Aufsätze

Die Bedeutung von Risikomanagement im Private Wealth Management

Wirft man einen ersten, flüchtigen Blick auf den Begriff "Risikomanagement", so mag man zu dem voreiligen Schluss kommen, dass es sich dabei lediglich um einen von vielen Aspekten bei der Betreuung vermögender Privatkunden handelt. Bei etwas genauerem Hinsehen wird jedoch sehr schnell deutlich, dass professionelles Risikomanagement ein zentrales Element im Management größerer Vermögen ist und nahezu die Quintessenz eines anspruchsvollen und zeitgemäßen Private Wealth Managements darstellt.

Die "Champions League" im Privatkundengeschäft

Zunächst stellt sich die Frage, was das "Private Wealth Management" eigentlich umfasst und wo beispielsweise der Unterschied zum "Private Banking" liegt? Auch wenn beide Begriffe manchmal synonym verwendet werden, bedeuten sie nämlich durchaus nicht das Gleiche.

Die Unterscheidung hat in erster Linie mit den Kundenansprüchen zu tun. Diejenigen aus dem Private Wealth Management lassen sich nicht mit denen im Private Banking vergleichen. Im Private Wealth Management verfügen die Kunden über komplexe Vermögen, viele von ihnen haben Verbindungen ins Ausland. Entsprechend erfordert ihre Betreuung auch die Fähigkeit, komplexe Strukturen im In- und Ausland zu erfassen und zu analysieren. Mehr und mehr gilt es, ethische Aspekte zu berücksichtigen, auch nachhaltige Anlageformen werden verstärkt nachgefragt. Kunst spielt eine immer größere Rolle, denn immer öfter wird die Anforderung gestellt, Kunst zu bewerten und in die Gesamtvermögensstruktur einzubeziehen. In aller Regel handelt es sich bei den betreuten Vermögen um die Vermögen ganzer Familienverbände, deren Ziele, Erwartungen und Ansprüche ebenfalls Berücksichtigung finden müssen.

Die Komplexität dieses Spektrums von Kundenansprüchen verlangt vom Wealth Manager die Fähigkeit, sehr individuelle und innovative Lösungen erarbeiten zu können und dies unter Einbindung der jeweiligen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und auf einer gemeinsamen Augenhöhe mit ihnen zu tun. Private Wealth Management ist die individuellste und auch die ressourcenintensivste Form der Betreuung. Etwas verkürzt ausgedrückt, ist das Private Wealth Management die "Champions League" im Privatkundengeschäft.

Die oben skizzierte Komplexität der Ansprüche geht sehr häufig einher mit einer gewissen Vermögensgröße. Geht es im Private Banking oft um den Vermögensaufbau in der Begleitung von Lebensphasen, spielt der Vermögensaufbau hier eine untergeordnete Rolle. Vielmehr kommt die oberste Priorität dem Erhalt des vorhandenen Vermögens zu, gefolgt von seinem behutsamen Ausbau.

Vermögenserhalt im Vordergrund

Die erfolgreichen Wealth Manager betreuen neben vermögenden Privatkunden häufig auch ausgewählte institutionelle Kunden, zu denen Kirchen und vor allem auch Stiftungen zählen. Gerade am Beispiel von Stiftungen wird die Bedeutung eines professionellen Risikomanagements plastisch erkennbar. Zum großen Teil sind Stiftungen durch das Stiftungsrecht zum Erhalt des Stiftungsvermögens verpflichtet - sie dürfen also nur ein sehr überschaubares Risiko eingehen. Gleichzeitig müssen sie mit dem Stiftungskapital gewisse Renditen erwirtschaften, um ihren Stiftungszweck überhaupt erfüllen zu können - was zunächst mal einen Spagat darstellt. Dieses Spannungsverhältnis lässt sich auf die Betreuung großer Familienvermögen übertragen: auch sie sollen primär erhalten bleiben, dabei jedoch auch an den Kapitalmärkten Renditen abwerfen.

Eine besonders ausgeprägte Risikosensibilität ist daher so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner für alle unterschiedlichen Zielgruppen im Private Wealth Management. Um dies gewährleisten zu können, reicht es nicht, dass der Wealth Manager ein exzellenter Wertpapierspezialist ist: er muss ein ganzheitlicher Betreuer sein, ein Asset Allocator und - insbesondere ein Risikomanager! Eine seiner wichtigsten Aufgaben ist es, die für den Kunden passende (risikoadjustierte) Asset Allocation zu finden.

