Aufsätze

Aktienbewertung mit Hilfe des KGV

Für die folgende empirische Untersuchung wird die Grundannahme getroffen werden, dass sich Aktienkurse im Zeitverlauf nicht immer weiter von ihren zugrunde liegenden fundamentalen Werttreibern, wie beispielsweise den Gewinnen, entfernen können). Deshalb wird die Kennzahl, die Preis und Werttreiber ins Verhältnis setzt - im Falle der Betrachtung von Gewinnen das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) - immer wieder zu normalen historischen Durchschnittswerten zurückkehren.

Dax 30 als Beispiel

Soll das KGV sich bei Abweichung von historischen Durchschnittswerten langfristig diesen wieder annähern, muss entweder der Zähler des KGVs, also der Marktpreis, oder der Nenner, der Unternehmensgewinn, durch seine Entwicklung das KGV wieder in den Bereich historischer Durchschnittswerte führen. Ob dies beim Marktpreis der Fall ist, beziehungsweise allgemein ausgedrückt, wie sich die Preisentwicklung eines Index in Abhängigkeit des Index-KGVs verhält, soll im Rahmen der Untersuchung festgestellt werden. Betrachtet wird dabei der Zusammenhang vom durchschnittlichen KGV des Deutschen Aktienindex 30 (Dax 30) und dessen darauffolgender langfristiger Entwicklung.

Die für die empirische Untersuchung herangezogenen Daten stammen von Datastream. Die 35-jährige Zeitperiode von 1973 bis 2008 bestimmt sich durch die Verfügbarkeit der Daten. Da der Dax 30 offiziell erst seit dem Jahr 1988 existiert, wurde er für die Zeit von 1973 bis 1988 nachträglich zurückgerechnet. Die zugrunde liegenden KGVs wurden jeweils mit Kursen vom 30. Juni eines Jahres berechnet. Es wurde nicht der 31. Dezember gewählt, da in diesem Zeitpunkt Anlegern die Gewinne und damit auch das KGV des abgelaufenen Kalenderjahres noch nicht bekannt gewesen wären. Mitte des Folgejahres hätten Anleger dagegen die Geschäftsergebnisse des abgelaufenen Kalenderjahres bereits gekannt und hätten diese für die Berechnung des KGVs heranziehen können.

Rechnung mit Durchschnittswerten

Bei den Gewinnen, die bei der Ermittlung des KGVs verwendet werden, handelt es sich in Anlehnung an Graham und Dodd um die Durchschnittsgewinne der letzten fünf Jahre. Durch Betrachtung solcher Durchschnittsgewinne soll gewährleistet werden, dass das KGV nicht durch kurzfristig bedingte Profitabilitätsschwankungen verzerrt wird. In vergangenen Untersuchungen am US-amerikanischen Aktienmarkt hat sich gezeigt, dass die Prognosefähigkeit von Kennzahlen steigt, wenn mit Durchschnittswerten gerechnet wird.

Bei der Berechnung der Kennzahl KGV ist das Heranziehen von Durchschnittswerten für die Nennergröße besonders sinnvoll, da die Gewinne im Vergleich zu anderen unternehmensspezifischen Größen wie etwa Umsatzerlösen oder Eigenkapitalbuchwerten vergleichsweise hohen Schwankungen unterworfen sind. Das KGV ist somit im Rahmen der empirischen Untersuchung folgendermaßen definiert:

Formel siehe PDF-Datei

Dabei steht X für das Jahr, in dem das KGV berechnet wird. Soll etwa ein Dax-KGV für 1990 berechnet werden, steht im Zähler des obigen Bruchs der Stand am 30. Juni 1990. Im Nenner werden die Dax-Gewinne der Kalenderjahre 1989, 1988, 1987, 1986 und 1985 addiert und die Summe durch fünf geteilt, um den Durchschnitt der Gewinne dieser fünf Jahre zu erhalten.

Drei Halteperioden

Abbildung 1 zeigt die Fünf-Jahresdurch-schnitts-KGVs des Dax 30 von 1977 bis 2008. Verglichen werden diese im Rahmen der Untersuchung mit der Dax-Entwicklung in den Folgejahren. Dabei wird unterschieden zwischen Drei-, Fünf- und Sieben-Jahreshalteperioden. Die Arbeit konzentriert sich auf langfristige Haltedauern, weil frühere Untersuchungen, insbesondere für den US-amerikanischen Aktienmarkt, gezeigt haben, dass die langfristige Entwicklung von Aktien besser prognostiziert werden kann als die kurzfristige.

