Die Bankenunion aus Gläubigersicht

Formel 1

Gernot M. Becker, Gruppenleiter Grundsatzfragen im Bereich Finanzinstitutionen und ausländische Gebietskörperschaften, Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Frankfurt am Main, sowie Lehrbeauftragter, Frankfurt School of Finance and Management, Frankfurt am Main, und Alexander Voigt, Referent für aufsichtsrechtliche Fragestellungen, Helaba, Frankfurt am Main - Angefangen von Asset Quality Review und Stresstest im vergangenen Jahr über die erklärte Absicht einer Entflechtung der Beziehungen von Banken und Staaten bis hin zu TLAC und MREL begrüßen die Autoren die eingeleiteten Schritte zu einem einheitlichen europäischen Aufsichts- und Abwicklungsprozess. Im Zuge der schrittweise in Kraft tretenden europäischen Bankenunion lenken sie den Blick dabei auf die Frage, inwieweit die Bankenunion als Bestandteil der Bankenbonität in Euroland in ihren derzeit absehbaren Konturen die Risikoposition von Gläubigern verändert. Während sie kurzfristig durch die neuen Regeln die Bonität der Banken für die Gläubiger erhöht sehen, wollen sie langfristig auch eine Belastung nicht ausschließen. (Red.)

Ausgehend von der Finanzkrise 2008 und der darauf folgenden Eurostaatenkrise wurde die Idee der Bankenunion geboren, mit der in Euroland eine einheitliche Aufsichts- und Sanierungs-/Abwicklungsstruktur geschaffen wird. Der Zweck dabei ist:

- die Vervollständigung der Währungsunion durch Homogenisierung des Bankenmarktes in rechtlicher und institutioneller Sicht,

- die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Banken und

- die weitestgehende Verhinderung des Stützungserfordernisses eines Kreditinstituts durch den Staat und damit den Steuerzahler.

Aufbau und Regelungswerk

Grundlage der Bankenunion ist ein einheitliches Regelwerk zur Finanzmarktregulierung (Single Rulebook), welches für die 28 Mitgliedsstaaten der EU anwendbar ist. Kernelemente des Regelwerkes sind die Eigenkapital-, Sanierungs- und Abwicklungs- sowie die Einlagensicherungsrichtlinien. Zur Stabilisierung der Währungsunion ergänzt die Bankenunion für die Euroländer dieses Regelwerk durch ein integriertes Aufsichts- und Sanierungs-/ Abwicklungssystem. Andere europäische Länder, die den Euro noch nicht als Landeswährung eingeführt haben, können sich der Bankenunion freiwillig anschließen.

Die Bankenunion besteht aus drei Säulen: erstens dem einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM), welcher bei der EZB angesiedelt ist, zweitens dem einheitlichen Sanierungs- und Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM), der eine europäischen Abwicklungsbehörde und einen europäischen Abwicklungsfonds zur Finanzierung der Abwicklungsmaßnahmen umfasst, sowie drittens der harmonisierten Einlagensicherung, welche gemeinsame Standards für Einlagensicherungssysteme der Mitgliedsländer festlegt.

Wegen diverser Wechselbeziehungen zwischen den Säulen kann nur ein Zusammenwirken aller drei Säulen zur Stabilisierung des Bankenmarktes beitragen. Im Folgenden werden jedoch nur die ersten beiden Säulen genauer untersucht, da die harmonisierte Einlagensicherung für Gläubiger im Interbankengeschäft beziehungsweise Anleihegläubiger nicht relevant ist. Im Anschluss daran werden die Auswirkungen auf zentrale Aspekte der Bankkreditanalyse diskutiert.

Einheitlicher Aufsichtsmechanismus

Anfang November 2014 hat die Europäische Zentralbank (EZB) als zentrale Bankenaufsichtsbehörde im Euroraum die Verantwortung für den SSM übernommen. Die EZB hat damit die direkte Aufsicht für die in Abhängigkeit bestimmter Kriterien als bedeutend eingestuften Banken. Diese Kriterien sind unter anderem:

- die Größe, gemessen an der Bilanzsumme (> 30 Milliarden Euro), - das Verhältnis der Bilanzsumme im Vergleich zur Wirtschaftsleistung eines Landes (Bilanzsumme von mehr als 20 Prozent des BIP),

- die Größe der Bank im Mitgliedsland (mindestens eine der drei größten Banken) oder

- die Beantragung beziehungsweise der Bezug von Finanzhilfen durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM).