Es ist unbestritten, dass der maßgebliche Faktor für die vorteilhafte Entwicklung eines Vermögens die richtige Aufteilung des Vermögens in die passenden Anlageklassen ist. Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass die Performance eines Portfolios zu mehr als 90 Prozent von der Zusammensetzung des Portfolios (Aktien, Anleihen und Liquidität) abhängt. Die Auswahl der einzelnen Wertpapiere und das Timing von marktbezogenen Entscheidungen tragen weniger als zehn Prozent bei (vergleiche Abbildung 1).

Erfolgreiche Vermögensanlage heißt Risiko minimieren

Entgegen einer immer noch weit verbreiteten Meinung ist der größte Wertpapierexperte daher nicht immer der erfolgreichste Vermögensmanager. Der Wealth Manager sollte die Chancen und Risiken an den Weltmärkten genau kennen und diese mit den Anlagezielen des Kunden in einen harmonischen Einklang bringen.

Geht man von einem strategischen Ansatz des Vermögensmanagements aus, so lässt sich letztlich alles auf zwei entscheidende Komponenten reduzieren: Asset Allocation und Risikomanagement. Gerade größere Vermögen entwickeln sich dauerhaft nicht etwa durch die Verfolgung maximaler Rendite, sondern durch das Vermeiden unnötiger Risiken.

Dort wo Risiken bewusst eingegangen werden, ist ein konsequentes Risikomanagement gefragt. Ein privater Investor ist also gut damit beraten, sich nicht von isolierten maximalen Performancewerten blenden zu lassen, die oftmals nur kurzfristig und unter Eingehung großer Verlustrisiken erreicht werden können. Die Kennzahl für Professionalität ist, wie viel Risiko für die angestrebte Rendite eingegangen wird. Hier gilt ganz klar: Im Zweifel ist weniger Risiko mehr.

Ein seriöses Vermögensmanagement wird daher immer zuerst versuchen, die wirklichen Anlageziele zu ermitteln und herauszufinden, wie viel Risiko ein Anleger bereit und in der Lage ist, dafür einzugehen. Erst danach (! ) dürfen die nächsten Schritte erfolgen und die Überlegungen für die strategische und taktische Asset Allocation angestellt werden. Stets gilt: Risikoanalyse vor Anlageempfehlung. Wenn aber die Prämisse strategischer Asset Allocation die Risikoanalyse ist, muss sich jeder Anbieter im Private Wealth Management also fragen lassen, wie gut seine Risikoanalysefähigkeiten sind.

Professionelle Risikoanalyse

Eine professionelle Risikoanalyse sollte das persönliche Anlageprofil des Kunden ermitteln und, ausgehend von seinen individuellen Positionen in der Lage sein, in der vom Kunden gewünschten Häufigkeit sein aktuelles Portfolio zu betrachten und bestehende Risiken zu analysieren (siehe Abbildung 2).

Dafür kann (besser gesagt: sollte) der Kunde erwarten, dass ihm sein Wealth Manager erst einmal deutlich macht, welche Risiken im bestehenden Depot überhaupt enthalten sind. Dies kann geschehen, indem das derzeitige Depot unterschiedlichen Stresstests und Szenarioanalysen unterzogen wird. Wie würde das Portfolio reagieren, wenn etwa zu einem bestimmten Stichtag der Ölpreis bei 100 US-Dollar läge? Oder wenn sich ein geopolitisches Krisenszenario verschärft hätte? Das Ergebnis dieser Szenarioanalysen ist dann eine Veranschaulichung über das derzeitige Risiko des Portfolios auf Basis ausgewählter Kennziffern.

Anschließend muss sich der Kunde mit Hilfe seines Beraters die Frage stellen, ob ihm diese Risiken überhaupt bewusst sind und ob dies denn die Risiken sind, die er auch gewillt ist, einzugehen. Dafür wird jeder seriöse Wealth Manager gemeinsam mit dem Kunden ein individuelles Anlageprofil erstellen. Sowohl der Kunde, wie auch sein Betreuer sind gut beraten damit, sich für diesen Punkt Zeit zu nehmen und ihn sehr gründlich zu erarbeiten, denn es geht um eine differenzierte Erfassung von Risikofähigkeit und Risikobereitschaft. Dazu gehören Angaben zur Person und der geplanten Anlage ebenso wie Präferenzen und Erfahrungen im Anlagegeschäft.

Daraus ergeben sich zwei unterschiedliche Aspekte, die das Risikoprofil maßgeblich bestimmen: Der eine Aspekt beschreibt die Finanzsituation, die bestimmt, wie viel Risiko sich der Kunde leisten "kann". Der zweite Aspekt bezieht sich auf die Anlegerpersönlichkeit und spiegelt wider, wie viel Risiko sich der Kunde leisten "will"!