Eine Halteperiode beginnt und endet immer am 30. Juni eines Jahres. Der Dax 30 ist ein Performanceindex, das heißt, bei dessen Wertermittlung wurde bereits die Reinvestition von Dividenden unterstellt und müssen deshalb Dividendenausschüttungen bei der Renditeberechnung nicht explizit berücksichtigt werden. Sie spiegeln sich bereits im Wert eines Performanceindexes wie dem Dax 30 wider.

Nach Auswertung der Daten wird untersucht, ob bei den unterschiedlichen Halteperioden ein Zusammenhang zwischen dem KGV und der Rendite zu beobachten ist. Für die einzelnen Halteperioden werden jeweils sowohl nominale als auch reale, also um die (mit Hilfe von Preisindizes des Statistischen Bundesamtes berechnete) Inflationsrate des entsprechenden Jahres bereinigte Renditen betrachtet.

Renditen in der Drei-Jahresentwicklung: Abbildung 2 stellt die nominalen Renditen den KGVs gegenüber. Auf der x-Achse sind die Fünf-Jahresdurchschnitts-KGVs für jedes Jahr abgetragen, so wie sie auch in Abbildung 1 zu sehen sind. Die y-Achse zeigt die auf ein Jahr heruntergerechneten nominalen Renditen für Drei-Jahreshalteperioden bei Investition in den Dax 30. Hinter den jeweiligen Punkten sind die Jahreszahlen aufgeführt, die den Anfang der jeweiligen Drei-Jahreshalteperiode markieren. Die Steigung der Regressionsgerade beträgt minus 0,0096. An der negativen Steigung ist zu erkennen, dass hohe KGVs mit niedrigen Folgerenditen einhergingen und niedrige KGVs zu hohen Renditen in den drei Folgejahren geführt haben. Investoren hätten also grundsätzlich gut daran getan Aktien, bei niedrigen KGVs in ihrem Portfolio überzugewichten und bei hohen KGVs unterzugewichten.

Betrachtet man die Jahreszahlen genauer, ist zu erkennen, dass die extrem hohen KGVs zur Jahrtausendwende (2000 und 2001) mit den schlechtesten Drei-Jahresfolgerenditen von minus 23,2 Prozent und minus 12,9 Prozent für Anleger einhergingen. Niedrige KGVs Anfang der achtziger Jahre (1981, 1982 und 1983) führten zu hohen Renditen von 11,9 Prozent, 26,1 Prozent und 22,5 Prozent. Es ist aber auch festzustellen, dass etwa Mitte der neunziger Jahre (1995, 1996 und 1997) Anleger trotz relativ hoher KGVs von teilweise über 20 deutlich überdurchschnittliche Folgerenditen erzielt hätten. Im Jahr 1997 hätten Investoren mit dem Dax bei dreijähriger Anlagedauer eine Rendite von immerhin 22,1 Prozent erreicht, und das, obwohl das KGV des Dax bei über 26 stand.

Reale Renditen versus KGVs

Auch bei Betrachtung realer Renditen zeigt sich für eine Haltedauer von drei Jahren ein negativer Zusammenhang zwischen KGV und Rendite (Abbildung 3). Die Regressionsgerade hat somit auch hier eine negative Steigung. Das Bestimmtheitsmaß ist mit 0,1156 noch geringer als bei der Betrachtung nominaler Renditen.

Renditen in der Fünf-Jahresentwicklung: Abbildung 4 stellt die nominalen Renditen den KGVs gegenüber. Der Zusammenhang von KGVs und Folgerenditen für Investoren mit einem Anlagehorizont von fünf Jahren ist ebenfalls negativ. Auch hier gingen hohe KGVs mit niedrigen Renditen einher, und niedrige KGVs führten zu überdurchschnittlichen Renditen. Für Investoren mit fünfjährigen Anlagehorizont hätte es sich also ebenfalls ausgezahlt, wenn sie Aktien in Zeiten niedriger KGVs übergewichtet und bei hohen Bewertungsniveaus deren Anteil zurückgefahren hätten. Bei einem fünfjährigen Anlagehorizont verläuft die Regressionsgerade mit einer Steigung von minus 0,0116 steiler als bei Betrachtung von Drei-Jahreshalteperioden.

