Im Gespräch

"Top Prime Locations als Erfolgsfaktor für Brands und Hauseigentümer"

Marc-Christian Riebe

Das Luxus- und Premiumgenre hat in den letzten Jahren stark expandiert. Dennoch gibt es zahlreiche Marken, die in Deutschland noch nicht vertreten sind - und um die Topadressen der Metropolen wie die Maximilianstraße in München, die Goethestraße in Frankfurt am Main oder den Kurfürstendamm in Berlin konkurrieren. Kein Wunder, dass Marc-Christian Riebe behauptet, er könne die gesamte Maximilianstraße an einem Tag zweimal neu vermieten. Und das trotz der ob der stetig wachsenden Luxusnachfrage saftig steigenden Mieten; vom sogenannten Schlüsselgeld (neudeutsch: Key Money) ganz zu schweigen. Im Gespräch erläutert er das Geheimnis der Premium- und Luxusmeilen und offenbart dabei exemplarisch den herrschenden harten Wettbewerb unter den Branchenakteuren. Red.

I&F Herr Riebe, Sie sind Experte für exklusive Einzelhandelsimmobilien: Können Sie uns einige Beispiele aus Ihrer Praxis nennen?

Im Jahr 2007 konnten wir an der Maximilianstraße im München das Café Roma von Iris Berben und ihrem damaligen Lebensgefährten und Geschäftspartner Gabriel Lewy für damals 12 Millionen Schweizer Franken (8 Millionen Euro) an Gucci verkaufen. Aktuell konnte Gabriel Lewy rechterhand den ehemaligen Teppich-Saemmer übernehmen und wird dort nach sechs Jahren das Café Roma wiederauferstehen lassen. Zwischendurch hatte er sich unter anderem mit Immobilieninvestments, unter anderem am New Yorker Times Square, beschäftigt. Und sobald das neue Parkhaus in der Mitte der Maximilianstraße eröffnet ist, wird auch die Frequenz an diesem Teil der Luxusmeile deutlich zunehmen.

Anschließend konnten wir die ehemalige Gucci Location der damaligen Franchisenehmerin Marion Heinrich an Escada verkaufen. Dies war kurz bevor Bruno Sälzer im Juli 2009 die Insolvenz mit Escada anmelden musste und auch hier wurde noch eine stolze siebenstellige Summe berappt, was er wiederum aus dem Verkauf des Ladens an der Fifth Avenue mit 25 Millionen US-Dollar an den Immobilieninvestor Jeff Sutton finanzieren konnte. Zuvor hatte Sälzer als CEO von Hugo Boss das linke Nachbargeschäft ebenfalls an denselben Immobilientycoon der Fifth Avenue für 25 Millionen US-Dollar vergolden können, wo man heute Giorgio Armani findet.

Dann brachten wir noch Belstaff bei Daks und Tara Jarmon neben der Bar München sowie zuletzt Brunello Cucinelli im ehemaligen Anne-Fontaine-Geschäft zwischen Fendi, Hublot und Wempe. Mit dem italienischen Cashmere-Label setzten wir uns gegen namhafte internationale Haute-Couture-Brands durch, welche noch nicht in München vertreten waren oder sich an der Maximilianstraße diesen 1A-Standort sichern wollten, um ihre Lage zu verbessern.

In der Dienerstraße konnten wir dem Eigentümer der Damenstrumpf-Kette Fogal und Denner-Erben, Philippe Gaydoul, mit der Familie Wellendorff einen adäquaten Nachmieter präsentieren, welcher von der Hauseigentümer-Familie Palmers mit einer entsprechend höheren Miete und einem saftigen Key Money im siebenstelligen Bereich anstandslos akzeptiert wurde. Aktuell konnten wir Wolford im ehemaligen Geschäft der Familie Mühlhäuser, zwischen Wempe und Zwilling, in bester Lage der Weinstraße positionieren und sind bei fünf weiteren Locations in München dabei, neue nationale und internationale Brands zu platzieren.

I&F Warum besteht für diese 1A-Lagen eine solch hohe Nachfrage?

Es ist der Name. Mit der Maximilian- und Residenzstraße sind in der Reihenfolge der Wichtigkeit vergleichbar die Goethestraße in Frankfurt, die Königsallee in Düsseldorf, der Neue Wall in Hamburg sowie der Kurfürstendamm in Berlin. In der Bahnhofstraße in Zürich macht ein Juwelier beispielsweise einen Durchschnittsumsatz von 150 000 Euro pro Quadratmeter im Jahr. In München sind dies rund 75 Prozent dieses Umsatzes, gefolgt von 50 bis 75 Prozent in Frankfurt und Düsseldorf sowie 25 bis 50 Prozent in Hamburg und Berlin. Sobald sich das Geschäft nur 10 bis 20 Meter abseits der 1A-Lage befindet, macht es nur noch einen Bruchteil des Umsatzes der Toplage. Im Gegenzug wurden die Werte der Immobilien in der Residenzstraße gegenüber der Postresidenz durch den Einzug von Louis Vuitton quasi über Nacht verdoppelt und verdreifacht. Zuletzt konnten wir mit Longchamp aus dem alten 300 Quadratmeter großen Starbucks Café gegenüber von Louis Vuitton einen Bijou- und Flagship-Store auf über 800 Quadratmetern Bruttofläche realisieren.

