Aufsätze

Banking Resolution und Bail-in - gesetzliche, europäische Vorgaben

Seit Inkrafttreten des Restrukturierungsgesetzes (RestruktG) am 1. Januar 2011 kennt das deutsche Recht verschiedene Möglichkeiten, in Schieflage geratene Kreditinstitute auch unter teilweise intensiven Eingriffen in die Rechte ihrer Anteilseigner und Gläubiger zu reorganisieren beziehungsweise abzuwickeln. So wurde mit dem Kreditinstitut-Reorganisationsgesetz (KredReorgG) für systemrelevante Banken die Durchführung eines freiwilligen Reorganisationsverfahrens ermöglicht, das einem Insolvenzplanverfahren weitgehend angenähert ist. Im Rahmen eines solchen Reorganisationsverfahrens sind auch Debt-Equity-Swaps, das heißt Umwandlungen von Forderungen in Eigenkapital, zulässig. Solche Maßnahmen können im gestaltenden Teil eines Reorganisationsplanes vorgesehen werden. Ihre Durchführung bedarf allerdings der mehrheitlichen Zustimmung der betroffenen Gläubiger, die hierüber gesondert nach Gläubigergruppen abstimmen.

Instrument der Übertragungsanordnung

Daneben eröffnet das Kreditwesengesetz (KWG) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Möglichkeit, die Restrukturierung eines systemrelevanten Kreditinstituts anzuordnen, wenn dieses in seinem Bestand gefährdet ist und dadurch die Stabilität des Finanzsystems insgesamt bedroht. Hierfür steht der BaFin insbesondere das Instrument der Übertragungsanordnung zur Verfügung. Damit kann die bestandsgefährdete Bank angewiesen werden, ihr Vermögen ganz oder teilweise einschließlich der Verbindlichkeiten auf ein sogenanntes Brückeninstitut auszugliedern. Systemrelevante Bestandteile können so aus der gefährdeten Bank herausgelöst und nach ihrer Übertragung auf den neuen Rechtsträger durch Garantien oder Rekapitalisierungshilfen des Restrukturierungsfonds gestützt werden.

Der Restrukturierungsfonds ist bei der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung eingerichtet und wird durch die von allen Banken zu leistende Bankenabgabe gespeist. Sollte dies erforderlich sein, kann das Kreditinstitut, dessen Vermögen auf das Brückeninstitut übertragen wurde, in einem regulären Insolvenzverfahren abgewickelt werden. Durch die im Rahmen der Übertragungsanordnung mögliche Auswahl derjenigen Verbindlichkeiten, die auf das zu stützende Brückeninstitut übertragen werden, und derjenigen Passiva, die bei dem abzuwickelnden Kreditinstitut zurückbleiben, steht der BaFin ein Regelungsinstrument zur Verfügung, das in seinen wirtschaftlichen Folgen für die Gläubiger mit einem Bail-in durchaus vergleichbar ist. Jedoch ist es in seiner Ausgestaltung deutlich holzschnittartiger als das Bail-in-Instrument, das derzeit auf europäischer Ebene diskutiert wird und dort zukünftig eingeführt werden soll.

Regelungsvorhaben auf europäischer Ebene

Am 6. Juni 2012 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Gesetzgebungsvorschlag für eine Richtlinie zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (Recovery and Resolution Directive - RRD). Am 27. Juni 2013 erfolgte nach Durchführung des Konsultationsverfahrens, diversen Zwischenentwürfen und Abstimmungsgesprächen zwischen den EU-Institutionen, die insbesondere das Bail-in-Instrument betrafen, die Veröffentlichung eines Kompromissvorschlags, der von dem Rat der Europäischen Union in der Konfiguration als "Economic and Financial Affairs Council - Ecofin" verabschiedet worden ist (Kompromissvorschlag). Dieser bildet nun die Grundlage für die Trilog-Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament, die hoffentlich im Herbst dieses Jahres zur Verabschiedung der finalen Fassung der RRD führen werden.