Anleger hätten besonders hohe Renditen erzielt, wenn sie Anfang der achtziger Jahre bei relativ niedrigen KGVs in den Dax 30 investiert hätten. Investitionen im Jahr 1980, 1981 und 1982 hätten bei KGVs von 10,9, 10,7 und 10,4 und fünfjährigem Haltezeitraum Jahresrenditen von 14,3 Prozent, 20,1 Prozent und 22,3 Prozent erbracht. Von 1998 bis 2001 betrugen die KGVs in allen vier Jahren über 23, und die folgende Fünf-Jahresentwicklung war in allen Fällen negativ. Hätte man 1998 für fünf Jahre investiert, wäre die Rendite über die fünf folgenden Jahre gar minus 11,8 Prozent pro Jahr gewesen. Die Punktewolke der Abbildung 4 zeigt, dass die Verteilung wesentlich besser durch die Regressionsgerade erklärt wird als bei Drei-Jahreshalteperioden. Das relativ hohe Bestimmtheitsmaß von 0,4454 bedeutet, dass 44,54 Prozent der Abweichung durch die Regression erklärt werden.

Auch bei Fünf-Jahreshalteperioden für reale Renditen ist zu erkennen, dass hier ebenfalls ein negativer Zusammenhang zwischen KGV und Rendite besteht (Abbildung 5). Die Regressionsgerade hat mit minus 0,0104 eine ähnliche Steigung wie die Gerade bei Betrachtung von Fünf-Jahreshalteperioden und nominalen Renditen. Das Bestimmtheitsmaß ist auch bei Fünf-Jahreshalteperioden für reale Renditen mit 0,3555 etwas geringer als für nominale.

Relativ hohe Aussagekraft der Regression

Renditen in der Sieben-Jahresentwicklung: In Abbildung 6 ist zu erkennen, dass auch bei siebenjähriger Haltedauer das KGV negativ mit der Rendite korreliert. Die Steigung der Regressionsgeraden ist mit minus 0,0086 etwas flacher als bei einer fünfjährigen Haltedauer.

Anleger mit einem siebenjährigen Anlagehorizont wären sehr erfolgreich gewesen, wenn sie Anfang der achtziger Jahre (1980, 1981, 1982 und 1983) bei niedrigen KGVs investiert hätten. Die Renditen der folgenden sieben Jahre betrugen bei diesen Investitionsjahren stets zwischen zehn und 20 Prozent pro Jahr. Um die Jahrtausendwende hätte eine Investition bei hohen KGVs magere oder teils negative Renditen gebracht (Punktewolke rechts unten).

Allerdings hätte man bei einem Kauf von Aktien in den Jahren 1991, 1992, 1993 und 1994 trotz relativ ambitionierter Bewertungen recht hohe Renditen erzielt. Die Punkte dieser Investitionsjahre besitzen in der Abbildung den größten Abstand zur Regressionsgeraden. Das Bestimmtheitsmaß der Regression ist mit 0,5671 noch höher als bei fünfjährigem Anlagehorizont. Dies bedeutet, dass etwa 57 Prozent der Abweichung durch die Regressionsgerade erklärt werden, was für eine relativ hohe Aussagekraft der Regression bei siebenjährigem Anlagehorizont spricht.

Abbildung 7 stellt die realen Renditen den KGVs gegenüber. Hohe KGVs gingen mit niedrigen Renditen einher, und niedrige KGVs führten zu hohen Renditen. Das Bestimmtheitsmaß ist auch hier mit 0,4782 geringer als bei gleicher Haltedauer und Betrachtung nominaler Renditen.