I&F Für welche Brands sind diese Luxusstraßen besonders interessant?

Diese Prime Locations sind für alle internationalen Luxusmarken wie Giorgio Armani, Bulgari, Chanel, Dior, Etro, Fendi, Gucci, Hublot sowie Yves Saint Laurent, Valentino und Ermenegildo Zegna interessant. Deswegen denkt der Konsument mittlerweile auch, dass eine Straße der anderen gleicht, weil alle diese Marken in den Toplagen vertreten sind. Dasselbe gilt auch neben Apple für Abercrombie & Fitch, Forever 21, GAP, H & M, J. Crew, Uniqlo und Zara, um nur einige der Young-Fashion-Brands zu nennen.

I&F Gibt es weitere Gründe, warum man sagt, dass mittlerweile alle Einkaufsstraßen quasi gleich aussehen?

Es sind Menschen wie beispielsweise Nick Hayek, der die Mehrheitsaktionäre der Gründerfamilie der Swatchgroup vertritt. Mit seinen Uhrenmarken von Omega über Glashütte, Rado, Tissot, Balmain, Swatch und vielen weiteren ist er auf allen wichtigen Einkaufsmeilen dieser Welt vertreten.

Am Beispiel des Zürcher Kaufhauses Manor, welches in vier Jahren schließen muss, weil die Eigentümerin Swiss Life rund fünfmal so viel Miete mit Mietern wie Forever 21, H& M, Uniqlo und Zara erzielen wird, echauffierte sich Hayek, dass die Bahnhofstraße aussehe wie jede andere Einkaufsstraße und man die Individualität behalten solle. Es brauche die Durchmischung.

Das ist Schwachsinn, denn gleichzeitig kaufte er Ende 2014 von der Credit Suisse für weit über 400 Millionen Franken die Immobilie des Luxuswarenhauses Grieder, welches zur Genfer Bongenie-Gruppe gehört. Es ist davon auszugehen, dass Grieder allerspätestens in zehn Jahren von Hayek gekündigt wird, wenn der Mietvertrag ausläuft. Sie können davon ausgehen, dass Hayek dann alle seine Brands auf der Bahnhofstraße sehen möchte.

Nick Hayek meint auch, er könnte den Menschen etwas vormachen, indem er immer wieder öffentlich sagt, dass er nie einen Franken für ein Schlüsselgeld bezahlt hätte, obwohl man aktuell 95 Millionen Franken bezahlter Key Moneys in seinem Jahresabschluss findet.

I&F Sie haben mit Ihrem Unternehmen Location Group AG eine Retail Study entwickelt. Was hat es damit und mit eLocations.com auf sich?

Es wurden von uns 150 der interessantesten Retail- und Immobilienstandorte der Fashionwelt mit über 3 000 Geschäftseröffnungen auf 1670 Seiten analysiert und mehr als 1300 Retailer, 800 Shoppingstraßen und 500 Shoppingcenter unter die Lupe genommen. In den vergangenen drei Jahren erreichte die Studie weltweit über 250 000 Leser, Tendenz steigend. Dies diente auch zur Vorbereitung der Lancierung unseres Online-Projekts eLocations.com, mit welchem wir die heutige offline Retail-Immobilienwelt transparent online bringen.

Mit unserem Location-Algorithmus können wir treffgenau sagen, welcher Retailer am besten in welcher Location positioniert werden muss, weil wir aufgrund unserer Location-Intelligence genau wissen, wo welcher Mietermix am besten funktioniert. Damit erleichtern wir allen Brokern die Arbeit, indem sie aufgrund unserer Leads nur noch fünf bis zehn anstatt bisher 50 bis 100 Telefonate pro Deal machen müssen. Hierfür suchen wir noch zwei bis drei Investoren, um insgesamt zirka 10 000 Städte weltweit mit rund 40 Millionen Objekten erstmals zu erfassen. Dann planen wir, wie die amerikanischen Vorbilder Costar.com und Zillow.com, die mittlerweile beide mit über 5 Milliarden US-Dollar bewertet sind, an die Nasdaq zu gehen.

I&F Wie schätzen Sie den Weltmarkt in den nächsten Jahren ein? Was für Veränderungen werden sich hier ergeben?

Die Spreu wird sich in der Modewelt sicher immer mehr vom Weizen trennen, womit ich sagen möchte, dass es das Mittelpreissegment und die Multibrandgeschäfte in der Zukunft sicher schwerer haben, weil immer mehr preisgünstige Konzepte mehr Value for Money anbieten, wie zum Beispiel das japanische Brand Uniqlo der Fast Retailing Gruppe, wozu auch die Marken GU, Comptoir des Cotonniers, Princesse Tam Tam, Theory, PLST und J Brand gehören. Der Gründer Tadashi Yanai hat sich für das Jahr 2020 ein Umsatzziel von 50 Milliarden Dollar gesetzt, was Verdrängung bedeutet. Auch die polnischen Konkurrenten Reserved und CCC werden hierzulande verstärkt in den Markt drängen, was automatisch Opfer wie beispielsweise Karstadt bedeuten wird.

Zur Person

Marc-Christian Riebe Founder, President & CEO, LOCATION GROUP AG, Zürich

Noch keine Bewertungen vorhanden


X