Die Gunst der Stunde

Horst Bertram

"What a wonderful world", diesen Song von Louis Armstrong haben die Finanzvorstände und Treasurer der deutschen Immobilienfirmen und -finanzierer derzeit permanent auf den Lippen. Es gibt auch einen guten Grund dafür. Ihr Marktumfeld ist paradiesisch. Es gibt derzeit Eigenkapital in Hülle und Fülle, die Aktienkurse steigen und Fremdkapital ist so billig wie nie zuvor.

Nicht nur auf den ersten Blick ist das Marktumfeld traumhaft. Auch der zweite Blick bestätigt die Entwicklung. Das Investoreninteresse an dem Sektor der deutschen Immobilienfirmen dürfte noch nie so groß gewesen sein.

Die Nachfrage erlaubte und erlaubt es Private-Equity-Firmen, sich sukzessive von ihren teilweise günstig eingekauften Beteiligungen zu trennen. Börsengänge oder Spin-offs sind einfach bei nationalen und internationalen Investoren zu platzieren. Der Deutschen Annington gelingt mit der Übernahme der Gagfah der Aufstieg in die erste Liga der europäischen Immobilienfirmen und die Aufnahme in den deutschen Leitindex ist wohl nur eine Frage der Zeit. Weitere Übernahmen und Fusionen sind in Vorbereitung. An der Börse waren die europäischen Immobilienfirmen im vergangenen Jahr mit einem Kursplus von 23,8 Prozent die absoluten Superstars. Der Stoxx 600 legte in diesem Zeitraum nur um magere 7,8 Prozent zu. Auch im Januar dieses Jahres hielt die Aufwärtsbewegung an, mit einem Plus von 14,1 Prozent lagen sie auf Platz zwei der Branchenrangliste.

Dabei liegen die schwierigen Jahre der Branche noch gar nicht lange zurück, aber wer denkt schon gerne an das Krisenjahr 2010 zurück. Mit Blick auf die weitere Entwicklung der deutschen Immobilienaktien fällt auf, dass die Marktbeobachter langsam skeptischer werden. Die Analysten von Berenberg und Deutsche Bank erwarten nur noch für wenige der von ihnen bewerteten Titel eine ausgeprägte Aufwärtsentwicklung. Bei der Deutschen Bank liegt das durchschnittliche Kursziel bei rund minus 24 Prozent. Das ist ein deutliches Warnsignal für die Branche, dass auf der Eigenkapitalseite die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Dabei hat der Sektor eigentlich noch Nachholbedarf bei der Verbesserung seiner Eigenkapitalausstattung. Im Vergleich zu ihren europäischen Konkurrenten - auch wenn der Vergleich aufgrund unterschiedlicher Strukturen nicht eins zu eins übertragbar ist - sind die deutschen Institute weniger stark kapitalisiert. Der Markt für die Verbesserung der Eigenkapitalausstattung ist nach wie vor hervorragend, ihn gilt es weiterhin zu nutzen. Die Branche sollte hierbei nicht vergessen, dass ein guter Teil der Investorennachfrage und der überdurchschnittlich guten Kursentwicklung auf den relativ hohen Dividendenrenditen beruht. In Zeiten extrem niedriger - bei Staatsanleihen häufig sogar negativer - Verzinsungen sind renditestarke Titel Investors Darling.

Das Zinsthema schlägt auch auf der Fremdkapitalseite zu. Die erhältlichen Laufzeiten sind deutlich länger geworden, was stark an den negativen Renditen bei vielen Bundesanleihen liegt. Die Finanzierungskosten sind in den vergangenen Monaten um rund 50 Basispunkte zurückgegangen und für zehn-, sieben- und fünfjährige Kredite sind nur noch 1,7, 1,5 und 1,3 Prozent an Zinsen zu zahlen. Im Bankenkreditmarkt sind mittlerweile deutlich größere Ticketgrößen darstellbar als noch vor einem Jahr. Nicht zu vergessen ist, dass sich für deutsche Immobilienfirmen, zumindest diejenigen mit einem "BBB"-Rating, ein guter Anleihemarkt entwickelt hat, der Benchmarkformate ermöglicht. Erstaunlicherweise gelingt es einigen Immobilienunternehmen sogar, für unbesicherte Verbindlichkeiten einen Schnaps weniger als für besicherte Finanzierungen zu zahlen. Es gilt, die Gunst der Stunde zu nutzen und die Finanzierung, da wo noch nicht geschehen, auf attraktivere Beine zu stellen. Um jetzt noch Eigenkapitalinvestoren zu den erhöhten Kursen zum Einstieg zu bewegen, ist eine gute Geschichte nötig und nicht nur hohe Dividenden. Um diese dauerhaft den Aktionären zu sichern, ist eine langfristig optimierte Refinanzierung der Schlüssel zum Erfolg.

Wie immer - die paradiesischen Zeiten können schnell vorbei sein, Risiken auf der Makro- und Mikroebene gibt es genug. Wer die Chance nicht nutzt, dem bleibt am Ende nur noch als Ohrwurm "The End" von Jim Morrison und den Doors. Aber wäre eine gewisse Konsolidierung in einer doch sehr kleinteiligen Branche nicht sogar von Vorteil?

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