Ebenfalls Teil des SSM sind die nationalen Aufsichtsbehörden. Diese sind zuständig für Institute, die nicht unter die direkte Aufsicht der EZB fallen (weniger bedeutende Institute), und unterstützen zudem die EZB bei der Beaufsichtigung der bedeutenden Banken.

Mit dem SSM hat die EZB die Möglichkeit, nicht nur die europäische Aufsichtspraxis zu harmonisieren, sondern zusätzlich qualitativ durch Übernahme des jeweils besten Aufsichtskonzepts zu optimieren (Blend of Best).1)

Wesentliche Ziele des SSM sind die Sicherheit und Solidität von Kreditinstituten, die Stabilität des Finanzsystems in der EU, die Einheit und Integrität des Binnenmarktes und die Verhinderung von Aufsichtsarbitrage zwischen nationalen Aufsichtssystemen.

Verflechtungen zwischen Banken und Staaten abbauen

Die Befugnisse der EZB sind weitreichend und erstrecken sich unter anderem auf:

- Zulassung und Entzug von Banklizenzen,

- Genehmigung des Erwerbs von Beteiligungen von mindestens 10 Prozent,

- Sicherstellung der Einhaltung von Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen,

- Festlegung erhöhter Eigenkapitalanforderungen,

- Verhängen von Geldbußen bei Fehlverhalten der Banken,

- Begrenzung von Bonuszahlungen,

- Abberufung von Geschäftsführern,

- Durchführung von Stresstests.

Mit der Schaffung einheitlicher Aufsichtsbedingungen wird einer Wiederholung der auch durch unterschiedlich strenge nationale Beaufsichtigung begünstigten Finanzkrise entgegengewirkt. Durch die länderübergreifende Transparenz sollte es leichter möglich sein, zukünftig systembedrohliche Risiken frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Insbesondere für grenzüberschreitend tätige Bankengruppen ist ein europäisch aufgestellter und vernetzter Aufsichtsmechanismus wichtig.

Zudem wird mit der einheitlichen Bankenaufsicht auf supranationaler Ebene verhindert, dass nationale Bankenaufseher Fehlanreize für Banken auf den nationalen Märkten setzen, zum Beispiel indem Regulierungs- und Reformvorhaben teilweise blockiert/verlangsamt oder Wettbewerbsvorteile durch niedrigere Eigenkapital- und/oder Liquiditätsvorschriften geschaffen werden.

Mit der zentralen Bankenaufsicht soll auch die enge Verflechtung zwischen den nationalen Staaten und ihren Banken durchbrochen werden, da sich hieraus insbesondere in der Eurokrise große Probleme ergeben haben. So wurden Banken durch Staaten mit Steuergeldern gestützt, was die Staatshaushalte belastete und die Eurostaatenkrise begünstigte. Da Banken aber in großem Umfang direkt und indirekt Staatspapiere (insbesondere ihres Heimatlandes) halten, ziehen Probleme der Staatenbonität automatisch auch Probleme bei Banken nach sich.

Diese enge Verflechtung wird allerdings auf absehbare Sicht bestehen bleiben, solange die Capital Requirements Regulation (CRR) im Standardansatz ein risikounabhängiges Eigenkapitalgewicht von 0 Prozent für EU-Staaten vorsieht, Staatstitel mit 0 Prozent Risikogewicht nach Art. 400 Abs. 1 a CRR von der Großkreditbegrenzung ausgenommen sind und die Liquidity Coverage Ratio ebenfalls Staatstitel gegenüber anderen Emissionen bevorzugt, worauf insbesondere die Bundesbank seit Langem hinweist.2)

Zielkonflikte möglich

Dem oft diskutierten Ziel- und Interessenkonflikt zwischen Aufsichts- und geldpolitischen Funktionen wurde organisatorisch durch eine klare Funktionstrennung innerhalb der EZB weitgehend Rechnung ge tragen. Nichtsdestoweniger ist nicht auszuschließen, dass die EZB im Falle der Abwicklung einer grenzüberschreitend tätigen Bank einer möglichen Gläubigerbeteiligung zur Vermeidung von Ansteckungseffekten und damit von geldpolitischen Störungen negativ gegenüberstehen könnte. Auch könnte eine zu stringente Auslegung des Aufsichtsmandats die EZB bei der Durchführung ihrer Geldpolitik behindern.