Negativer Zusammenhang

Zusammenfassend ist festzustellen, dass für alle untersuchten Anlagehorizonte, drei, fünf und sieben Jahre, ein negativer Zusammenhang zwischen KGV und nominaler Rendite besteht. Hohe KGVs führten zu niedrigen Renditen in den Folgeperioden, und niedrige KGVs gingen mit hohen Renditen einher. Tabelle 1 zeigt die Steigung der Regressionsgeraden sowie die Bestimmtheitsmaße für die Haltezeiträume von drei, fünf und sieben Jahren bei Betrachtung nominaler Renditen. Die Steigungen zeigen die Unterschiede zwischen hohen und niedrigen Jahresrenditen in Abhängigkeit des KGVs. Das Bestimmtheitsmaß gibt den Prozentsatz an der gesamten Variation an, der durch die Regressionsfunktion erklärt wird.

Bei drei Jahren Haltedauer verläuft die Regressionsgerade relativ flach. (Steigung minus 0,0096) Die Auswirkung des KGVs auf die Renditen in den Folgejahren ist also relativ gering. Betrachtet man Fünf-Jahreshaltedauern, beträgt die Steigung minus 0,0116. Die Gerade ist somit steiler. Bei einer Halteperiode von sieben Jahren ist die Regressionsgerade mit einer Steigung von minus 0,0086 wieder flacher. Somit sind die Unterschiede in den Renditen in Abhängigkeit vom KGV bei einer Fünf-Jahreshaltedauer am größten.

Das Bestimmtheitsmaß beträgt bei einer Anlagedauer von drei Jahren 0,162. Damit lassen sich 16,2 Prozent der Jahresrenditen durch das lineare Regressionsmodell erklären. Bei einer Haltedauer von fünf Jahren nimmt das Bestimmtheitsmaß einen Wert von 0,4454 an. Die Aussagekraft der Regressionsfunktion ist somit deutlich höher. Bei einer siebenjährigen Haltedauer ist die Regressionsgerade am aussagefähigsten. Das Bestimmtheitsmaß beträgt hier 0,5671. Somit können fast 57 Prozent durch das Regressionsmodell erklärt werden. Bei einer Haltedauer von fünf Jahren ist also die Regressionsfunktion am steilsten, bei sieben Jahren besitzt die Regressionsgerade dagegen mit dem höchsten Bestimmtheitsmaß die beste Aussagekraft.

Da die Inflationsrate fast ausschließlich positive Werte einnimmt, sind die realen Renditen geringer als die nominalen Renditen. Tabelle 2 zeigt die Steigung der Regressionsgeraden sowie die Bestimmtheitsmaße für die unterschiedlichen Haltezeiträume von drei, fünf und sieben Jahren bei Betrachtung realer Renditen. Auch hier ist an der negativen Steigung der Regressionsgeraden zu erkennen, dass der Zusammenhang zwischen KGV und darauffolgender realer Rendite negativ ist. Bei dreijähriger Haltedauer beträgt die Steigung der Regressionsfunktion minus 0,0082. Halteperioden von fünf Jahren weisen die Gerade etwas steiler aus (Steigung minus 0,0104). Und bei Betrachtung siebenjährigen Haltedauern hat sie eine relativ geringe Steigung von minus 0,0078. Das Bestimmtheitsmaß ist bei Drei-Jahreshaltedauern mit 0,1156 am geringsten. Werden Fünf-Jahreshaltedauern für reale Renditen dargestellt, ist die Aussagekraft der Regressionsgeraden mit einem Bestimmtheitsmaß von 0,3555 deutlich höher. Bei Betrachtung realer Renditen und siebenjähriger Haltedauer ist das Bestimmtheitsmaß mit 0,4782 am höchsten.

Worauf sind die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zurückzuführen? Warum wäre es Investoren möglich gewesen, überdurchschnittliche Renditen zu erzielen, wenn sie in Jahren investiert hätten, in denen die Aktienkurse im Vergleich zu den Gewinnen niedrig standen, und warum wären umgekehrt die Renditen für Investoren in Jahren nach hohen Dax-KGVs unterdurchschnittlich gewesen? In der Literatur werden solche oder ähnliche Ergebnisse empirischer Untersuchungen meist mit der zumindest teilweisen Ineffizienz des Marktes begründet. Gerade die zu hohe Volatilität von Aktienkursen im Vergleich zu fundamentalen Einflussfaktoren wird in diesem Zusammenhang häufig genannt.