Dem Kunden verschafft eine professionelle Risikoanalyse Klarheit über seine Risikotoleranz und seine finanziellen Ziele. Aus der Kenntnis seiner Risikofähigkeit und Risikobereitschaft weiß er nun, welches Risiko "richtig" für ihn ist. Darüber hinaus lernt er, sein Risiko auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu klassifizieren.

Klarheit, Transparenz und Entscheidungsbasis

Eine gründliche Risikoanalyse verschafft dem Kunden auch Transparenz über sein aktuelles Portfolio. Er erhält einen Überblick über die möglichen Risiken und die Renditepotenziale. Er lernt die Risikobeiträge einzelner Werte kennen und bekommt einen Überblick über das mögliche Verlustpotenzial bei extremen Börsensituationen. Und die Risikoanalyse kann Indikationen zur Bandbreite der voraussichtlichen Vermögensentwicklung geben.

Schließlich verfolgt eine professionelle Risikoanalyse das Ziel, dem Kunden eine möglichst gute und komplette Basis für seine finanziellen Entscheidungen zu verschaffen. Risikokennziffern und Szenarioanalysen machen die Potenziale eines effizienten Portfolios bekannt, sodass der Kunde eine realistische Vorstellung davon bekommt, wie viel Performance möglicherweise erzielt werden kann. In der Summe der Kenntnis der Chancen und Risiken des Portfolios bildet die Risikoanalyse die Voraussetzung für eine systematische Depotoptimierung.

Umsetzung des Risikoprofils in der Asset Allocation

Im Rahmen eines konsequenten Risikomanagements geht es darum, die Erkenntnisse aus der eingehenden Risikoanalyse zunächst in die strategische und danach die taktische Asset Allocation des Kunden einfließen zu lassen. Im Gegensatz zu vielen privaten Anlegern erliegen echte Anlageprofis an diesem Punkt gerade nicht der ausschließlichen Fokussierung auf Einzeltitel. Wo sich der Privatmann oft unbewusst von individueller Branchenkenntnis und persönlichen Präferenzen leiten lässt, basiert eine gute Vermögensanlage auf einer strategischen Asset Allocation, die wiederum auf der stringenten Umsetzung der Erkenntnisse basiert, die aus dem Risikoprofil gewonnen wurden.

Professionelles Risikomanagement bedeutet auch, dort Risiken zu minimieren, wo die Markteinschätzungen in die Asset Allocation eingebracht werden. Hier verlangt die strategische Vermögensaufteilung einen systematischen Investmentprozess, in den das Research und die Marktkenntnisse des jeweiligen Anbieters einfließen und der den jeweils neuesten Stand der Marktentwicklungen berücksichtigt. Diese profunde Kenntnis der Märkte fließt ebenso in die Entwicklung einer individuellen Asset Allocation ein, wie die Lebensumstände des Kunden.

Schließlich soll sich der Kunde auch keinen unerwarteten Kostenrisiken ausgesetzt sehen. Die Professionalität und die Souveränität, die die großen "Player" im Private Wealth Management für die Einhaltung globaler Standards und den Umgang mit ihnen entwickelt haben, kommen auch als spürbare Transparenz beim Kunden an. In einem Kundenportfolio, das die Empfehlung einer Bank umsetzt, muss sich jede Position aus Gründen der Asset Allocation erklären lassen und die Kosten müssen transparent sein.

Ausgewogenheit als Ziel

Private Wealth Management agiert und funktioniert als professionelles Management zwischen der Asset Allocation aus den Märkten und der Asset Allocation des Kunden, die sich aus seinen jeweiligen Lebensumständen ergibt. Aus dieser Interessenlage heraus wird das Vermögen des Kunden nicht einfach verwaltet, es geht vielmehr darum, das Risiko im Vermögen zu managen.

Dabei weist das Risikomanagement eine Vielzahl von Facetten auf: vom Erkennen vorhandener Risiken im bestehenden Depot über das Erstellen eines individuellen Risikoprofils bis hin zur Analyse möglicher Risikoszenarien und ihrer Berücksichtigung im Portfolio. Die Kernkompetenz des Private Wealth Managers muss es daher sein, sich nicht auf die Wertpapierberatung zu beschränken, sondern aus einer Hand eine ganzheitliche Beratung mit einer sorgfältigen und strategisch ausgerichteten, risikoadjustierten Asset Allocation zu leisten.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X