Jüngstes Beispiel für einen solchen Zielkonflikt ist die Fortführung der Emergency Liquidity Assistance (ELA)-Kredite für griechische Banken aus geldpolitischen Gründen. ELA-Kredite sollen lediglich als Liquiditätshilfen an bonitätsmäßig einwandfreie Institute gewährt werden. Nun hängt die Bonität der griechischen Banken aufgrund hoher Staatstitelbestände und hoher latenter Steuerforderungen in besonderem Maße von der Bonität des griechischen Staates ab.

Zudem ist die Werthaltigkeit latenter Steuerforderungen auch von der Ertragsfähigkeit und Bonität der Banken selbst abhängig. Wenn sie nicht gegen zukünftige Steuerverbindlichkeiten aus in späteren Jahren entstehenden steuerbaren Gewinnen verrechnet werden können, müssen sie abgeschrieben werden. Insofern ist der Übergang zwischen ELA und Konkursverschleppung letztlich fließend.3) - Potenzielle Ziel- und Interessenkonflikte wirken der Markttransparenz entgegen.

Einheitlicher Abwicklungsmechanismus

Ab 2016 werden Sanierungen und Abwicklungen von Banken unter direkter Aufsicht der EZB sowie grenzüberschreitend tätige Banken mit Sitz in einem am SRM teilnehmenden Mitgliedsstaat von einer einheitlichen Abwicklungsinstitution, dem Single Resolution Board (SRB), koordiniert.4) Für alle anderen Banken sind weiterhin die nationalen Abwicklungsbehörden zuständig. Die folgenden Abwicklungsinstrumente stehen dem SRM dabei zur Verfügung:

Veräußerung: Verkauf der ausfallenden Bank ganz oder teilweise an eine andere Bank.

Brückeninstitut: Übertragung der "guten" Vermögenswerte und/oder wesentlichen Funktionen der Bank auf eine neue Bank (Brückeninstitut), die später an ein anderes Unternehmen veräußert wird, sowie Liquidierung der Rest-Bank mit den "schlechten" Vermögenswerten beziehungsweise den nicht wesentlichen Funktionen im Rahmen des regulären Insolvenzverfahrens.

Ausgliederung von Vermögenswerten: Übertragung der "schlechten" Vermögenswerte der Bank auf eine eigens dafür zu errichtende Zweckgesellschaft (Bad Bank). Der Einsatz ist hier nur in Verbindung mit einem anderen Abwicklungsinstrument möglich.

Bail-in: Abschreibung von Eigen- und/oder nach- und nichtnachrangigem Fremdkapital beziehungsweise Wandlung von Fremdin Eigenkapital unter bestimmten Voraussetzungen.

Eine definierte Haftungskaskade stellt im Fall des Bail-in sicher, dass Gläubiger zur Abwicklungsfinanzierung herangezogen werden können. Zur Finanzierung der Abwicklung sollen in einem gemeinsamen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) bis zum 1. Januar 2024 rund 55 Milliarden Euro angesammelt werden. Die Beträge für den Fonds werden seit 2015 mit der Bankenabgabe erhoben und anfänglich in nationalen Unterfonds gesammelt, welche später vergemeinschaftet werden.

Die Inanspruchnahme des Abwicklungsfonds ist an eine private Verlustbeteiligung der Anteilseigener und Gläubiger der betreffenden Bank (Bail-in) in Höhe von mindestens 8 Prozent der Bilanzsumme gekoppelt. Bestimmte Verbindlichkeiten (zum Beispiel gedeckte Einlagen oder besicherte Verbindlichkeiten) sind vom Bailin ausgenommen. Um sicherzustellen, dass für die Abwicklung einer Bank genügend Eigenmittel und bail-in-fähige Verbindlichkeiten zur Verfügung stehen, wurden vom Financial Stability Board (FSB) und von der European Banking Authority (EBA) unterschiedliche Vorschläge erarbeitet, die voraussichtlich parallel zum Einsatz kommen.