Der Abwicklungsrahmen, der mit der RRD aufgestellt werden soll, ist dabei in drei Regelungsbereiche aufgeteilt. Er enthält erstens Präventionsvorschriften, die unter anderem die Aufstellung von Sanierungsplänen durch Banken vorschreiben sowie Aufsichtsbehörden zur Erstellung von Abwicklungsplänen verpflichten und ihnen die Beseitigung von Abwicklungshindernissen ermöglichen sollen. Zweitens werden Frühinterventionsbefugnisse geregelt, die den nationalen Aufsichtsbehörden die nötigen Mittel zur Verfügung stellen sollen, um rechtzeitig eingreifen zu können, wenn ein Institut die regulatorischen Eigenkapitalanforderungen nicht erfüllt oder voraussichtlich nicht erfüllen wird. Drittens wird die Abwicklung von Kreditinstituten adressiert. Es ist geplant, die nationalen Aufsichtsbehörden mit einer Reihe von harmonisierten Abwicklungsinstrumenten und -befugnissen auszustatten. Den Behörden soll so ermöglicht werden, auf Bankenausfälle zu reagieren und Banken unter Erhaltung ihrer wichtigsten Funktionen zu restrukturieren beziehungsweise abzuwickeln, ohne dass staatliche Finanzhilfen hierfür aufgewendet werden müssen.

Schaffung einer zentralen Abwicklungsbehörde

Im Rahmen der RRD sollen den Aufsichtsbehörden künftig insbesondere vier Abwicklungsinstrumente zur Verfügung stehen. Das erste Instrument der Unternehmensveräußerung gibt den Aufsichtsbehörden die Möglichkeit, eine Bank im Krisenfall im Wege des Share Deal oder Asset Deal ganz oder teilweise an eine andere Bank zu verkaufen. Das zweite Instrument der Übertragung auf ein Brückeninstitut entspricht funktionell der Übertragungsanordnung nach dem geltenden deutschen KWG. Es lässt die Übertragung von Anteilen oder Vermögensgegenständen einer Bank auf eine staatlich gegründete Brückenbank zu, während die in Schieflage geratene Bank im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens abgewickelt werden kann.

Das dritte Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten lässt demgegenüber die Übertragung bestimmter problematischer Vermögenswerte auf eine spezielle Zweckgesellschaft mit dem Ziel zu, die Bilanz des betreffenden Instituts zu bereinigen. Jedoch soll dieses Instrument nur in Kombination mit einem der übrigen Instrumente eingesetzt werden dürfen. Viertens schließlich soll das Bail-in-Instrument die Abschreibung beziehungsweise die Umwandlung von gegen das Institut gerichteten Forderungen in Eigenkapital ermöglichen.

Am 10. Juli 2013 hat die EU-Kommission ferner in Ergänzung zur RRD einen Vorschlag für eine Verordnung veröffentlicht, mit der ein einheitlicher Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism - SRM) innerhalb des Euroraums etabliert werden soll. Der SRM soll den geplanten einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism - SSM), der die größten der im Euroraum sowie in auf freiwilliger Basis am SSM teilnehmenden Nicht-Eurostaaten ansässigen Kreditinstitute erfassen soll, ergänzen und die Anwendung der Abwicklungsvorschriften der RRD auf alle Banken innerhalb der Mitgliedstaaten des SSM sicherstellen.

Während die für alle EU-Mitgliedstaaten geltende RRD die darin vorgesehenen Abwicklungskompetenzen auf die bestehenden nationalen Aufsichtsbehörden und Abwicklungsfonds übertragen soll, ist mit dem SRM im Rahmen der Banken -union die Schaffung einer zentralen Abwicklungsbehörde sowie eines zentralen Abwicklungsfonds geplant. Die Abwicklungsentscheidung soll dabei durch ein besonderes Abwicklungsgremium, bestehend aus Vertretern der EZB, der EU-Kommission und der betroffenen nationalen Abwicklungsbehörden, vorbereitet werden. Auf der Basis der Empfehlung dieses Gremiums soll die Abwicklungsanordnung sodann durch die EU-Kommission getroffen werden und von den betroffenen nationalen Abwicklungsbehörden umgesetzt werden.

Funktionsweise des Bail-in-Instruments

Im bisherigen Verlauf des europäischen Gesetzgebungsverfahrens zur RRD war das Bail-in-Instrument Gegenstand besonders intensiver Diskussionen. Das Bail-in-Instrument soll sicherstellen, dass die Anteilseigner und Gläubiger eines ausfallenden Instituts in einem angemessenen Umfang an dessen Verlusten und den Kosten für dessen Stabilisierung beteiligt werden. Dazu soll es den Abwicklungsbehörden die Möglichkeit geben, Forderungen von Gläubigern eines in Schieflage geratenen Instituts abzuschreiben oder in Eigenkapital umzuwandeln und das betroffene Institut so zu rekapitalisieren.

