffizienz erzielt werden kann. Allerdings steckt der Modulbau noch in den Kinderschuhen.

Das Leitbild des 21. Jahrhunderts steht damit für die Synergie der Funktionen mit einem hohen Grad der Flächeneffizienz. Was in Masterplänen wie in der Hafen City in Hamburg schon längst umgesetzt wird, soll nun auch auf gesetzlicher Ebene Einzug in die Stadtplanung erhalten und damit die Idee der klassischen, europäischen Stadt neu beleben.

Kein Patentrezept für Immobilienprojekte

Geplant ist eine neue Baurechtskategorie: das urbane Gebiet. In Quartieren, in denen bisher keine weitere Nachverdichtung anhand von Wohnraum erlaubt wäre, soll durch die Ausweisung der neuen Gebietskategorie die Genehmigung von Wohnbauten erleichtert werden. Bisher war die Vereinbarkeit von angesiedelten handwerklichen Betrieben und Wohnen aufgrund der Richtlinien des Lärmschutzes unmöglich. In Arealen mit dieser Bezeichnung, sollen in erster Linie im Rahmen der Nachverdichtung Objekte und Gebäudeensembles entstehen, die verschiedene Nutzungen in sich vereinen. In der Baunutzungsverordnung wird von urbanen Gebieten gesprochen, die "dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen [dienen], die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören." Durch die Neuausweisung von Brachflächen und alten Gewerbegebieten in urbane Gebiete erweitert sich das Flächenentwicklungspotenzial, die zu einer lebendigen Quartiersentwicklung beitragen kann.

Begrenzte Kapazitäten wie der Mangel an freistehenden Flächen, die zur stetigen Verdichtung städtischer Räume führen, erschweren trotz neuer Baurechtskategorie in Zukunft das Herausfiltern von Grundstücken mit Potential und machen dies damit zur Hauptaufgabe. Der erhöhte Bedarf an Wohnraum macht es unerlässlich, Konzepte zu entwickeln, die im besten Fall der wachsenden Nachfrage aller Segmente gerecht werden.

Heterogene Strukturen benötigen eine heterogene Entwicklung. Für Projektentwickler bieten sich zwei Möglichkeiten: Zum einen in der horizontalen Durchmischung des Quartiers und zum anderen in der vertikalen Durchmischung eines Objektes. Im Optimalfall beides. Um eine Belebung des Standortes über die klassischen Bürozeiten und Werktage hinaus zu gewährleisten, müssen auch hier Synergien zwischen den Nutzungen hergestellt werden. Neue Richtlinien, sei es in der Erfüllung des Status quo "Mixed-Use" oder in Anforderungen für eine energieeffiziente, nachhaltige Konzeptionierung, erweitern das Aufgabenspektrum des Entwicklers und Architekten. Damit ist der Projektentwickler gefordert, nicht nur die Nadel im Großstadthaufen zu finden, sondern seinen Blickwinkel zu erweitern und als Stadtstratege regionale Stärken und Schwächen zu erkennen. Ein Patentrezept für Immobilienprojekte gibt es nicht, daher muss der Ansatz verfolgt werden, bei jeder Planung erst einmal die Nutzer eines zukünftigen Quartiers nicht nur als Zielgruppen des dortigen Handels, Arbeitens und Wohnens zu sehen. Stattdessen sind diese ganzheitlich Nutzer der Stadt, die ein weites Spektrum an Bedürfnissen mit sich bringen und den Projektentwickler zu dem machen, was er sein muss: Generalist und Generator der Stadtentwicklung.

Funktionstrennung war gestern

Die Balance ist das Stichwort. Zwischen den Nutzungsarten, zwischen Tradition und Moderne, zwischen urbaner Lebendigkeit und privater Ruheoase. Aus der Geschichte haben wir gelernt, dass die Fokussierung auf nur einen Teilbereich nicht zu einem Quartier oder einer Stadt führt, in der wir unsere Vorstellungen eines attraktiven Alltags miteinander vereinen können. Der Wunsch nach dem Leben in einem innerstädtischen Kontext mit all seinen Facetten wird zukünftig bestehen bleiben.

Trotz der voranschreitenden Digitalisierung, die eine Überwindung von Raum und Zeit ohne notwendige Anwesenheit suggeriert, änderte sich nichts am Bevölkerungswachstum in den Städten. In Deutschland leben mehr als 75 Prozent der Bevölkerung in urbanen Räumen. Der Mensch bleibt auch im 21. Jahrhundert ein soziales Wesen mit dem Bedürfnis nach realer Vernetzung in einem urbanisierten Umfeld. Mit dem Wachstum geht die wachsende Verantwortung einher. Der Projektentwickler muss den Spagat leisten können, der Nutzer, Investoren und Städte zum gemeinsamen Ziel "Urbanität" führt. Halten wir fest: Funktionstrennung war gestern. Wohnen, Arbeiten und Einkaufen rücken dicht zusammen - Rührei ja, aber mit vielen Komponenten und der geheimen Zutat, die Innovation und Identität miteinander verbindet.

Der Autor Lothar Schubert Geschäftsführer, DC DEVELOPMENTS GMBH & Co. KG, Hamburg
Lothar Schubert , Geschäftsführer, DC DEVELOPMENTS GMBH & CO. KG, Hamburg
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