TLAC und MREL

Vorschlag des FSB: Total Loss Absorbency Capacity (TLAC): Die TLAC-Vorgaben sollen für alle weltweit systemrelevanten Banken (G-SIB) gelten. Es ist vorgesehen, die TLAC-Vorgaben im Januar 2019 einzuführen. Folgende Bestandteile für die TLAC werden vorgeschlagen:

- haftende Eigenmittel (inklusive bestimmter haftender Eigenmittel von Tochterunternehmen),

- bestimmte nachrangige und nicht nachrangige unbesicherte Verbindlichkeiten,

- glaubwürdige, vorfinanzierte Refinanzierungsverpflichtungen von Behörden (zum Beispiel nationalen Stützungsfonds).

Die operativen Verbindlichkeiten einer Bank sollen nicht zum TLAC zählen. Dies sind unter anderem kurzfristige, besicherte, Pensions- und sogenannte Verbindlichkeiten zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs. Die risikogewichtete TLAC-Quote ist wie folgt definiert:

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Als Untergrenze für diese Quote sind aktuell Werte zwischen 16 Prozent und 20 Prozent im Gespräch. Durch aufsichtlich vorgeschriebene Kapitalpuffer kann diese Mindestquote deutlich höher ausfallen. Die ungewichtete TLAC-Quote wird wie folgt berechnet:

Formel 2

Aktuell ist für die ungewichtete TLAC-Quote eine Mindestforderung vom Doppelten der Leverage-Ratio (voraussichtlich also 6 Prozent) im Gespräch.

Vorschlag der EBA: Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities (MREL): Die MREL-Vorgaben der EBA sollen im Gegensatz dazu für alle Banken innerhalb der EU gelten. Als MREL können grundsätzlich sämtliche Eigenmittel und bail-in-fähige Verbindlichkeiten eingebracht werden. Die Behörden können gewisse Verbindlichkeiten ausschließen, wenn sich dadurch die Erfolgsaussichten der Restrukturierung erhöhen. Dies erhöht dann die Bail-in-Quote der anderen Kapitalgeber.

Der MREL-Vorschlag der EBA sieht vor, dass keine einheitliche MREL-Mindestquote festgelegt wird, sondern dass für jedes Institut eine individuelle MREL-Quote von der zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt wird. Dies soll insbesondere aufgrund der Kriterien Risikoprofil, Geschäftsmodell und systemische Relevanz des jeweiligen Instituts erfolgen. Die Einführung ist mit Übergangsregeln zum 1. Januar 2016 geplant.

Der Bail-in ist aus Gläubigersicht sicherlich negativ zu beurteilen. Dieser Effekt wird zumindest teilweise durch höhere Volumina an nachrangigen Haftungsmassen kompensiert. Die Regeln zum SRM führen zu einem Anstieg der Refinanzierungskosten für die Banken, da eine Gläubigerbeteiligung wahrscheinlicher, die Stabilität der Refinanzierung (zum Beispiel bei negativen Nachrichten über eine Bank) sinken und das Gläubigerrisiko daher steigen wird. Dies dürfte sich durch die vereinheitlichten Sanierungs- und Abwicklungsregeln und die dadurch gegebene Transparenz etwas relativieren. Darüber hinaus belasten die jährlichen Fondsbeiträge die Profitabilität der Banken zusätzlich.

Auswirkungen auf zentrale Aspekte der Kreditanalyse

Die dargestellten Regeln führen zur Veränderung zentraler Maßstäbe für die Beurteilung der Bankenbonität, von denen hier die wichtigsten Implikationen näher untersucht werden sollen.

Eigenkapitalausstattung: Infolge der Einführung der Bankenunion dürfte sich die Eigenkapitalausstattung mittelfristig erhöhen, da die EZB, wie bereits für 2015 geschehen, im Rahmen des Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) höhere Eigenkapitalanforderungen stellt (Säule 2 beziehungsweise Säule 1 Plus-Ansatz). Ab 2016 soll dies im Rahmen einer transparenten einheitlichen Methodik geschehen,5) was auch die Markttransparenz erhöht. Hinzu kommen die erwähnten TLAC- und MREL-Anforderungen. Diese können zwar auch in nachrangigen und nichtnachrangigen Schuldinstrumenten erfüllt werden. Jedoch dürfte bei engen Märkten für nachrangige Schuldtitel beziehungsweise zwecks Entgegenwirken eines Bail-in bei nichtnachrangigen Schuldinstrumenten bankseitig trotz der höheren Eigenkapitalkosten vielfach ein Interesse an erhöhter Eigenkapitalausstattung bestehen.