Es handelt sich damit letztlich um einen Debt-Equity-Swap, das heißt die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital. Dessen Durchführung soll einerseits möglich sein, um ein ausfallendes oder vom Ausfall bedrohtes Institut zu rekapitalisieren und damit dessen Lebensfähigkeit wiederherzustellen. Andererseits soll es auch dazu dienen können, Eigenkapital für ein Brückeninstitut bereitzustellen, indem die auf ein solches zu übertragenden Forderungen und Schuldtitel reduziert oder in Eigenkapital umgewandelt werden. Die Abwicklungsbehörde soll die Forderungen dabei um den Betrag kürzen, der nach ihrer Einschätzung im konkreten Einzelfall erforderlich ist, um das Ziel der Maßnahme zu erreichen. Bereits bestehende Anteile am Institut können hierfür vollständig annulliert und/oder durch Umwandlung von Verbindlichkeiten in neue Anteile stark verwässert werden.

Anwendungsbereich

Grundsätzlich soll das Bail-in-Instrument auf sämtliche Verbindlichkeiten einer Institution angewendet werden können. Von diesem weiten Anwendungsbereich sollen gemäß dem Kompromissvorschlag in einem ersten Schritt bestimmte definierte Verbindlichkeiten, wie garantierte Einlagen, Pfandbriefe und sonstige gesicherte Verbindlichkeiten, Treuhandverbindlichkeiten sowie Verbindlichkeiten mit kurzer Laufzeit, ausgenommen werden.

Weitere Ausnahmen sollen Gehälter von Beschäftigten, Entgelte für Lieferungen und Dienstleistungen, die für die Tätigkeit des Instituts unerlässlich sind, sowie Verbindlichkeiten gegenüber Steuer- und Sozialbehörden betreffen, soweit Letztere auch nach nationalem Insolvenzrecht bevorzugt werden.

Insbesondere sollen gesicherte Einlagen vom Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments ausgenommen sein. Der Kompromissvorschlag versteht hierunter solche Einlagen, die von einem Einlagensicherungssystem im Sinne der Richtlinie vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme erfasst werden, also jedenfalls alle Einlagen bis zu einer Höhe von 100000 Euro Einlagen, die unter ein solches Einlagensicherungssystem fallen, sollen danach nicht umgewandelt beziehungsweise abgeschrieben werden können. Das betroffene Einlagensicherungssystem selbst soll hingegen an der Finanzierung des Instituts teilnehmen, soweit es die Einleger im Falle eines normalen Insolvenzverfahrens hätte entschädigen müssen.

Daneben sollen vom Anwendungsbereich des Bail-in auch solche Verbindlichkeiten nicht erfasst werden, für die lediglich eine kurze Fälligkeit vereinbart wurde. Damit soll Instituten, die sich in schwierigen Lagen befinden, die kurzfristige Beschaffung von Liquidität ermöglicht und so eine systemische Ansteckung zwischen Banken vermieden werden. Verbindlichkeiten innerhalb derselben Gruppe soll diese Ausnahme jedoch nicht zugutekommen. Von der Privilegierung kurzfristiger Verbindlichkeiten kann allerdings auch eine Anreizwirkung für riskante Fristentransformationen durch kurzfristige Refinanzierungen ausgehen. Daher wurde der Anwendungsbereich dieser Ausnahmevorschrift im Kompromissvorschlag auf Interbankenverbindlichkeiten mit einer maximalen ursprünglich vereinbarten Laufzeit von weniger als sieben Tage begrenzt.

Ausnahmeregelungen

Darüber hinaus soll es den Abwicklungsbehörden gemäß dem Kompromissvorschlag ermöglicht werden, in Ausnahmefällen bestimmte, über den genannten Regelkatalog der RRD hinausgehende Verbindlichkeiten vom Bail-in vollständig oder lediglich teilweise im Sinne eines reduzierten Schuldenschnitts auszuschließen. Dies soll zum einen möglich sein, wenn die Umwandlung oder Abschreibung der betreffenden Verbindlichkeit trotz entsprechender Bemühungen der Abwicklungsbehörde nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums möglich ist oder zum anderen, wenn die Ausnahme zur Aufrechterhaltung kritischer Funktionen des Instituts erforderlich ist. Auch soll eine Ausnahme möglich sein, wenn sie zwingend erforderlich ist, um die Ansteckung anderer Institute zu vermeiden, wenn ansonsten schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen auf die Volkswirtschaft eines Mitgliedstaates zu befürchten wären, oder wenn die Anwendung des Bail-in zu einer Vernichtung von Werten führen würde, die letztlich eine Schlechterstellung der Gläubiger übriger Verbindlichkeiten bewirken würde.