Zu hohe Volatilität

Der Nachweis einer zu hohen Volatilität von Aktienkursen ist allerdings sehr problematisch. So ist im Nachhinein oft schwer festzustellen, ob Schwankungen von Aktienkursen durch das Verhalten der inneren Unternehmenswerte gerechtfertigt waren. Die Kurse entstanden in Zeiten, in denen Marktteilnehmer nicht wussten, was in ihrer Zukunft, die jetzt ex post untersucht wird, geschehen wird.

Bei den Fünf-Jahresdurchschnittsgewinnen über die Zeitperiode von 1977 bis 2008 besteht ein fast ununterbrochener Aufwärtstrend (Abbildung 8). Lediglich 1982 kann ein minimales Abfallen der Fünf-Jahresdurchschnittsgewinne beobachtet werden. In allen anderen Jahren des Betrachtungszeitraums steigt dagegen die Linie mit den Fünf-Jahresdurchschnittsgewinnen von Jahr zu Jahr an. Die Entwicklung des Dax 30 war dagegen wesentlich höheren Schwankungen unterworfen. So verlor der Index vom 30. Juni 1987 bis 30. Juni 1988 fast 20 Prozent. Von Mitte 2000 bis 2003 gab er sogar mehr als die Hälfte seines Wertes ab. Der Dax 30 fiel in dieser Zeit von 6 958 auf 3 146 Punkte, obwohl über diesen Zeitraum die Linie der Fünf-Jahresdurchschnittsgewinne in jedem Jahr anstieg. Da der Index von 2000 bis 2003 fiel, während die Unternehmensgewinne anstiegen, sank das KGV von 29,1 im Jahr 2000 auf 10,9 im Jahr 2003 erheblich.

In anderen Zeiträumen, in denen der Index fiel, ist dasselbe Phänomen zu beobachten: Sinkende Kurse bei steigenden Fünf-Jahresdurchschnittsgewinnen führen zu deutlich sinkenden KGVs. Stiegen in anderen Zeitperioden dagegen die Kurse stärker als die Fünf-Jahresdurchschnittsgewinne, führte dies zu steigenden KGVs. Hätten sich Aktienkurse und Unternehmensgewinne im Einklang bewegt, wäre das KGV dagegen über den Betrachtungszeitraum konstant geblieben. Stattdessen schwankten die KGVs stark und bewegten sich in einer breiten Spanne mit Tiefstwerten von etwa zehn (1982) und Höchstwerten von über 30 Ende der neunziger Jahre.

Gelegentlich wird argumentiert, dass die Bewegung von Dividenden und Aktienkursen wesentlich ähnlicher sei als dies bei Unternehmensgewinnen und Aktienkursen der Fall ist. Die positive Korrelation zwischen Aktienkursen und Dividenden sei sehr deutlich und das Verhältnis zwischen Dividenden und Aktienkursen (Dividendenrendite) weit geringeren Schwankungen unterworfen als das Verhältnis zwischen Aktienkursen und Unternehmensgewinnen (KGV), so die Argumentation.

Die Dividendenrendite des Dax 30 ist über den Untersuchungszeitraum starken Schwankungen unterworfen (Abbildung 9). Für den Dax 30 kann also nicht bestätigt werden, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Dividenden und Preisentwicklung des Indexes gibt. Genauer untersuchte Shiller den US-amerikanischen Markt von 1881 bis 1981 und beobachtete, dass die Korrelation von Aktienkursen und Dividenden sich zwar als positiv herausstellte. Wesentlich weniger volatil als die Aktienkurse waren allerdings Dividenden. Nach Shiller waren starke Schwankungen von Aktienindizes in der Vergangenheit nicht nur durch entsprechende Dividendenentwicklungen gerechtfertigt.

Ein Ansatz, der die hohe Volatilität von Aktienindizes zu erklären versucht, beruht auf psychologisch bedingten Verhaltensweisen der Marktteilnehmer. Während die klassische Kapitalmarkttheorie davon ausgeht, dass Anleger rational agieren, haben sich in den letzten Jahren zunehmend auch Ansätze verbreitet, welche psychologische Aspekte im Verhalten von Anlegern mit einbeziehen. So können etwa steigende Aktienkurse einen zunehmenden Optimismus der Anleger auslösen. Die Investoren fühlen sich hierdurch in ihrer Anlageentscheidung bestätigt. Der zunehmende Optimismus kann dazu führen, den Aktienanteil trotz der bereits gestiegenen Preise weiter aufzustocken. Entsprechend kann ein Anleger, der seine Aktien fallen sieht, zunehmend pessimistisch werden und die Aktien abstoßen, auch wenn dies unter rationalen Gesichtspunkten nicht sinnvoll ist. Tritt solches Verhalten bei einer Vielzahl von Marktteilnehmern auf, können Aktienkurse stärker schwanken als die inneren Werte der Unternehmen.