Verminderung der bestehenden Wahlrechte

Positiv für Bankgläubiger ist zudem die im Zuge der Bankenunion erhöhte Transparenz durch die angestrebte Verminderung der derzeit noch bestehenden 150 Wahlrechte bei der Ermittlung der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalkennzahlen sowie die erhöhte Vergleichbarkeit aufgrund der angekündigten stärkeren Vereinheitlichung bankinterner Risikomessmodelle.6)

Liquiditätsausstattung: Von besonderer Bedeutung für Gläubiger ist die im Rahmen des Individual Liquidity Adequacy Assessment Process (ILAAP) vereinheitlichte und im Einklang mit Basel III und CRR wesentlich aufgewertete Liquiditätsüberwachung.7) Seitens der Gläubiger gewährleistet die kontinuierliche individuelle Liquiditätsüberwachung durch die Aufsicht besonderes Vertrauen, da die klassische Bilanzanalyse aus stichtagsbezogenen, bei Vorlage teilweise mehrere Wochen oder gar Monate alten Jahres- und Quartalsabschlüssen eine eigene Beurteilung der Liquiditätssituation nicht ermöglicht.

Rangfolge und Bail-in-Fähigkeit: Soweit TLAC/MREL in Nachranginstrumenten erfüllt werden, erhöht sich aufgrund der Nachrangigkeit für die nichtnachrangigen Gläubiger der Verlustpuffer selbst dann, wenn es sich nicht um Eigenkapital handelt. Dieser Effekt wird jedoch teilweise kompensiert, wenn Nichtnachranginstrumente rechtlich bail-in-fähig sind, wie zum Beispiel nach dem Regierungsentwurf des deutschen Abwicklungsmechanismusgesetzes vorgesehen. Endgültig wird die Stärke des Effekts

- vom Volumen der den Senior-Anleihen nachrangigen Kapitalinstrumenten,

- dem Volumen gleichrangiger Instrumente sowie

- den anderen relevanten Treibern der Stand-alone-Bonität (Geschäftsmodell, nachhaltige Ertragskraft und so weiter8)) abhängen.

Volatilere Senior-Unsecured-Ratings

Die Veränderung dieser Einflusskomponenten bei Bail-in-Fähigkeit von Nichtnachranginstrumenten im Zeitablauf dürfte daher bei gleichzeitig zu erwartender Abnahme des Staatssupports die Senior-Unsecured-Ratings von EU-Banken deutlich volatiler werden lassen. Die Euphorie dieser Bestimmung im geplanten deutschen Abwicklungsmechanismusgesetz, der sogar Vorbildfunktion für die Europäische Union beigemessen wird, ist jedoch aus Sicht von nichtnachrangigen Gläubigern weniger gerecht fertigt. Über die Laufzeit der Kapitalüberlassung hinweg können veränderte Bonitätsfaktoren sehr wohl einen ursprünglich sehr unwahrscheinlichen Bail-in in eine nicht zu vernachlässigende Eintrittswahrscheinlichkeit umschwenken lassen.

Dieser Verlust wird materiell zwar aufgrund der No creditor worse off-Principles nach Art. 73-75 der Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD) teilweise nachträglich wieder ausgeglichen. Das Bail-in-Ereignis und die Involvierung in die Restrukturierung beziehungsweise Insolvenz bleiben jedoch.

Für Senior-Gläubiger vorteilhafter ist da die in Frankreich und Singapur vorgesehene Regelung, die Nichtnachranginstrumente vom Bail-in generell ausschließt. Für die Senior-An leihen-Märkte wäre zudem die dadurch verbesserte Markttransparenz förderlich. Allerdings erhöht dies die erforderlichen Emissionsvolumina für Nachranginstrumente und damit die Refinanzierungskosten der Banken.

Eine hohe Markttransparenz wird ebenfalls gewahrt, wenn, wie in den USA und zunehmend in Großbritannien sowie bei den beiden international tätigen Schweizer Großbanken, die Anleihen nicht von den operativen Banken, sondern den Bankholdings begeben werden.

Weltweit einheitliche Ausgestaltung der Regeln nicht erreichbar

Eine weltweit einheitliche Ausgestaltung der Regeln erscheint auf absehbare Zeit nicht erreichbar, allein schon aufgrund der in Asien und Australien weiterhin bestehenden Bereitschaft zum staatlichen Bail-out und der unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Strukturen im angloamerikanischen Raum, insbesondere den Bankholdingstrukturen. Vorteilhaft ist daher, dass in Euroland der SRM die Transparenz und Einheitlichkeit weitgehend herstellt. Allerdings nimmt die SRM-Verordnung bei der Rangfolge der Forderungen beim Bail-in in Art. 17 auf die nationalstaatliche Umsetzung der BRRD Bezug. Folglich können in diesem wichtigen Punkt nationale Unterschiede in Euroland auch dauerhaft erhalten bleiben.