Der Kompromissvorschlag sieht zwei Möglichkeiten vor, den Ausschluss von Verbindlichkeiten im Einzelfall zu finanzieren. Zum einen können die Verluste auf die übrigen Gläubiger, deren Forderungen weiterhin dem Bail-in unterfallen, bis zu dem Betrag abgewälzt werden, mit dem sie im Rahmen eines normalen Insolvenzverfahrens ausgefallen wären. Zum anderen ist eine Finanzierung durch den zuständigen Abwicklungsfonds zum Auffangen von Verlusten bis zur Höhe des Betrages möglich, der erforderlich ist, um einen Nettoeigenkapitalwert des Instituts von "Null" zu erreichen.

Zahlungen eines Abwicklungsfonds sind jedoch erst dann möglich, wenn zuvor durch den Bail-in-Anteilseigner und -Gläubiger an den Verlusten beziehungsweise Rekapitalisierungskosten in Höhe von mindestens acht Prozent der Gesamtpassiva (einschließlich Eigenmittel) des Instituts beteiligt wurden. Gleichzeitig ist die Beteiligung des Abwicklungsfonds grundsätzlich auf einen Höchstbetrag von fünf Prozent der Gesamtpassiva (einschließlich Eigenmittel) des Instituts begrenzt. Dieser Höchstbetrag darf nach dem Kompromissvorschlag nur unter außergewöhnlichen Umständen überschritten werden, sofern sämtliche ungesicherten und nicht-bevorzugten Verbindlichkeiten (außer Einlagen) bereits vollständig abgeschrieben oder umgewandelt worden sind.

Haftungsreihenfolge im Rahmen des Bail-in

Bei der Anwendung des Bail-in-Instruments müssen die Abwicklungsbehörden gemäß dem Kompromissvorschlag zunächst den aggregierten Betrag der Verbindlichkeiten feststellen, die insgesamt abzuschreiben oder umzuwandeln sind. Die Reihenfolge, in der die Verbindlichkeiten des Instituts sodann abzuschreiben beziehungsweise umzuwandeln sind, ist im Sinne einer Rangordnung vorgegeben.

Danach ist zuerst hartes Kernkapital und danach zusätzliches Kernkapital sowie Ergänzungskapital anzugehen, bevor nachrangige Verbindlichkeiten und schließlich die übrigen abschreibungsfähigen Verbindlichkeiten herangezogen werden können. Für Letztere soll gemäß dem Kompromissvorschlag eine Haftungskaskade gelten, nach der Einlagen natürlicher Personen und kleiner und mittlerer Unternehmen sowie Forderungen gegenüber der Europäischen Investmentbank vorrangig vor Forderungen von sonstigen ungesicherten nicht-vorrangigen Gläubigern bedient werden sollen. Im Rahmen der vorgegebenen Reihenfolge kann nach dem Vorschlag stets erst dann zur nächsten Klasse von Passiva übergegangen werden, wenn das Bail-in-Instrument in der jeweils höheren Klasse nicht zum Erreichen des vollständigen aggregierten Betrags geführt hat.

Eine erste Abstimmung des Europäischen Parlaments über den Kompromissvorschlag zur RRD ist nach derzeit vorliegenden Erkenntnissen für Mitte November 2013 geplant. Ob damit noch ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2014 möglich sein wird, erscheint durchaus fraglich. Die RRD wäre innerhalb eines Jahres, die Vorschriften zum Bail-in-Instrument allerdings erst bis spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie, das heißt bis zum 1. Januar 2018, umzusetzen, um Laufzeitzyklen bestehender Verbindlichkeiten zu berücksichtigen.

Das weitere Schicksal des Vorschlags der EU-Kommission für eine Verordnung für einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus ist hingegen derzeit nicht absehbar. Hierzu gibt es insbesondere von Seiten der deutschen Bundesregierung erheblichen Widerstand, die in den EU-Verträgen in ihrer derzeitigen Fassung keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Übertragung der Kompetenz einer EU-weit einheitlichen Abwicklungsbehörde auf die EU-Kommission sieht.

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