Zweifel an der Effizienzmarkthypothese

Das Index KGV erwies sich als relativ guter Indikator für die darauffolgende Entwicklung des Dax 30. Bei niedrigen Index-KGVs hätten Investoren überdurchschnittliche Renditen erzielt; hohe KGVs gingen dagegen mit unterdurchschnittlichen Renditen einher. Die empirischen Ergebnisse lassen gewisse Zweifel an der Effizienzmarkthypothese aufkommen, ohne dass die Ineffizienz abschließend bewiesen wäre. Es spricht jedoch einiges dafür, dass Investoren sich nicht immer rational verhalten und diese Irrationalität dazu führt, dass Aktienkurse und innere Unternehmenswerte voneinander abweichen können. Typischerweise schwankt, je nach Nachrichtenlage die Stimmung von Anlegern zwischen Euphorie und Resignation. So treten sowohl bei Aktien einzelner Unternehmen als auch beim Gesamtmarkt Phasen der Übertreibung und der Untertreibung auf. Aus diesem Grund haben sich für Anleger antizyklische Investitionsstrategien in der Vergangenheit als besonders erfolgreich herausgestellt.

In der momentanen Marktlage, die von der sich immer weiter ausbreitenden globalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise geprägt ist, wird ein Großteil der Anleger vorsichtiger. Aus Angst verkaufen viele Kleinanleger ihre Aktienbestände und ziehen massiv Geld aus Aktienfondsanteilen ab. Mit dem Wert von 9,1 (Mai 2009) hat das KGV den niedrigsten Wert der letzten 30 Jahre erreicht. Würde das aktuelle KGV auf eine (egal welche) der in dieser Arbeit gezeigten Regressionsgeraden gelegt, könnte man erkennen, dass bei einer Investition in den Dax 30 und einem Anlagehorizont von drei, fünf oder sieben Jahren mit deutlich überdurchschnittlichen Renditen gerechnet werden kann.

Jedoch scheint es in der momentanen Krise viele Gründe für Anleger zu geben, nicht zu investieren beziehungsweise ihre Aktien zu verkaufen. Ökonomen überbieten sich in ihren negativen Vorhersagen für das wirtschaftliche Wachstum, und die Nachrichten in der Wirtschaftspresse haben einen größtenteils negativen Tenor. Allerdings waren es in der Vergangenheit immer diese Krisen, die in den Folgejahren überdurchschnittliche Renditen für Investoren ermöglichten. Großinvestor Warren Buffett beschreibt seine antizyklische Investitionsstrategie folgendermaßen: "A simple rule dictates my buying: Be fearful when others are greedy, and be greedy when others are fearful."

Literatur

Barsky, R./De Long, B. (1993), Why Have Stock Prices Fluctuated?, in: Quarterly Journal of Economics, 108, S. 291-312.

Campbell, J. Y./Shiller, R. J. (1988), Stock Prices, Earnings, and Expected Dividends, in: Journal of Finance, Vol. XLIII, Nr. 3, S. 661-676.

Campbell, J. Y./Shiller, R. J. (1998), Valuation Ratios and the Long-Run Stock Market Outlook, in: Journal of Portfolio Management 24, S. 11-24.

Froot, K./Obstfeld, M. (1991), Intrinsic Bubbles - The Case of Stock Prices, in: American Economic Review, 81, S. 1190-1262.

Graham B./Dodd D. L. (1934), Security Analysis, 1. Aufl., New York.

Shiller, R. J. (1996), Price-Earnings Ratios as Forecasters of Returns: The Stock Market Outlook in 1996, http://econ.yahle.edu/~shiller/data/peratio.html.

Shiller, R. J. (2005), Irrational Exuberance, 2. Aufl., Princeton.

Prof. Dr. Tristan Nguyen , Professor für Economics, Finance & ­Accounting , Hochschule Fresenius, München
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