Abnehmender Staatssupport: Im Einklang mit dem erklärten Ziel, einen Bailout zu verhindern, ist zukünftig von einer verminderten staatlichen Stützung auszugehen, wenn nicht besondere Faktoren (zum Beispiel Förderbankenstatus, Größe und Vernetzung) dem entgegenstehen. Folglich haben die Ratingagenturen ihre Methoden im letzten Jahr sukzessive angepasst und Ratingveränderungen vorgenommen. Aufgrund der kompensatorischen Wirkung von erwarteter Verbesserung bei der Ausstattung mit Eigenkapital und Nachranginstrumenten bewirkte dies teilweise sogar Ratingverbesserungen.

Zeitbedarf

Die Bankenunion führt zu einheitlicheren Aufsichtsbedingungen in Euroland, was positiv ist. Kurzfristig erhöhen zudem die zusätzlichen Verlustpuffer beziehungsweise neuen Regeln die Bonität der Banken für die Gläubiger. Soweit dadurch jedoch die Profitabilität oder gar die Geschäftsmodelle infrage gestellt werden,9) kann dies langfristig die Bonität auch belasten. Nachteilig ist sicherlich der abnehmende Staatssupport.

Es wird jedoch noch einige Zeit dauern, bis alle nationalen Regeln und Wahlrechte angeglichen sein werden. Dies betrifft zum Beispiel die noch bestehenden vielfältigen nationalen Wahlrechte bei der Ermittlung der Eigenkapitalkennzahlen und die voraussichtlich verbleibenden Unterschiede beim Bail-in nichtnachrangiger Schuldtitel.

Zudem wird das Ziel der Entflechtung von Banken- und Staatsrisiken erheblich konterkariert, solange Staatsrisiken bei der Eigenkapitalunterlegung, der Großkreditbegrenzung und der Liquidity Coverage Ratio bevorzugt werden.

Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung der Autoren wieder.

Literatur

Becker, G./Voigt, A., Wie wichtig ist eine hohe Eigenkapitalquote für Bankgläubiger?, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 22/2014, S. 1123 bis 1126.

Buch, C., Risiken von Banken und Staaten trennen, in: Börsenzeitung vom 27. März 2015, S. 8.

Deutsche Bundesbank, Die neuen europäischen Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten, in: Monatsbericht Juni 2014, S. 31 bis 57.

European Central Bank, Guide to banking supervision, Nov. 2014, abrufbar unter: https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssmguidebankingsupervision201411.en. pdf

Kasprowicz, T./Quinten, D./Schabert, T., Herausforderungen der Bankenregulierung - zwischen operativer Umsetzung und grundlegendem Wandel, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 13/2015, S. 640 bis 644.

König, E. (Interview), "Grenze zur Konkursverschleppung ist fließend", in: Handelsblatt vom 15. Juni 2015, S. 30 bis 31.

Loeper, E., Vortrag auf dem Symposium "Bankenaufsicht im Dialog" am 8. Juli 2015, zitiert in: o. V., Mehr individuelle Vorgaben, in: Börsenzeitung vom 9. Juli.2015, S. 2.

o. V. (2015), EZB nimmt sich nationale Wahlrechte vor, in: Börsenzeitung vom 18. März 2015, S. 5.

Fußnoten

1) Vgl. European Central Bank (2014) S. 7.

2) Vgl. Buch (2015) S. 8.

3) Vgl. König (2015) S. 30.

4) Zur genauen Abgrenzung der Entscheidungskompetenzen und bestehenden Vetorechten vgl. Deutsche Bundesbank (2014) S. 47 bis 51.

5) Vgl. European Central Bank (2014) S. 25 bis 26 und Loeper (2015).

6) Vgl. o.V. (2015).

7) Vgl. European Central Bank (2014) p. 25.

8) Vgl. Becker/Voigt (2014) S. 1124 bis 1126.

9) Vgl. Kasprowicz u. a. (2015) S. 640 und 644.

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